Mail aus Indian Wells: Das sagt Kerber über Sharapova
„Ich bin überrascht!“ Das erste Statement von Kerber über Sharapova.
Wie sich die Szenen gleichen: Beim ersten Grand Slam-Turnier des Jahres, in Melbourne, platzte an Tag eins die Bombe: Wettskandal! Sogar ehemalige Grand Slam-Sieger sollen verwickelt sein, hieß es. Für die Australian Open war es eine ärgerliche Geschichte, die die BBC aufgetischt hatte – es gab keine Beweise. Aber der Effekt war trotzdem groß: Eine Woche lang überschattete das Thema Wettmanipulationen die Matches in Melbourne.
Diesmal ist es das erste Masters-Turnier der Saison, das Event, das in der Szene als fünfter Slam gilt. Wieder ist es der erste Tag, wieder ein Skandal. Nur ist bei der Sharapova-Dopingbeichte alles anders. Es gibt einen Namen, es gibt ein Geständnis. Aber: Es gibt auch Fragezeichen ohne Ende.
Am Tag des Sharapova-Geständnisses sitzt Angelique Kerber in einem Polstersofa in der Lobby des Spielerhotels, keine zwei Meilen vom Indian Wells Tennis Garden entfernt. Kerber hat am Nachmittag trainiert, am Samstag wird sie ihr erstes Match spielen. Jetzt spricht Kerber über Sharapova! Die Melbourne-Siegerin zum Dopingfall Sharapova: „Ich bin wie alle anderen sehr überrascht über die Nachricht. Das habe ich nicht erwartet. Mehr kann und möchte ich dazu nicht sagen, weil ich die genauen Details nicht kenne. Man muss jetzt die Ergebnisse der offiziellen Untersuchung abwarten.“
Hair she is! (Get it…?!) #AusOpen champion @AngeliqueKerber has arrived in #IndianWells. Welcome Angie! #BNPPO16 pic.twitter.com/lSjxlCjJCE
— BNP Paribas Open (@BNPPARIBASOPEN) 7. März 2016
Es ist keine Aussage, die einen aufhorchen lässt, aber was soll Kerber auch sagen zu einer Story, die die Tenniswelt auch am dritten Tag nach der Sharapova-Pressekonferenz in einem Hotel in L.A. schockt?
Es ist ein Schock, weil es der prominenteste Dopingfall im Tennis ist, den es je gab. Als Martina Hingis 2007 in Wimbledon positiv auf Kokain getestet wurde, war ihre Karriere bereits am Ende. Petr Korda, der Australian Open-Sieger von 1998, wurde ein paar Monate nach seinem Triumph positiv auf Nandrolon getestet – im Nachhinein eine Notiz der Tennishistorie. Aber Sharapova ist größer, als es die Schweizerin und der Tscheche je waren.
Es ist auch ein Schock, weil Sharapova stets der Ruf vorauseilte, die professionellste Spielerin überhaupt zu sein. Sie ist – war – die perfekte Frau. Fehler sind – waren – in ihrer Karriere nicht vorgesehen.
Aber sie hat einen unverzeihlichen Fehler gemacht. Darüber sind sich auch im Indian Wells Tennis Garden alle einig. Von außen betrachtet ist es so, als gebe es den Fall Sharapova nicht. Die Sonne scheint über dem Coachella Valley, die riesige Anlage mit den manikürten Rasenflächen ist auch am zweiten Quali-Tag rappelvoll. Doch durch die Katakomben des Stadium 1, dem mit 16.100 Plätzen zweitgrößten der Welt, wabert der Skandal.
In einem Fernsehstudio von „Tennis Channel“, neben dem Centre Court, diskutieren die ehemaligen Spielerinnen Lindsay Davenport und Tracy Austin vor einer Traube von Zuschauern über Sharapova, ihr Geständnis und die möglichen Folgen.
Im Spielerrestaurant sitzt der Coach einer der besten deutschen Spielerinnen auf einem Messingstuhl und sagt. „Es ist auch das große Thema in Spielerkreisen.“ Und weiter: „Der Fall ist komplett anders als die beiden anderen größeren Dopingfälle der letzten Zeit.“ Die Rede ist von Marin Cilic und Viktor Troicki. Beide haben Strafen erhalten – der Kroate vier Monate, der Serbe ein Jahr –, beide wurden des Dopings nie überführt. Und bei beiden ist sich das Gros der Spieler einig: Sie seien keine Doping-Sünder.