BNP Parisbas Open , Indian Wells Jannik Sinner (ITA) *** BNP Parisbas Open , Indian Wells Jannik Sinner ITA

Am Ort des Geschehens. Im März wurde Jannik Sinner während des Masters in Indian Wells positiv auf Clostebol getestet. Bild: Imago/Paul Zimmer

„Kritik kommt von Idioten und Frustrierten”: Dopingfall Sinner erhitzt weiter die Gemüter

Nach der Veröffentlichung des Dopingfalls um Jannik Sinner kommt die Tenniswelt weiterhin nicht zur Ruhe. Den Unmengen an Reaktionen in den sozialen Medien folgten nun auch Experteneinschätzungen. Die wichtigsten im Überblick.

Während die Stimmen auf Social Media, gerade bei X, größtenteils in die kritische Richtung gehen, sieht es bei den Experten etwas gemäßigter aus. Viele schlagen sich auf Sinners Seite und hinterfragen hauptsächlich die Vorgehensweise in dem brisanten Fall.

Schett & Wilander sprechen von Ungereimtheiten

Die beiden Ex-Profis Mats Wilander und Barbara Schett schlagen sich klar auf die Seite des Weltranglistenersten. Schett ist überzeugt, dass Sinner niemals aus freien Stücken dopen würde. In Frage stellt sie ebenfalls, ob die geringe Menge der verbotenen Substanz (Clostebol) überhaupt leistungssteigernd wirken kann. „Da gibt es sehr viele Ungereimtheiten, wenn es darum geht, solche Fälle geheim zu halten oder sie öffentlich zu machen. Bei Simona Halep und Jenson Brooksby hat die Bearbeitung viel länger gedauert. Halep war knapp zwei Jahre gesperrt und musste hart kämpfen, um da wieder raus zu kommen“, sagte die Österreicherin gegenüber Eurosport.

 

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Auch der siebenfache Grand Slam-Champion Mats Wilander hat eine ähnliche Meinung: „Das hat nichts mit Jannik zu tun, aber die Professionalität der Dopingorganisationen ist bei dem Fall nicht gut. Der Prozess muss bei jedem Spieler einheitlich ablaufen, sonst ist es unfair. Einige mussten so lange warten, bis sie freigesprochen wurden.“ Auch der Schwede zweifelt die leistungssteigernde Wirkung der geringen Menge Clostebol an. Das man selbst noch solch geringe Mengen wie ein Milliardstel eines Gramms überhaupt feststellen könne, sei in seinen Augen sehr frustrierend.

 

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Auch Kohlschreiber auf der Seite von Sinner

Mit Philipp Kohlschreiber hat sich auch ein Ex-Profi aus deutschen Reihen zu Wort gemeldet. Gegenüber Sky schlug er sich ebenfalls auf die Seite von Sinner und sagte, er wolle und könne ihn nicht verurteilen. „Über die Erklärung von Sinner muss sich jeder seine eigenen Gedanken machen. Was die unabhängigen Instanzen jetzt zu dem Fall sagen, da habe ich volles Vertrauen“, sagte der Augsburger.

„Was man aber kritisch hinterfragen muss: Warum wurde der Fall so schnell behandelt? Bei ähnlichen Vergehen dauerte es monatelang, bis man die Spieler überhaupt anhörte. Wir kämpfen alle für einen sauberen Sport. Alles Spieler sollten die gleichen Abläufe und Fristen bekommen.“

Kritik an Sinner bringt Angelo Binaghi auf die Palme

Auch der Präsident des italienischen Tennisverbandes FIT, Angelo Binaghi, äußerte sich merklich angesäuert zu der Angelegenheit: „Die Kritik der Kollegen? Die kam von den Idioten und Frustrierten. Von denjenigen, die größere Fähigkeiten als Sinner hatten, um die Nummer eins der Welt zu werden, aber miserabel gescheitert sind.“ Ein eindeutiger Seitenhieb gegen Nick Kyrgios, der vehement mit Kritik um sich geworfen hatte. Hätten sich Rafael Nadal oder Novak Djokovic zu der Thematik geäußert, wäre das aus Sicht von Binaghi etwas komplett anderes gewesen.

Italiens Tennis-Boss Angelo Binaghi (l.) ist über die Kritik an Jannik Sinner (r.) erzürnt.Bild: Imago/Ettore Ferrari

Er sei erleichtert, dass alles gut ausgegangen ist und glaube, dass Sinner noch stärker aus dieser Situation hervorgehen wird. Auch zu einem noch möglichen Einspruch der Welt-Antidopingagentur (WADA) oder Italiens nationaler Dopingbehörde äußerte sich der 64-jährige Tennisboss: „Mich würde es wundern, wenn sie Einspruch einlegen würden. Die Sache ist bis ins kleinste Detail geklärt. Ich glaube, niemand hätte auch nur eine Lira auf einen möglichen Dopingfall von Sinner gesetzt, eher hätten sie auf einen Banküberfall gewettet.“

Dopingexperten Sörgel & Seppelt geteilter Meinung

Natürlich ist das Thema auch nicht an Experten aus der Doping-Szene vorbeigegangen. Dopingexperte Fritz Sörgel positionierte sich im Interview mit Sport1 klar: „Wenn jemand positiv auf Clostebol getestet wird, dann wird er automatisch gesperrt. Die Reihenfolge nach einem angezweifelten positiven Test, ist der Gang zur Nationalen Anti-Doping Agentur, zur WADA, zum CAS. Wieso kann Sinner dann von einem unabhängigen Gericht freigesprochen werden? Das stinkt bis zum Himmel.“ Laut Störgel müsse nun ein klarer Strich gezogen werden. Clostebol solle automatisch zu einer zwei- bis vierjährigen Sperre führen. Die WADA müsse jetzt eingreifen.

ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt mahnte dazu, den Fall Sinner nicht einfacher zu machen als er ist.Bild: Imago/S. Kanz

Etwas gemäßigter reagierte ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt auf den Fall. Es entspreche nicht dem WADA-Code, dass von März bis jetzt nichts über die positiven Befunde veröffentlicht wurde. Die International Tennis Integrity Agency (ITIA) berufe sich auf ihre eigenen Regeln. Der Fall sei aber nicht so einfach, wie vielleicht angenommen: „Wenn die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass es sich hier nicht um absichtliches Doping gehandelt hat, dann ist es nach den Regeln auch korrekt, dass Athleten nicht belangt werden.“ Seppelt hält es für wahrscheinlich, dass der Fall am Ende noch vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS landet.