Freitag, kurz nach 13 Uhr. In Stuttgart sind es 16 Grad, aber die Sonne scheint, und so wird Freilufttennis beim Zuschauen nicht zur Qual. Philipp Kohlschreiber hat die deutsche Mannschaft beim Davis Cup gegen Südafrika mit 1:0 in Führung gebracht. Die Story seines 6:4, 6:4, 6:4-Erfolgs ist schnell erzählt. Der Deutsche spielte solide, ohne zu glänzen. Rik de Voest, 30 Jahre alt, sonnenbebrillt, die Nummer 205 der Weltrangliste spielte so, wie man es erwarten konnte: technisch ansehnlich, aber ziemlich harmlos. „Er konnte mir nie richtig weh tun“, sagte Kohlschreiber. Mehr musste man nicht sagen, über ein Match, in dem es in allen drei Sätzen frühe Breaks gab.
Matchball gegen Boris Becker
Zu reden gab es aber dennoch reichlich. Kohlschreiber hat nämlich einen neuen Coach. Der Vertrag ist noch nicht unterschrieben, aber eine Probezeit ist verabredet. Miles MacLagan heißt er. Kurzer Steckbrief: MacLagan ist schottischer Abstammung, in Simbabwe aufgewachsen. Früher war der 35-Jährige, der für Großbritannien antrat, einmal die Nummer 172 der Welt. Als Profi fiel er auf, weil er 1999 in Wimbledon gegen Boris Becker in fünf Sätzen inklusive eigenem Matchball verlor.
So weit die Vergangenheit. Als Trainer kennt man ihn besser. MacLagan trainierte nämlich drei Jahre Andy Murray und führte ihn auf Platz zwei der Weltrangliste – womit dem unscheinbaren Mann das Prädikat Weltklasse-Coach gebührt. Als Murray ihn nach einem Disput Ende Juli feuerte – es ging um die Rolle von Alex Corretja, von dem sich Murray ebenfalls trainieren und beraten ließ – , war MacLagan wieder auf dem Markt.
Vor zwei Tagen trafen sich Kohlschreiber und MacLagan in Stuttgart. Man war sich sympathisch. „Vom Gefühl her passt es“, sagt Kohlschreiber. Man hatte sich im Hotel zusammengesetzt und geredet: über MacLagans Trainerphilosophie, über Fitness und Spielanlage, die es zu stabilisieren gilt. „Wir haben das gleiche Ziel“, sagt Kohlschreiber. Kurzfristig besteht es darin, Kohlschreiber unter die Top 20 zu bringen. Langfristig? Wer weiß. „Er hat gute Ideen“, sagt Kohlschreiber.
MacLagan – ein grundsolider Mann
Das glaubt auch Roger Federer. Mit ihm trainierte Kohlschreiber ja vor den US Open. Und: Es fiel auch der Name McLagan. Federer hält ihn für eine gute Wahl. Der Tenor anderer Profis, die Kohlschreiber über MacLagan berichteten: Der Mann ist grundsolide und ehrgeizig. Geplant ist, dass Kohlschreiber nach seiner Asienreise eine Woche mit ihm in München trainiert. Anschließend spielt er unter MacLagans Leitung die Turniere in Wien und Valencia. Dann wolle man weiter sehen und sich im Idealfall gemeinsam auf die Australian Open vorbereiten.
Ist MacLagan die richtige Wahl? Ja, vorausgesetzt es passt wirklich. Drei Gründe sprechen für ihn. Erstens: Er hat gezeigt, dass er kontinuierlich arbeiten kann. Zweitens: Er bietet Kohlschreiber eine Perspektive, die dieser bislang nicht hatte. Seit seiner Jugend ist der Deutsche mit der Tennisbase in Oberhaching verbandelt. Kohlschreibers Schritt aus dieser Wohlfühlzone ist zwingend notwendig. Drittens: Es ist für den Deutschen quasi die letzte Chance. Kohlschreiber wird im Oktober 27. Wenn er sich unter den Top 20 festsetzen will, ist es höchste Zeit. Sportlich mag der Davis Cup in Stuttgart nicht sehr spannend zu sein. Für Kohlschreiber jedoch könnte ein neues Kapitel beginnen.