Dopingfall Maria Sharapova: Auf Pillen gebettet
Vor einer Woche postete Maria Sharapova ein Video bei Instagram. Sie steht auf einem Tennisplatz, schwarze Leggings, rotes Oberteil. In den Händen hält sie einen Fußball. Sie lächelt, schaut zur Kamera und sagt: „Aber keine Slow-Mo!“ Aus dem Off ertönt eine Stimme: „Mach einfach!“ Dann hält sie den Ball mit Oberschenkeln und Füßen in der Luft. 14 Berührungen schafft sie, bis sie nicht mehr an Ball kommt. Ein User schreibt: „Der FC Barcelona ruft!“
Die Normalität eines Super-Sportstars. Sharapova beim Ball-Hochhalten, beim Autofahren, beim Drill für die Beinarbeit, beim Beach-Volleyball, beim Knuddeln mit einem süßen Hund, beim Museumsbesuch, beim Dauerlauf, dazu Fotos von fein säuberlich drapierten Menüs mit natürlich hochgradig gesunden Zutaten und von der Eröffnung ihres neuesten „Sugarpova“-Shops, der nun auch Schokoläde für die Fans bereithält – Instagram und all die anderen Kanäle der sozialen Medien, die Sharapova fleißig bedient (oder bedienen lässt), erschaffen das Bild des perfekten Lebens. Ihres perfekten Lebens.
Seit gestern nun ist in diesem Leben nichts mehr so wie es scheint. Sharapova wurde für zwei Jahre gesperrt. Die Russin hatte nach der Niederlage im Viertelfinale der Australian Open gegen Serena Williams am 26. Januar 2016 eine Dopingprobe abgegeben, in der sich der Wirkstoff Meldonium befand. Meldonium steht seit dem 1. Januar 2016 auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Sharapova darf am 27. Januar 2018 wieder spielen. Sie wird die Olympischen Spiele in Rio verpassen, die French Open 2018 wären ihr erstes Grand Slam-Turnier nach der Sperre.
Bis zu 30 Medikamente konsumierte Sharapova parallel
Die angemessene Strafe für ihr Vergehen ist aber nur die Quintessenz einer 33-seitigen Urteilsbegründung, dessen Lektüre einen fassungslos zurücklässt. Das Pamphlet erlaubt Inneneinsichten in das Leben einer Sportheldin, die mit der glattpolierten Instagram-Wirklichkeit überhaupt nichts mehr zu tun haben. Wer glaubt, dass es reicht, einfach nur viel Sport zu treiben, gesund zu essen, einen ausgewogenen Lifestyle zu pflegen und immer wieder harte Trainingseinheiten einzuschieben, um es nach ganz oben in seinem Sport zu schaffen, dem werden in der Urteilsbegründung die Augen geöffnet. Bis zu 30 Medikamente (!!) nahm Sharapova teilweise parallel ein. Dabei handelte es sich NICHT um Dopingmittel. Nein, es waren erlaubte Präparate – zumindest solange, bis Meldonium verboten wurde. Sharapovas Karriere war auf Pillen gebettet.
Es begann 2005, ein Jahr nachdem sie als 17-Jährige in Wimbledon gewann. Sharapova war von mehreren grippalen Infekten geschwächt und suchte den russischen Mediziner Anatoly Skalny auf, der ihr einen Arznei-Cocktail aus insgesamt 18 Mitteln anrührte – inklusive Meldonium. Das ITF-Tribunal weist in seinem Urteil darauf hin, dass Skalny damals keine Krankheit bei Sharapova diagnostizierte, die die Einnahme von Meldonium erforderlich gemacht hätte. Skalny schrieb Sharapova damals sehr detailliert auf, wann und wie sie das Medikament „Mildronate“, dessen Hauptwirkstoff Meldonium ist, einzunehmen hätte.
Bis 2010 kamen immer mehr Mittel dazu, am Ende waren es tatsächlich 30. 2013 trennte sich Sharapova von Skalny und reduzierte auch ihre Medikamenten-Einnahme. Es blieben schließlich drei übrig: neben „Mildronate“ noch „Magnerot“ (Magnesiumtabletten) und „Riboxin“ (zur Muskelentspannung). Sie unternahm diesen Schritt ohne ärztlichen Rat, was das ITF-Tribunal so kommentierte: „Frau Sharapova hatte keinen Beweis für einen therapeutischen Nutzen von Mildronate. Sie kannte die Wirkstoffe nicht und hatte auch nie den Beipackzettel des Herstellers gelesen.“