Perret Schaad Show – Mercedes-Benz Fashion Week Berlin Spring/Summer 2012

Boris Becker: „Die Engländer mögen mich“

Den ersten Versuch starteten wir Ende März. Interviewanfrage an die Sekretärin von Boris Becker. Zwei Wochen später die Antwort: Vielen Dank für Ihre E-Mail und Ihre freundliche Interviewanfrage. In den nächsten Monaten sehe ich leider keine Lücke in Boris Beckers Terminkalender, aber sobald sich etwas tut, melde ich mich.

Zweiter Versuch kurz vor Olympia. Die Antwort folgt gleich am nächsten Tag: Mittwoch wäre es Boris möglich, mit Ihnen zu sprechen. Passt das Ihnen auch? Freue mich von Ihnen zu hören.

Na also, geht doch. Nur wie nähert man sich einem, der so vielschichtig ist wie Boris Becker, dem berühmtesten deutschen Tennisspieler, dem Mann, der beruflich und privat für so viele Schlagzeilen sorgt? Scheidung von Babs,  Besenkammer-Affäre, Verlobung mit Sandy Meyer-Wölden, Prozess wegen Steuerhinterziehung, drohende Zwangsversteigerung seiner Villa auf Mallorca, Geldforderungen ehemaliger Geschäftspartner.

Dann der Jetsetter: Boris Becker mit seinem Sohn Noah bei der Mercedes-Benz Fashion Week in Berlin, im weißen Smoking bei den Filmfestspielen in Cannes, mit Frau Sharlely, genannt Lilly, beim Wiener Opernball, in einer TV-Show in Madrid, bei der Formel 1 am Nürburgring.

Beim Tennis sieht man ihn auch: in Paris, Halle, Wimbledon. Zusammen mit Andrea Petkovic gibt er Kindertraining beim Mercedes Cup in Stuttgart.

Jetzt also London, mittendrin, eine feine Adresse zwischen Hyde Park, Buckingham Palace und Piccadilly Circus. Morgen 16 Uhr in Boris Büro, hieß es. Jetzt stehen wir vor einer schneeweißen Altbauvilla mit silbernem Türgriff. Eine Empfangsdame bittet uns, kurz zu warten, führt uns in einen typisch englischen Salon mit Kamin, Bar und schweren Ledermöbeln. Dann ist der Gastgeber da. Heller Anzug, weißes Hemd, Einstecktuch. In der Sports Library im zweiten Stock findet unser Gespräch statt. 45 Minuten antwortet ein aufgeräumter Boris Becker auf die Fragen, lässt sich geduldig fotografieren. Anschließend geleitet er die Gäste formvollendet zur Tür.

 

Herr Becker, warum haben Sie sich für London als Heimat entschieden?Meine Heimat ist immer noch Deutschland, aber in London fühlte ich mich durch meine Erfolge in Wimbledon schon als Jungspund ausgesprochen wohl. Ich werde hier akzeptiert. Ich genieße die positiven Aspekte meiner Popularität und nicht die negativen.

 

Sie sind unglaublich populär in England.
Ich habe ja den Spitznamen „Britains favourite German“ bekommen, ich weiß nur nicht so recht, ob das ein Kompliment sein soll, da die Briten es ja generell nicht so mit den Deutschen haben. Dennoch spüre ich hier Wohlwollen auf den Straßen und auch in Wimbledon, wo ich ein Haus habe. Mein erster Sieg liegt jetzt schon 27 Jahre zurück, aber die Menschen behandeln mich hier immer noch sehr gut. Zwei meiner Kinder sind hier geboren, sind also echte Londoner und somit verbinde ich natürlich einige Emotionen mit der Stadt.

 

Was ist das Besondere an den Engländern?
Sie schaffen den Spagat zwischen Tradition und Royal Family auf der einen Seite und auf der anderen Seite ist London eine der modernsten Städte der Welt. Die Engländer sind in der Lage, ein jahrhundertealtes Königshaus mit den Olympischen Spielen zu verbinden. Ich mag die Toleranz der Briten. Hier ist jede Religion zuhause, jede Hautfarbe. Hier stört es keinen, ob du groß, klein, dick oder dünn bist. Das alles hat privat und beruflich viele Vorteile.

 

Was mögen die Engländer an Ihnen?
Das müssten Sie sie selbst fragen. Ich mag jedenfalls den britischen Humor. Einige Engländer sagen auch, dass ich eher einen schwarzen Humor habe und dass sie sich das nicht hätten vorstellen können.

 

Im aktuellen Mercedes-Spot beten Sie als Beifahrer technische Daten herunter. Am Ende schmeißt der Fahrer Sie entnervt raus. Als er davonbraust, sagen Sie, dass der Wagen jetzt auch noch 90 Kilo leichter sei. Ist das der Humor, den Sie meinen?
Genau. Ich nehme mich selbst gerne auf die Schippe. Ich kommentiere etwas und die Leute merken erst später: Oh, er hat das mit einem Augenzwinkern gesagt. Der letzte Satz in dem Spot stammt übrigens von keinem Drehbuchautor, sondern von mir. Einige würden sagen, der Wagen ist jetzt 70 Kilo leichter, um sich selbst in ein besseres Licht zu stellen.

 

Wobei Ihnen, bei allem Respekt, die 70 Kilo auch niemand abnehmen würde.
Es geht mir ums Prinzip. Ich habe heute kein Problem zu sagen, dass ich 90 Kilo wiege, es sind mittlerweile sogar 95. Das Entscheidende ist, dass ich mich selbst nicht so ernst nehme.

 

Sie sind der Ex-Tennisstar. Sie kommentieren fürs englische Fernsehen. Sie sind in der Werbung präsent. Was tut Boris Becker sonst noch?
Was ich heute genau tue, will ich gar nicht an die große Glocke hängen. Gerade in England ist nicht der Lautsprecher gefragt, sondern eher eine gewisse Zurückhaltung.

 

Wir sind aber neugierig.
Schon klar, aber wir sollten beim Tennis bleiben. Mir ist es wichtig, dass ich noch immer in meiner Sportart involviert bin, vor allem als Kommentator und Moderator im englischen Fernsehen. Nun kann man sich fragen: Warum im englischen und nicht im deutschen? Aber das ist ein abendfüllendes Thema.

 

Lassen Sie uns trotzdem darüber reden.
Zunächst einmal: Ich bin stolz darauf, dass ich dieses Jahr für die BBC mein zehntes Wimbledon-Finale in Folge kommentiert habe. Bei BBC World schauen 250 bis 300 Millionen Menschen zu. Da muss ich schon überlegen, was ich on air sage und auch mit meinem Humor vorsichtig umgehen. Das ist nicht irgendein Piratenfunk, sondern der wichtigste Fernsehsender des Landes.

 

Und in Deutschland lässt man Sie nicht?Es gibt in Deutschland offensichtlich Tennis-experten, deren Meinung gefragter ist als meine. Merkwürdig ist nur, dass ich in England vor Millionen Zuschauern kommentiere, es aber für einen Spartensender in Deutschland nicht tun darf. Es geht also nicht um die Qualifikation, sondern um die Person Boris Becker, die, aus welchem Grund auch immer, wohl nicht in das Konzept passt. Aber bevor ich mich aufrege, sage ich lieber: Dann macht es halt ohne mich. Es ist ja nicht so, dass ich zu wenig zu tun habe. Für Sky England habe ich die US Open kommentiert. Ich werde das ATP-Finale kommentieren. Dazu kommen die Masters-Turniere. Zum Glück darf ich mir aussuchen, zu welchem Finale ich ins Studio gehe.

 

Vielleicht kann man Boris Becker im deutschen Fernsehen nicht bezahlen.
Nein. Mein Engagement für das englische Fernsehen ist pure Leidenschaft. Ich tue es, weil ich es gerne mache und nicht weil da große Summen verdient werden. Das ist leider die Realität. Jeder, der engagiert ist, wird das bestätigen. Das hat mit Geld nichts zu tun, sondern mit gegenseitigem Respekt.

 

Vermissen Sie diesen Respekt in Deutschland?
Man sollte realisieren, dass ich mich im Tennis erwiesenermaßen auskenne. Wenn wir darüber diskutieren, müssen wir auch darüber reden, warum meine Haare blond und meine Augen blau sind. Das Problem ist eher grundsätzlich. Ich scheine vielen wegen meiner Persönlichkeit, meiner Historie oder meines Charakters nicht zu passen. Ich glaube aber, dass die gesamte Betrachtung meiner Person in Deutschland nicht meine heutige Realität widerspiegelt. Mein Bild in der Öffentlichkeit hat mit mir nichts mehr zu tun.

 

Sind die Deutschen kleinkarierter als die Engländer? Oder anders gefragt: Verzeihen Ihnen die Deutschen Ihre privaten Niederlagen weniger?
Ich will die Deutschen überhaupt nicht in eine Schublade stecken oder kritisieren. Aber es gibt ja dieses Sprichwort: Der Prophet im eigenen Land taugt nichts. Ich will einmal ganz demütig sein: Von allem, was über mich kursiert, ist etwas wahr. Aber ich bin nun einmal der erste deutsche Wimbledonsieger, ich bin der jüngste Wimbledonsieger. Ich bin die einzige Nummer eins. Ich habe alle möglichen Jobs im deutschen Tennis gemacht. Das ist Fakt, ob man mich mag oder nicht.

 

Es gab Gespräche mit DTB-Präsident Karl-Georg Altenburg über eine mögliche neue Einbindung Ihrer Person ins deutsche Tennis. Wie stehen Sie dazu?
Ich habe grundsätzlich überhaupt nichts dagegen. Ich bin ja jahrelang aktiv gewesen ob im Mercedes Junior Team, in dem ein Florian Mayer und ein Nicolas Kiefer entdeckt wurden, oder am Hamburger Rothenbaum, wo ich fünf Jahre Chairman war. Ich habe das Turnier damals mit meinen Partnern Hans-Dieter Cleven und Heiner Kamps gerettet und zu neuen Zuschauerrekorden geführt. Wir haben schwarze Zahlen geschrieben. Meine Gruppe wollte es anschließend kaufen, aber dann mussten wir leider erfahren, dass der DTB Anteile an den katarischen Tennisverband verkauft hat. Man hatte mir ziemlich unfein mitgeteilt, bis hierher und nicht weiter und dann habe ich mich zurückgezogen.

 

Das klingt wehmütig.
Es war eine herbe Enttäuschung. Aber das ist jetzt fast zehn Jahre her. Das Resultat ist, dass Hamburg seinen Status in der ersten Liga verloren hat und wir kaum noch Nachwuchsspieler haben. Ich könnte jetzt sagen: Ich habe das damals kommen sehen. Aber mich befriedigt das nicht, weil ich ein Patriot bin.

 

Das aktuelle Präsidium scheint Ihnen jedoch wohlgesinnt zu sein.
Ja. Es gab schon im letzten Sommer Gespräche mit dem heutigen Präsidenten und dem heutigen Vizepräsidenten Charly Steeb. Wir haben uns über Konzepte unterhalten und ich habe meine Meinung gesagt. Und es ging auch um eine Titelvergabe. Aber da musste ich sagen: Leute, damit tue ich mich schwer. Ich habe einen Namen. Ich brauche keinen Titel wie Vizepräsident oder Berater, ich bin Freund des Hauses. Das langt mir.

 

Aber eine Zusammenarbeit mit dem DTB kam dennoch nicht zustande?
Es gab ein modernes Konzept, das der Präsident und Charly Steeb entwickelt haben. Das sorgte für viel Wirbel, weil man die bestehenden Verhältnisse ändern wollte. Bekanntlich gibt es in Deutschland aber ein föderalistisches System, was meines Erachtens nicht mehr zeitgemäß ist. Es ist aber Status quo. Wäre das Präsidium dagegen, würde es sich praktisch selbst abwählen. Also wird das System bleiben und da bin ich der falsche Mann.

 

Sie werden auch mit dem englischen Tennisverband in Verbindung gebracht. Es hieß, Sie seien als Trainer von Andy Murray im Gespräch gewesen.
Fakt ist, dass das Team Murray gerne eine engere Einbindung meiner Person gehabt hätte. Ich spreche häufig mit ihm, gebe ihm Tipps für seine Karriere. Der nationale Stützpunkt in Roehampton ist nur wenige Autominuten von meinem Haus entfernt. Wenn ich fit bin, trainiere ich dort. Da gibt es viele Gespräche, wie man das englische Tennis verbessern kann. Aber es geschieht alles auf freier Basis.

 

Was macht das eigene Tennis?
Leider nicht viel. Ich hatte sehr schwere Verletzungen. Letzten Oktober musste ich mich einer  Sprunggelenksoperation unterziehen. Es war die sechste und auch die letzte. Ich habe mittlerweile eine Platte im Sprunggelenk mit sechs Schrauben. Aufgrund dieser Problematik hatte ich einen Hüftschaden und vor eineinhalb Jahren zwei Hüftoperationen. Mir ging es körperlich richtig dreckig. Seit Weihnachten bin ich wieder gesund. Ich kann ohne Schmerzen laufen und darf wieder Tennis spielen.

 

Werden Sie künftig wieder Showkämpfe bestreiten?
Wenn es für einen guten Zweck ist, bin ich dabei. Aber ich spiele keine Turniere mehr. Dafür fehlt mir das Training und die Zeit. Wenn einer viel Geld für ein Ticket bezahlt, hat er das Recht darauf, einen fitten Boris Becker zu sehen. Ich fahre zwar viel Fahrrad, schwimme, gehe in den Kraftraum, aber ich vermeide alles, was Sprunggelenk und Knie belastet.

 

Sie gelten als Twitter-König. Warum twittern Sie so viel?
Das ist eine typische deutsche Frage. Engländer oder Amerikaner würden so etwas nie fragen. Aber gut: Soziale Netzwerke sind bei mir seit Jahren ein großes Thema. Das hat angefangen mit AOL und dem Slogan Ich bin drin. Später kam dann Boris Becker TV dazu. Für eine Markenbildung kommt man an den neuen Medien gar nicht vorbei. Für mich gibt es zwei Hauptargumente zu twittern. Erstens: Im bin im engen, ehrlichen Kontakt mit meinen Fans. Sie sagen mir offen, manchmal auch unverschämt, was sie von mir halten. Ich bekomme also ein schnelles, direktes und manchmal sehr ehrliches Feedback.

 

Und zweitens?
Es kursieren unglaublich viele Geschichten über mich im Internet, manches ist richtig, manches falsch. Zu twittern ist für mich eine Möglichkeit, meine Wahrheit darzustellen. Früher hat man sich Anwälte geholt. Dann gab es eine Korrektur in der Zeitung XY irgendwo klein unten rechts, was keiner mehr mitbekommen hat. Heute kann man in der Sekunde, wo etwas Falsches behauptet wird, reagieren und das lesen dann möglicherweise Millionen von Menschen.

 

Gibt es noch den Pokerspieler Boris Becker?
Den gibt es. Poker ist mein Hobby und für einen Amateur spiele ich auch ganz gut. Ich bin kein Profi, auch wenn ich an Profiturnieren teilnehme, wie vor ein paar Wochen in Barcelona. In London gibt es viele Casinos, wo ich gerne unter Ausschluss der Öffentlichkeit spiele. Entscheidend ist, dass ich noch nicht viel verloren habe.

 

Wo sehen Sie sich in fünf oder zehn Jahren?
Wer weiß, wie das Leben spielt. Aber ich hoffe, dass meine Lebenssituation dann ähnlich ist wie heute und dass ich meinen Weg außerhalb des Tennisplatzes weiter gehe. Ehrlicherweise wünsche ich mir, dann weniger in der Öffentlichkeit zu stehen und mehr Privatleben zu haben. Ich denke, dass das hier in England möglich ist.


Der gebürtige Leimener ist Deutschlands berühmtester Tennisspieler. 1985 siegte der damals 17-Jährige in Wimbledon und löste einen Tennisboom aus. Becker gewann weitere Grand Slam-Titel in Wimbledon (1986, 1989), bei den Australian Open (1991, 1996) und den US Open (1989). Zweimal gewann er den Davis Cup (1988, 1989). Zwölf Wochen war er die Nummer eins (1991). Rund 25 Millionen Dollar kassierte Becker an Preisgeld. Nach seiner Karriere fungierte er als Davis Cup-Teamchef und Chairman des Masters-Turniers in Hamburg. Becker sorgte auch nach seiner aktiven Zeit immer wieder für Schlagzeilen. Die Scheidung von Ex-Frau Barbara, die juristischen Kämpfe mit dem deutschen Finanzamt, Firmenpleiten. All das fand vor einer breiten Öffentlichkeit statt. Heute ist Boris Becker vor allem als BBC-Kommentator und als Werbeikone (Mercedes-Benz, PokerStars) präsent. Der 44-Jährige ist in zweiter Ehe mit der Holländerin Lilly Kerssenberg verheiratet. Das Paar hat einen gemeinsamen Sohn (Amadeus Benedict Edley Luis) und lebt in London.
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