Kolumne Sandplatzgötter: Der Mannschaftsführer – Held der Saison
Wenn im Frühjahr die Punktspiele starten, beginnt ihre große Leidenszeit: Die Mannschaftsführer brauchen Geduld und Feingefühl, um ihre Teams zusammenzuhalten. Bei den Sandplatzgöttern ist das nicht anders.
Es gibt in jeder Tennismannschaft eine Person, die etwas mehr Verantwortung übernehmen muss als der Rest: der Mannschaftsführer. Klar, man könnte die Aufgabenlast auch auf viele Schultern verteilen, meist bleibt es aber bei den beiden des Kapitäns. Denn alle anderen Team-Mitglieder, die ansonsten durchaus prächtig in der Lage sind, ihr privates und berufliches Leben weitsichtig und bis ins letzte Detail zu planen, werden in Bezug auf ihre Tennismannschaft von einer geradezu pathologischen Unfähigkeit und Unselbstständigkeit befallen. Nicht, dass es an guten Ideen fehlen würde – im Gegenteil. „Man“ könnte sich gut dieses Jahr einen neuen Coach, ein neues Mannschaftsoutfit oder ein tolles Trainingslager vorstellen. „Man“ möchte die Organisation dann aber doch lieber in die bewährten Hände des Mannschaftsführers legen.
Es gibt Erleichterungen!
Zugegeben: Für den geplagten „Chef de Mission Medenspiel“ gibt es seit einiger Zeit zwei Erleichterungen. Erstens stellt sich seit der Einführung der Leistungsklasse die Mannschaft (meistens!) von selbst auf. Es müssen keine emotionalen Gräben innerhalb des Teams in mühsamen Mediationssitzungen mehr zugeschüttet werden, die nach hasserfüllten Forderungsspielen im Spätherbst des letzten Jahres entstanden sind. Diskussionen mit der Nummer neun, die sich sportlich unter den ersten sechs sieht, und mit der Nummer eins, die viel lieber an Position drei einfache Punkte sammeln möchte, kann man mit Hinweis auf das „blöde LK-System“ von sich fern halten. Zweitens macht es die moderne Technik möglich, das Team ruckzuck mit den nötigen Informationen zu versorgen. Per Whatsapp & Co. Trainings- und Spieltermine zügig an die ganze Mannschaft weiterzugeben, ist ein Segen. Eigentlich.
Doch trotz aller elektronischer Hilfsmittel werden die Daten von den Teammitgliedern meistens sehr kurzfristig auf die Vereinbarkeit mit ihrem Restleben abgeklopft – mit oft desaströsem Ergebnis für die Aufstellung.
Nach kurzer Amtszeit wird jeder Mannschaftsführer zum Verschwörungstheoretiker. Es müssen höhere Mächte im Hintergrund dafür sorgen, dass alle mit Anwesenheitspflicht behafteten Ereignisse in den Familien seiner Kollegen nie im November oder Februar, sondern immer parallel zu den Spielterminen des Frühsommers stattfinden. Er nimmt dies mittlerweile mit stoischer Ruhe als gegeben hin. Diskutiert wird höchstens noch mit Kandidaten, die bei Sonnenschein lieber Motorrad-Touren unternehmen wollen, statt im Punktspiel aufzulaufen. Oder mit jenen „Teamplayern“, die für sich selbst kurz vor dem Spiel entschieden haben, heute aufs Doppel zu verzichten.
Mit dem Rücktritt drohen, um Lob zu ergattern
Hat der Kapitän alle saisonalen Klippen umschifft, bietet sich die einmalige Gelegenheit, auch Lob für sein Tun zu ergattern. Der Trick: Unser Held muss sein Amt zur Verfügung stellen. Nicht etwa in der Hoffnung, tatsächlich seine Nachfolge zu regeln, da hat man es selbst als Papst einfacher. Nein, jetzt verwandelt sich plötzlich der Gleichmut oder gar die Kritik an seiner Amtsführung in höchste Anerkennung. Es werden ihm spontan Kaltgetränke gereicht. Verbunden mit der Versicherung, alternativlos zu sein. Bis zu seiner Proklamation als „GOAT“ unter den Mannschaftsführern fehlt nicht mehr viel. Diesen Moment sollte er besser auch noch in seinem Herzen tragen, wenn es im nächsten Frühjahr wieder los geht.
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