Was macht eigentlich… Martina Hingis?
Sie war die jüngste Nummer eins aller Zeiten und beendete bereits mit 27 Jahren ihre Karriere. Heute spielt die Schweizerin bei Oldie-Events und widmet sich der Nachwuchsarbeit.
Frau Hingis, Wimbledon ist gerade zu Ende gegangen, Sie spielten erneut bei den „Legends“ mit. Was gefällt Ihnen so an diesem Turnier?
Die Atmosphäre, es ist alles so grün und nicht so hektisch. Heute ist es fast noch schöner als zu meiner aktiven Zeit. Es wurde ein wenig renoviert und moderner gestaltet, aber mit Stil.
Kann man sich die Oldie-Wettbewerbe bei den Grand Slam-Turnieren wie ein Klassentreffen ehemaliger Profispieler vorstellen?
Eigentlich schon. Es sind tolle Gelegenheiten, um sich zu sehen. Mit Anke Huber habe ich zwar zwischendurch auch Kontakt, aber bei den „Legends“ kommen alle wieder zusammen. Heute ist alles so viel entspannter. Viele haben bereits Kinder. Da gibt es andere Probleme im Leben als nicht verwandelte Matchbälle.
Sind nach Ihrer Karriere Freundschaften zu ehemaligen Gegnerinnen entstanden?
Mit Iva Majoli und Anna Kournikova war ich schon auf der Tour befreundet. Mit Anna hatte ich lange Kontakt, aber im letzten Jahr war sie nicht bei den „Legends“ dabei. Manchmal ist es schwierig, wenn man aus dem Kreis raus ist. Aber ich hoffe, wir sehen uns Ende des Jahres in Miami wieder.
Inzwischen kümmern Sie sich in der Akademie von Patrick Mouratoglou in Paris um die Jugendarbeit. Macht Ihnen das Spaß?
Ja, sehr. Ich bin viel lieber selbst aktiv als etwa Tennis für einen TV-Sender zu kommentieren. Das habe ich auch schon ausprobiert, aber das ist nicht mein Ding. Ich fühle mich besser, wenn ich auf dem Platz stehe.
Sind Sie eine geduldige Lehrerin?
(lacht) Manchmal könnte ich die Jugendlichen erwürgen. Nein, im Ernst, es macht mir sehr viel Spaß. Aber man muss fast Psychologe sein, wenn man mit pubertierenden 16- oder 17-Jährigen arbeitet. Heute kann ich meine Mutter verstehen, denn mit mir war es früher nicht immer einfach. Wir haben uns oft gestritten.
Sehen Sie in der Akademie Talente, die eine ähnliche Spielanlage haben wie Sie damals – mit Spielwitz und Händchen?
Die Kasachin Yulia Putintseva. Sie ist bereits die Nummer 127 der Welt. Oder auch Daria Gavrilova aus Russland. Sie hat noch mehr Potenzial. Der Wechsel von den Juniorinnen zu den Damen ist heute aber viel schwieriger als früher. Die Mädchen sind 17 Jahre alt und stehen um Rang 200. Ich war mit 17 schon die Nummer eins. Steffi Graf kam bereits mit 14 auf die Tour. Heute geht alles viel langsamer.
Wie sehen Sie die Entwicklung im deutschen Damentennis?
Es ist super, dass die Deutschen vier, fünf Mädels so weit oben haben. Sie pushen sich gegenseitig, es ist eine tolle Gruppe. Kerber habe ich bei ihrem Sieg beim Hallenturnier in Paris gesehen, als sie Sharapova schlug. Das war ein großer, persönlicher Erfolg für sie, weil sie jetzt daran glaubt, auch die Großen schlagen zu können. Sabine Lisicki kannte ich schon, als sie noch ein kleines Mädchen war. Sie hat ein paar Mal mit mir trainiert. Es ist schade, dass sie so oft verletzt ist. Aber sie müsste auch ein, zwei Kilo abnehmen. Ich will da nicht zu streng sein, aber wenn man ein paar Kilos zu viel mitschleppt, ist man eben auch anfälliger für Verletzungen.
Ist es heutzutage eine Bürde geworden, die Nummer eins der Welt zu sein?
Man muss aufpassen, dass man nicht faul wird und zu schnell zufrieden ist. Es braucht Disziplin, einen guten Trainer und eine starke Hand dahinter. Man sieht es bei Spielerinnen wie Kuznetsova oder Myskina, bei all denen, die einmal ein Grand Slam-Turnier gewannen – da lief es anschließend noch ein paar Wochen gut und danach ging es bergab.