2013 French Open – Day Ten

Die Bryan-Brothers: Vier Siege bis zur Unsterblichkeit

Von Tim Böseler, New York

Es geht hier um Tennisgeschichte. Um etwas ganz großes. Wahrscheinlich für die Ewigkeit. Aber was machen Bob und Mike Bryan, das beste Herrendoppel der Welt, vielleicht sogar aller Zeiten, auch wenn man so etwas nie schreiben sollte? Sie reden über Schlagsahne, Kirschen und Nüsse. Es war nach dem Sieg in Wimbledon 2013. Die Beiden hatten gerade den „Golden Bryan Slam“ eingetütet, weil sie vier Grand Slam-Turniere in Folge und die Olympischen Spiele gewonnen hatten. Was jetzt noch fehlt, ist ein Puzzlestück, um endgültig zu lebenden Legenden zu werden: der echte Grand Slam! Also alle vier Majors in einem Kalenderjahr zu gewinnen. Die Bryans haben dazu in New York die einmalige Gelegenheit. Und was sagen sie dazu? „Es fühlt sich so an, als würden wir unsere Karriere gerade mit ein paar Nüssen, etwas Schlagsahne und leckeren Kirschen garnieren.“

Eistoppings als Krönung einer jetzt schon unglaublichen Laufbahn auf die Idee muss man erstmal kommen. Im Alter von 35 Jahren werden die Bryans nicht nur immer lustiger in ihren Pressekonferenzen, sie werden vor allen Dingen immer besser auf dem Court. Neulich, beim Turnier in Cincinnati, das sie natürlich (wie zuvor schon neun andere in diesem Jahr) gewannen, stand so früh wie noch nie fest, dass sie die Saison wieder als bestes Team an der Spitze der Weltrangliste beenden werden. Übrigens zum neunten Mal in den letzten elf Jahren! Sie haben derzeit knapp 12.000 Weltranglistenpunkte auf ihrem Konto. Die Zweitplatzierten, Bruno Soares aus Brasilien und Alexander Peya aus Österreich, kommen noch nicht mal auf die Hälfte. Die Zwillinge Mike ist zwei Minuten älter, dafür ist Bob drei Zentimeter größer haben zusammen 92 Profititel geholt, 15 davon bei Grand Slam-Turnieren. Beides sind, logisch, Rekorde. Nach ihrem heutigen Zweitrunden-Sieg in New York müssen sie hier noch vier weitere Matches gewinnen für ihren Grand Slam. Seit Beginn der „Open Era“ 1969 hat das noch kein Team geschafft. Den einzigen Doppel-Grand Slam der Tennisgeschichte holte das australische Gespann McGregor/Sedgman 1951. Urzeiten ist das also her.

Einzelstars spielen kein Doppel mehr

Newcombe/Roche, Hewitt/McMillan, McEnroe/Fleming, Woodbridge/Woodforde oder Seguso/Flach: Selbst die bekanntesten und erfolgreichsten Duos der letzten Jahrzehnte können mit den Bryans längst nicht mehr mithalten. Sie sind eine Klasse für sich. In der globalen Tennisszene wird das allerdings eher am Rande wahrgenommen. Das Doppel ist zu einem Wettbewerb der Spezialisten geworden. Die Einzelstars treten nur in Ausnahmefällen an, ihnen ist die zweifache Belastung bei Turnieren zu viel. Früher war das anders: Da meldeten auch die Big Names aus dem Einzel für die Doppelkonkurrenz.
„Doppel ist und bleibt das ungeliebte Stiefkind vom Einzel“, sagt der Australier Mark Woodforde, der zusammen mit Todd Woodbridge („The Woodies“) elf Grand Slam-Titel holte. Er arbeitet während der US Open für amerikanische TV-Sender als Experte. „Was wäre hier los, wenn Nadal, Federer oder Djokovic die Chance auf einen Grand Slam hätten?“ Die Bryans stehen im Schatten der Stars, sie sind letztlich schmückendes Beiwerk der Turniere. Klar, sie bieten spektakuläre Unterhaltung, wahnwitzige Ballstafetten, tollkühne Netzaktionen. Das ist großes Tennis, keine Frage. Aber es ist eben „nur“ Doppel.

„Wir haben uns daran gewöhnt“, sagen die Bryans. „Die Einzelspieler haben die hohe Aufmerksamkeit verdient.“ Dabei machen sie alles, um aus ihrer Nische herauszukommen. Sie sind jederzeit für ein Interview greifbar, nehmen jedes Foto-Shooting, jedes Charity-Projekt und jede Promotion-Aktion wahr. Derzeit kann man die beiden in einem ziemlich coolen Tennis-Werbefilme sehen. Für einen Auto-Versicherer werden sie in unterschiedliche Jahrzehnte der Tennishistorie gebeamt, immer mit den entsprechenden Outfits. Tenor: Egal, ob die Bryans in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts oder in der Neuzeit auflaufen – sie sind einfach nicht zu schlagen (Hier der Link zu dem Film: http://www.youtube.com/watch?v=C2kZx4DicpM)

Die Bryans als Idole für die Doppelszene

„Die Bryans sind unsere Idole“ sagt Martin Emmrich, Deutschlands derzeit bester Doppelspieler, der gestern mit Dauerpartner Andre Begemann in der zweiten Runde ausschied. „Was die für das Doppel erreicht haben, ist einfach unglaublich. Sie sind die perfekten Botschafter für uns Doppelspezialisten.“ Die Bryans sind die Götter der Doppelszene, vor allem weil sie von Beginn an als festes Team aufliefen und nie mit anderen Partnern spielten.

Doch selbst ein US Open-Titel in diesem Jahr und der Gewinn des Grand Slams wird sie nicht in jene Sphären der Aufmerksamkeit katapultieren, die für die Einzelstars normal sind. Eigentlich schade. Verdient hätten sie es.

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