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Kiwis letzte Chance

Nicolas Kiefer und der Davis Cup so recht passte das nie zusammen. Interne Querelen und negative Schlagzeilen waren in den vergangen zehn Jahren keine Seltenheit wenn Kiwi für Deutschland aufschlug. Bei seinem Davis Cup-Debüt im Februar 1998 galt Kiefer als Hoffnungsträger. Zusammen mit Tommy Haas sollte er endlich wieder den Pokal nach Deutschland holen, in die großen Fußstapfen der Vorgänger Boris Becker und Michael Stich treten, die den Titel immerhin dreimal für Deutschland gewannen wenn auch nie zusammen in einem Team. Zwar siegte Kiefer in seinem ersten Match gegen den Südafrikaner Grant Stafford in fünf Sätzen und durfte sich über einen erfolgreichen Einstand freuen, aber schon sein zweiter Auftritt, im Viertelfinale gegen Schweden, sorgte für Spannungen im noch so jungen Team. Dabei waren die Voraussetzungen ideal:Zwei aufstrebende Spitzenspieler, Haas und Kiefer, auf dem Court; zwei Legenden auf der Bank: Charly Steeb als Kapitän und Boris Becker als Teamchef. Er zog die Fäden im Hintergrund, fungierte als Motivator und spielte nebenbei im Doppel an der Seite von David Prinosil. Teambuilding war angesagt, eine Einheit formen, die den ganz großen Erfolg bringen sollte. Doch die 2:3-Niederlage gegen Schweden bremste die Euphorie schlagartig. Natürlich hatte das gesamte Team verloren, aberzum Sündenbock der Öffentlichkeit wurde Nicolas Kiefer, damals 21 Jahre alt. Er war es, der die große Chance vergab, Deutschland am ersten Tag mit 2:0 in Führung zu bringen. Fünf Sätze kämpfte er gegen Schwedens Nummer 1 Jonas Björkman, vergab beste Möglichkeiten, pöbelte auf dem Court und legte sich mit Schieds- und Linienrichtern an.
Im Schatten von Tommy Haas

Bei ihnen suchte Kiefer später die Schuld für seine bittere Niederlage,sogar von einer Verschwörung gegen Deutschland sprach der Hannoveraner. Nach dem Match verließ er kommentarlos die Anlage, wurde erst vom Pressesprecher zum Interview zurückgeholt. Ein Verhalten, das sicherlich auch auf Unerfahrenheit zurückzuführen war. Das eigentliche Problem aber war, dass Kiefer zu Beginn seiner Davis Cup-Karriere schnell im Schatten des erfolgreicheren Tommy Haas stand. Dieser gewann seine ersten acht Einzel für Deutschland und trat stets als lockerer Sunnyboy auf. Kiefer wirkte eher cool und unnahbar, hatte es also schon aufgrund seiner Art etwas schwerer beim Publikum aber auch im Team mit Becker und Steeb.  Dennoch: Kiwi wurde nie müde zu beteuern, wie wichtig der Davis Cup für ihn sei. Ich bin ein Einzelkämpfer wie alle Topspieler auch, doch für Deutschland zu spielen bleibt etwas ganz Besonderes, äußerte er sich nach der Niederlage gegen Schweden 1998. Eine Aussage, die ihm viele nicht abnahmen. Das Image, keine Gänsehaut zu bekommen, wenn die deutsche Nationalhymne gespielt wird, blieb auch in den folgenden Jahren an ihm haften. Nicht zuletzt, weil auch nur selten die Leistung stimmte. Egal wer gerade Teamchef war: Bei den wichtigen Matches im Davis Cup konnte Kiefer nicht überzeugen. Er verlor 2001 bei der 1:4-Niederlage gegen Holland das so wichtige erste Einzel gegen Jan Siemerink und auch beim Relegationsspiel 2003 war Kiefer mit von der Partie. In Sundern traf die deutsche Mannschaft auf Weißrussland eine Begegnung, in der man favorisiert war und die man nicht verlieren durfte. Kiefer und Schüttler scheiterten damals zusammen im Doppel und brachten die deutsche Mannschaft so auf die Verliererstraße. Kiefers DavisCup-Bilanz spricht Bände:nur neun Siege bei 21 Einsätzen.

Kiefer war Schuld

Acht Jahre nach seinem Davis Cup-Debüt dann der Auftritt in Halle gegen Frankreich. Eine erste Runde, die fast zum Eklat wurde: Die Tatsache, dass Kiefer am Eröffnungstag deutlich in drei Sätzen gegen Sebastien Grosjean verlor und Deutschland bereits am Samstag ohne Chance mit 0:3 zurücklag, wog dabei gar nicht so schwer. Viel schlimmer  erschein, was sich hinter den Kulissen abspielte. Teamchef Patrik Kühnen ging nach dem verlorenen Doppel bei der Pressekonferenz davon aus, Kiefer würde am kommenden Tag trotz allem im Einzel antreten. Kiwi selbst hatte aber bereits entschieden, nicht mehr zu spielen. Angeblicher Grund:Sein verletzter Knöchel, der ihm auch schon bei den Australian Open wenige Wochen zuvor Probleme bereitet hatte. Als Kiefer auch das gemeinsame Frühstück mit der Mannschaft am Sonntagmorgen schwänzte, wirkte er endgültig nicht mehr als Teil des Teams. Kühnen war empört und bezeichnete Kiefers Verhalten als unakzeptabel. Wenn ich sage, was ich denke, fliegt das Team auseinander, äußerte sich der Kapitän zu der prekären Lage. Böse Schlagzeilen der nationalen Presse waren die logische Konsequenz:Kiefer war Schuld, folgerte zum Beispiel die Sportbild. Eine Situation, die vorerst Kiefers Aus im Davis Cup zur Folge hatte. Zwei Jahre sind seit dem  vergangen zwei Jahre, in denen immer wieder über ein Comeback Kiefers für Deutschland spekuliert und diskutiert wurde. Zwei Jahre, in denen es trotz Kiefers langer Verletzungspause durchaus Möglichkeiten für eine Rückkehr gegeben hätte. Kühnen aber plante vorerst ohne den 30-Jährigen, aktivierte Philipp Kohlschreiber sowie dessen Namensvetter Petzschner und schaffte mit seiner Mannschaft das, was viele nicht für möglich hielten:Den Einzug ins Halbfinale 2007, in dem man nur denkbar knapp den Russen unterlag.

Gedanklich immer beim Team

Eine starke Einheit hatte sich gebildet. Eine Einheit, zu der Nicolas Kiefer gern wieder gehören wollte. Ich bin bereit für den Davis Cup, sagte Kiwi im Interview mit tennis magazin Ende 2007. Seinen Worten ließ er Taten folgen. Im Februar traf er sich mit Teamchef Kühnen zu einem klärenden Gespräch. Die Differenzen von Halle wurden beseitigt, Kiefers Rückkehr geebnet. Aus Kühnens Sicht möglicherweise auch vor dem Hintergrund, dass ein Einsatz von Tommy Haas bereits auf der Kippe stand. Doch der deutsche Teamchef betonte auch die ansteigende Form des Hannoveraners. Nicolas hat mich mit seinen Leistungen in den letzten Wochen einfach überzeugt. Da kam ich an ihm nicht vorbei. Ich freue mich, dass er nach so langer Zeit wieder für Deutschland spielt. Und weiter:Wir haben viele Gespräche geführt. Nicolas weiß, was wir alle von ihm erwarten. Er wird sein bestes geben, da bin ich mir sicher, bekräftigte Kühnen seine Entscheidung. Kiefer nahm die Vorlage seines Teamchefs dankend an und ergänzte sogar noch:Auch wenn ich zuletzt nicht nominiert war, war ich gedanklich immer beim Team. Vom 11. 13. April muss er beweisen, wie sehr ihm der Davis Cup am Herzen liegt. Ausgerechnet gegen die in Bestbesetzung antretenden Spanier ins Team zurück zu kehren, bereitet Kiwi keine Bedenken:In Bremen gehts bei Null los, da rechne ich mir auch gegen NadalChancen aus, sagt Kiefer optimistisch. Eines ist sicher:Überzeugen kann Kiefer selbst dann, wenn er Nadal und Ferrer nicht schlagen sollte. In Bremen kann er sich als Teamplayer präsentieren. Nur dann kann er seine wohl letzte Chance im Davis Cup nutzen. Den ersten Schritt hat er bereits getan:Im Online-Shop seiner Website präsentiert er seit einer Woche neue T-Shirts mit der AufschriftKiwi is back in den Farben schwarz, rot, gold. Und noch etwas könnte für ein erfolgreiches Comeback sprechen, zumindest wenn man dem Aberglauben Achtung schenkt:Das erste Davis Cup Match seiner Karriere bestritt Kiefer 1998 ausgerechnet in Bremen. Er gewann und Deutschland siegte 5:0. Vielleicht ein gutes Omen für das kommende Wochenende…
Felix Grewe

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