Mail aus Wimbledon: Good-bye Marcus Willis!
Warum die Story vom 25-jährigen Engländer Marcus Williams Millionen rührt und warum sie für alle Zeiten mit Wimbledon verbunden sein wird.
Es ist vorbei. Am Mittwoch gegen 18.30 Uhr Ortszeit schnappte sich Marcus Willis sein Handtuch, marschierte Richtung Centre Court-Ausgang, schrieb noch ein paar Autogramme, winkte noch einmal in die Menge und verschwand.
Die Geschichte des Marcus Willis
Drei Tage hielt die Willis-Story Wimbledon in Atem. Schon jetzt ist klar: Sie ist eine der besten, die es je bei einem Grand Slam-Turnier gab: die Nummer 772 der Welt gegen den besten Spieler aller Zeiten vor 15.000 Zuschauern auf dem berühmtesten Centre Court der Welt. Ein Typ, der sich jahrelang von Snickers und Cola ernährte, der teilweise 115 Kilo wog, der mit der U-Bahn zur Anlage fuhr. Der schon in der Quali jeden Morgen aus seinem Hotel auscheckte, weil er einkalkulierte auszuscheiden. Der in einem Club (Warwick Boat Club bei Birmingham) Tennisunterricht gibt und 30 Pfund pro Stunde kassiert.
Warum die Story so faszinierend ist? Weil Willis das Gesicht aus der Menge ist. Weil man sich mit ihm identifizieren kann. Weil er so nah an uns Normalos dran ist, im Gegensatz zu den Stars der Szene, die in einer komplett anderen Welt leben. Weil er zweifelt wie wir. Weil er zusehen muss, dass er mit seinem knappen Geld über die Runden kommt. Weil er beweist, dass man auch als vermeintlicher Loser siegen kann. Und das macht Mut! Man könnte auch sagen: Weil Willis das ist, was bei der Fußball-EM die Isländer sind.
Wenn er durch die Players Lounge ging, dann bewegte er sich stellvertretend für Millionen von Spielern und Fans, die auch einmal ihre Idole aus der Nähe erleben wollen. Die mit großen Augen alles aufsaugen. Goran Ivanisevic klopfte ihm auf die Schulter – es gab zig solcher Momente und Willis wusste bei seiner abschließenden Pressekonferenz gar nicht, welche er nennen sollte. Weil alles so überwältigend war für ihn.
Über sein Preisgeld (50.000 Pfund) denke er nicht groß nach, sagte Willis, er müsse erst einmal seine Schulden bezahlen. Und ob seine Gage für die Trainerstunde erhöht werde, darüber entscheide sein Boss. Als er letztens für seinen deutschen Club (MSC Köln) für ein Regionalliga-Match einfliegen sollte, konnte er das Ticket nicht bezahlen. Die Kreditkarte war nicht gedeckt. Der Mannschaftsführer musste einspringen, damit Willis in den Flieger kam.