Federer und die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
Roger Federer verzückt New York mit jugendlichen Spielstil. Das weckt Hoffnungen bei den Fans – und erregt den Unmut von Djocovic-Trainer Boris Becker. Ist das Neid, oder Bewunderung? Es ist egal! Das meint Dr. Lucas von Bothmer, Chefredakteur der Jagdzeitschrift JÄGER und leidenschaftlicher Tennisfan, in seinem Gastkommentar.
Von Dr. Lucas von Bothmer
Der Big Apple glüht. Die Spannung steigt. Flushing Meadows elektrisiert, weltweit. Im World Wide Web reiben sich Tennisfans – und selbst in Deutschland sehen sie morgens aus, als hätten sie in die Steckdose gefasst. Denn wieder mal heißt es, wach bleiben und Daumen drücken, Ihr Freunde des chip and charge, Ihr Exil-Einhänder, Serve-und Volley-Nostalgiker, Ihr Filzball-Feinschmecker dieser Welt: Es gibt wieder Hoffnung – und sie heißt wieder mal: Roger Federer.
Federer vs. Djokovic hat literarische Qualität
Denn sollte der außergewöhliche Gentleman am Sonntag Abend in New York womöglich gegen Novak Djokovic spielen, dann wäre das nicht einfach das 42. Duell der aktuell beiden besten Tennisspieler der Welt. Es wäre auch nicht bloß der Versuch des besten Spielers aller Zeiten, den besten Spieler der Gegenwart vom Thron zu stoßen. Ebenso wenig würde es dem Schweizer gerecht, ihn auf die Jagd nach seinem 18. Grand Slam zu reduzieren. Nein, ein solches Spiel, hätte literarische Qualität.
Es wäre eine Neuauflage des alten Kampfes von Talent gegen Technik, von Kreativität gegen Kraft, von Mensch gegen Maschine. Es wäre aber auch eines der letzten Gefechte eines Genies gegen sein eigenes Frühwerk, gegen die Geschichtsbücher, gegen alle Regeln der Physik. Denn auch, wenn Federer scheinbar alterslos über den Platz schwebt; und auch, wenn er unmenschliches Tennis spielt; auch, wenn er außerirdische Volleys platziert; auch er ist – zum Glück – nur ein Mensch – und auch seine Uhr läuft – leider – unweigerlich ab.
Und wenn die gestrige Tracht Prügel am Franzosen Gasquet etwas gezeigt hat, dann doch, dass Federer sich auch im Alter von 34 Jahren noch immer nur selbst schlagen kann.
Denn ein 34 Jahre alter Profi, der im Halbfinale eines Grand Slams steht, ohne einen einzigen Satz abgegeben zu haben, der in 12 Sätzen nur ein einziges Aufschlagspiel verloren hat, der nach 16 Jahren in der ATP-Knochenmühle leichtfüßig juvenil dahertippelt und in Lichtgeschwindigkeit Entscheidungen trifft, die uns unweigerlich an Gehirndoping denken lassen, muss niemandem mehr etwas beweisen.