Kuhglocken und Irokesen

War das eine Kuhglocke, die ich da gerade gehört habe? Als ich das Olympia Eissportzentrum in Garmisch-Partenkirchen Freitagmittag betrete, jubelt sich eine rot-weiße Fan-Gruppe schon einmal warm. Etwa 400 Ösi-Fans sind nach Garmisch gekommen und haben jede Menge Anfeuerungsutensilien mitgebracht. Einige tragen Perücken im Irokesen-Look, andere haben sich das Gesicht bemalt oder sich in riesige Fahnen eingewickelt. Begeistert testen sie ihre Tröten, Trommeln, Glocken und sogar eine Sirene. Gleich daneben, auf den braunen Holzklappstühlen, die eher an den Hörsaal einer Universität erinnern als an ein Sportstadion, formieren sich deutsche Fans für den Gegen-Jubel.

„Oops I did it again von Britney Spears dröhnt aus den Lautsprechern, die an bedenklich dünnen Kabeln von der Decke hängen. Es ist 14 Uhr. Noch eine halbe Stunde bis zum ersten Match Rainer Schüttler gegen Stefan Koubek. Schon jetzt herrscht Partystimmung. Ich suche mir einen Platz auf der Pressetribüne ganz oben unterm Dach. Dann geht es los. Schüttler schlägt auf. Er wirkt nervös. Als er einen Doppelfehler macht, jubeln die österreichischen Fans. Wie unfair! Die deutschen Fans nehmen die Kriegserklärung an und jubeln ihrerseits bei Fehlern von Koubek. Die Eissporthalle wird zum Hexenkessel. Von Anfang an geht es heiß her zumindest auf den Tribünen. Auf dem Court läuft die Partie schleppend vor sich hin. Koubek spielt clever, Schüttler schwach. Deutschland verliert das erste Einzel. Und für die Irokesen-Ösis gibt es kein Halten mehr.

Kaffee um die Nerven zu beruhigen

Die Gesichter in den deutschen Fankurven sind dagegen vor Schrecken starr wie Eiszapfen geworden. Jetzt muss Kohlschreiber gegen Jürgen Melzer ran. Als Kohli den zweiten Satz verliert, gehe ich zur Nervenberuhigung ins Pressezentrum. Oder besser gesagt: In die zugige Eingangshalle, die notdürftig zu einem solchen umfunktioniert wurde. Ich brauche erstmal einen Kaffee. Kurze Zeit später steht es 2:4 im dritten Satz und Melzer hat zwei Breakbälle. Aufgeregt beginnen die österreichischen Journalisten, Geschichten über die Sensation in Garmisch vorzubereiten. Doch Kohli kämpft und schafft ein unglaubliches Comeback. Sieg in fünf Sätzen! 1:1. Was für ein denkwürdiges Match! Nachts um halb zwölf mache ich mich völlig erledigt auf den Weg in meine Pension, das Gasthaus Hoffmann. Auf der Straße hüpfen noch einige österreichische Kuhglocken-Schwenker fröhlich im Kreis. Beinahe hätte ihr Team eine riesengroße Überraschung geschafft.

Mail aus Garmisch: Maroder Charme der Eissporthalle

Die ausführliche Davis Cup-Reportage lesen Sie in der Ausgabe 4/09 des tennis magazins, die am 20. April erscheint.

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