Mail aus Mailand: Stotterstart und ein Gastspiel von Zverev
Der erste Tag bei den Next Gen ATP Finals ist Geschichte. Die U21-WM begann mit einer Verzögerung und einigen Widrigkeiten. Auch Alexander Zverev ließ sich in Mailand trotz der Turnierabsage blicken und spielte einen Schaukampf gegen Ersatzmann Stefanos Tstitsipas.
Wer Tickets für die Next Gen ATP Finals hat und in der Innenstadt in Mailand übernachten möchte, braucht Geduld. Denn das Messegelände Fiera Milano, auf dem die U21-WM stattfindet, befindet sich streng genommen nicht in Mailand, sondern in Rho, einer 50.000-Einwohnerstadt in der Region Lombardei. Bis zum Betreten der Arena kann die Reisezeit aus Mailand-City auch mal ein Stündchen dauern. Es ist derzeit viel los in Italiens Modestadt. Denn parallel zu den Next Gen ATP Finals findet auf dem Messegelände auch die ECIMA, die weltweite größte Motorradmesse, statt. Ob ich auch hier bin wegen der ECIMA, werde ich beim Check-in im Hotel gefragt. Ich verneine, mit Motorrädern habe ich keinerlei Berührungspunkte. Ich bin hier, um Tennis zu sehen – und zwar ein Turnier, das zum Experimentierfeld für mögliche Regeländerungen wird. Der Hotelrezeptionist nickt zustimmend, als ich den Begriff Next Gen ATP Finals erwähne, so, als ob er davon weiß, dass die besten Jungprofis in Mailand gastieren.
Das lange Warten auf die Akkreditierung
Der Startschuss für das Turnier war für 14 Uhr angesetzt. Als stresserprobter Tennisjournalist wird ordentlich Puffer eingebaut, um rechtzeitig zum ersten Ballwechsel in der Halle zu sein. Und der ist auch dringend nötig. Als ich um 12 Uhr zur Halle komme, gibt es lange Warteschlangen vor den Akkreditierungsschaltern, von denen sogar extra vier installiert wurden. Beim Warten beschleicht mich bereits ein ungutes Gefühl. Eine Akkreditierungsbestätigung wurde nie versendet. Beim Nachfassen bei der ATP und dem italienischen Tennisverband, die das Turnier gemeinsam ausrichten, wurde mir vor der Abreise zugesichert, dass trotz fehlender Bestätigung alles glatt laufen würde.
Doch weit gefehlt: Als ich nach langer Wartezeit endlich an der Reihe bin, versucht die Hostess verzweifelt, meinen Namen im System zu finden. So musste es ja kommen, denke ich mir und versuche, ruhig zu bleiben. Die junge Dame sagt mir schließlich, dass ich fünf Minuten warten solle, ehe jemand zur Hilfe kommt, denn sie wäre mit dem Vorgang überfordert. Ich stelle mich an die Seite und sehe dabei zu, wie die Schlangen vor den Schaltern nicht kürzer werden. Das Abholen der Akkreditierung wird auch für die Kollegen aus aller Welt zum Geduldsspiel. Nachdem aus fünf Minuten Wartezeit schließlich 25 Minuten wurden, fasse ich noch mal nach, dass ich gerne jemanden von der ATP sprechen möchte bezüglich der fehlenden Akkreditierung. Die Hostess ist mit der Situation überfordert. Sie speist mich damit ab, dass ich meine Daten aufschreiben soll und diese dann weitergereicht werden. Mehr könne sie im Moment nicht tun.
Wenn Handwerker noch rumschrauben …
Wieder vergehen viele Minuten, in denen nichts passiert. Mir wird es zu bunt. Ich spreche eine Dame an, die etwas wichtiger aussieht als die Hostessen und schildere ihr mein Anliegen. Auch sie schaut im System nach. Eine Akkreditierung auf meinen Namen ist nicht hinterlegt. Was nun? Ich erkläre erneut, dass ich im Vorfeld wegen der fehlenden Bestätigung mit der ATP und dem italienischen Tennisverband gemailt hatte und alles kein Problem sein müsste. Ich sehe mich schon auf dem Rückweg, als ich endlich gesagt bekomme, dass ich nun im System registriert bin – sogar mit meinem hochgeladenen Akkreditierungsfoto. Um meine Akkreditierung zu bekommen, muss ich mich aber erneut in der Schlange einreihen. Nach weiterer Wartezeit werde ich schließlich vorgelassen und mir die Akkreditierung ausgehändigt, als es bei den Journalisten vor mir ebenfalls Probleme gibt. Um 13:30 Uhr kann ich nach einer weiteren kleineren Schrecksekunde endlich die Halle betreten, nachdem der Scan des Ausweises zunächst nicht funktioniert.
Ab zum Tennis! Den Einmarsch und den ersten Ballwechsel will ich unbedingt mitnehmen. Doch auch hier werde ich auf die Geduldsprobe gestellt. Der Spielbeginn wird per Zeitanzeige in der Arena immer weiter nach hinten verschoben, zunächst auf 14:08 Uhr, dann auf 14:15 Uhr, 14:28 Uhr, und so weiter. Nebenbei schrauben Handwerker noch Tribünensitze fest und arbeiten an Kleinigkeiten. Die Situation ist skurril. Die Metallstufen in der Arena machen auch nicht den allersichersten Eindruck. Um 14:35 Uhr ist es soweit. Daniil Medvedev kommt, gefolgt von Karen Khachanov – ein russisches Duell zum Auftakt.
Schiedsrichter vergisst die Let-Regel
Die Arena füllt sich allmählich und ist nach einigen Minuten bereits so gut besetzt, dass einige Turniere in China und in den Emiraten von solch einer Resonanz nur träumen können. So richtig Stimmung will trotz der neuen Regeln aber nicht aufkommen. Erst als Khachanov im Tiebreak des zweiten Satzes, also beim Spielstand von 3:3, einen Satzball spektakulär abwehrt, wird es erstmals so richtig laut in der Arena. Ungewohnt sind die getesteten Regeln allemal, auch für Tennisfachleute. Dass bei Einstand der nächste Punkt entscheidet, war bekannt. Allerdings war nicht für alle geläufig, dass im Gegensatz zur Doppelregelung auf der ATP-Tour der Aufschläger entscheiden kann, wohin er beim Entscheidungspunkt serviert.
Den Lacher des ersten Spiels hat Schiedsrichter Carlos Bernardes auf seiner Seite, als er bei einem Netzaufschlag tatsächlich aus Gewohnheit „Let“ ruft. Der Aufschlag muss wiederholt werden, neue Regel hin oder her. Medvedev gewinnt das Match nach 1:50 Stunden mit 3:1 in den Sätzen, obwohl er bei 2:1-Führung im vierten Satz Krämpfe in Beinen und Händen bekommt. „Das Format hat mir heute geholfen zu gewinnen. Mit dem normalen Format wäre es sonst viel schwerer geworden“, resümiert der Russe hinterher.
Zverev kommt, spielt und siegt
Das Aushängeschild der Next Gen ATP Finals sollte eigentlich Alexander Zverev sein. Doch der Weltranglistendritte, der ab Sonntag erstmals bei den ATP World Tour Finals in London dabei ist, entschied sich gegen einen Doppelstart. Dennoch kam Zverev heute in die Arena, um die Veranstaltung zu promoten – und wurde feierlich empfangen.
Alexander Zverev ist doch bei den @nextgenfinals in Mailand dabei – allerdings nur für einen Schaukampf! pic.twitter.com/GBEdOg5jWV
— tennis MAGAZIN (@tennismagazin) November 7, 2017
Der 20-jährige Deutsche spielte einen Schaukampf (nur über zwei Gewinnsätze) gegen Ersatzmann Stefanos Tsitsipas, siegte mit 4:2, 4:3 (7:4) und hatte vor allem beim Coaching via Headset seinen Spaß. Doppelspezialist Marcelo Melo fungierte als sein Gasttrainer, die beiden lieferten sich ein amüsantes Wortgefecht.
Sascha Zverev trying really hard to be funny vs his coach actually being kinda funny … pic.twitter.com/FwTW4qepEh
— Angelica Onyekwere (@aonyekwere1) November 7, 2017
„Ein bisschen Schwachsinn”
Zverev konnte die getesteten Regeln also doch auf Herz und Nieren prüfen. Vor der Veranstaltung äußerte er sich extrem skeptisch. „Es ist gut, dass sie es ausprobieren, aber die Änderungen werden aus meiner Sicht nie auf die ATP-Tour kommen. Die Sätze bis vier werden, denke ich, nie Realität werden. Andere Sachen wie keine Linienrichter oder kein Netz beim Aufschlag ist für mich ein bisschen Schwachsinn. Das Einzige, was gut ist, ist vielleicht die Shot Clock, die wir dort haben. Das kann was Gutes sein.“
Nach seiner Premiere fiel Zverevs Kritik an den Neuerungen etwas gemäßigter aus. In einem Punkt ruderte er sogar zurück. „Dies war etwas, was ich den Fans zurückgeben wollte. Ich wollte etwas Spaß haben. Aber wenn du ernsthaft spielst und bei einem Turnier im Halbfinale oder Finale stehst, dann sind die meisten Regeln schwer zu händeln. Ich denke, dass die Shot Clock eine gute Sache ist. Ich mag das Hawk-Eye, das alle Linien regelt. Bei vielen anderen Dingen bin ich mir nicht sicher, ob sie passieren werden“, sagte der Deutsche. Da die Auslosung für die ATP World Tour Finals bereits am Mittwoch sind, ging es für Zverev direkt weiter nach London.
Ergebnisse vom Dienstag: Daniil Medvedev – Karen Khachanov 2:4, 4:3 (8:6), 4:3 (7:3), 4:2; Hyeon Chung – Denis Shapovalov 1:4, 4:3 (7:5), 4:3 (7:4), 4:1; Borna Coric – Jared Donaldson 4:3 (7:2), 4:1, 4:3 (7:5); Andrey Rublev – Gianluigi Quinzi 1:4, 4:0, 4:3 (7:3), 0:4, 4:3 (7:3)
Einen ausführlichen Bericht über die Next Gen ATP Finals gibt es in der kommenden Ausgabe des tennis MAGAZIN.mens jordan shoes release dates | jordan 1 lows for cheap