Meuterei auf der Tour?
Der Maglev, der Zug, der den Longyang Road Bahnhof mit dem Pudong International Flughafen verbindet, rast mit 431 km/h durch Shanghai. Knapp 20 Meilen sind es. Reisezeit: acht Minuten. Jetzt hat die ATP eine besondere Aktion veranstaltet. Nennt sich Fastest Tennis in the World schneller wurde noch nie gespielt. Jo-Wilfried Tsonga und Fernando Verdaco hießen die Protagonisten, die auf einem Minifeld im Zugabteil Bälle schlugen.
Die spektakuläre PR-Aktion fällt in eine Zeit, in der einige Helden der Tour mit ihrer Spielervereinigung alles andere als zufrieden sind. Von Meuterei war schon die Rede. Grund ist der Terminkalender, ein leidiges Thema schon seit Jahren. Die Saison sei zu lang, tönen die Kritiker.
Ausgelöst hatte die Diskussion Andy Roddick. Es ist lächerlich, von einem professionellen Sport zu sprechen, wann man keine Pause zur Erholung, zum Auskurieren von Verletzungen und zur Vorbereitung hat. Dieses Jahr geht unsere Saison am 30. November zu Ende, und am 4. Januar müssen wir schon wieder in der Form für ein Grand Slam-Turnier sein. Das geht so Jahr für Jahr. Wir haben lange versucht, uns Gehör zu verschaffen, aber alles, was wir erreicht haben, ist ein noch späterer Zeitpunkt für das Saisonfinale, wetterte Roddick vor dem Turnierstart in Shanghai. Und weiter: Ich hoffe, dass so kurzsichtige Planungen nicht die Karrieren der besten Spieler beeinträchtigen. Es ist meiner Meinung jedenfalls kein Zufall, dass Roger Federer als Nummer eins und Andy Murray als Nummer drei in Shanghai nicht dabei sind und Rafael Nadal als Nummer zwei mitten in der Saison auch schon mehrere Monate nicht spielen konnte.
Es passte ins Bild, dass der Amerikaner, an Nummer vier gesetzt, in seinem Match gegen Stanislas Wawrinka wegen Rückenbeschwerden aufgab. Den Ausstieg Roddicks kann man auch so interpretieren: Er wollte seinen Start beim ATP World Tour Finale Ende November in London nicht gefährden.
Unterstützung bekam Roddick von Rafael Nadal. Es ist unmöglich, am 1. Januar das Jahr zu beginnen und am 6. Dezember aufzuhören, schimpfte der Spanier, der nach dem Saisonfinale auch noch das Davis Cup-Finale in Barcelona auf seinem Terminplan hat. Die Verletzungsprobleme, sagt Nadal, seinen ein Produkt eines Sports, der seinen Spielern nur fünf Wochen im Jahr Auszeit gebe. Indirekt machte er damit die ATP für seine Knieprobleme, die ihn im Juni und Juli zur Auszeit zwangen, verantwortlich.
Über 400 Matches spielte Nadal in den letzten fünf Jahren zu viel, wie er findet. Dabei wird ihm seine Klasse zum Verhängnis, weil er bei fast allen Turnieren in Halbfinals oder Finals einzieht. Zu den 18 Pflichtturnieren (vier Grand Slams, acht Masters 1000, vier 500-er und zwei weitere Turniere) pro Saison, die die Top 30 zu absolvieren haben, kommt bei Nadal hinzu, dass er auch beim Davis Cup meist bis Saisonende dabei ist.
Eingeschaltet in die Diskussion hat sich auch Marat Safin, der am Saisonende seinen Abschied gibt: Ich habe schon 2004 nach den Olympischen Spielen mit Roddick über das Thema diskutiert. Damals sagten alle, ich würde zu viel spielen. Ich sagte: Die Saison ist zu lang, wir müssen sie kürzen, erzählt der Russe. Da seien alle auf ihn losgegangen, als würde er Unsinn erzählen. Und jetzt, sagt Safin, Jeder fällt auseinander. Jeder ist verletzt, rechts und links. Und jeder beschwert sich, dass die Saison zu lang sei. Braucht man sechs Jahre, um das zu realisieren?
Was ist die Konsequenz? Ein Streik, sagt Roddick, ist das letzte, was wir wollen. Aber wir werden gegen die Wand gedrückt. Meuterei auf der Tour? Die wird es wohl nicht geben, und schon gar nicht beim Finale in London, wo so viel Preisgeld und so viele Punkte auf dem Spiel stehen. Andererseits: Mit Federer, Nadal und Djokovic im so genannten ATP Player Council sind die Spieler so stark an den Entscheidungen beteiligt wie wohl nie zuvor. Dazu kommt, dass ATP-Boss Adam Helfant, seit Januar im Amt, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Etienne de Villiers als moderat gilt, als jemand, der für die Belange der Profis stets offen ist. Man könnte meinen: Wenn sich etwas ändern könnte, dann jetzt. Und wenn nicht, wann dann?
Einer der mittlerweile beide Seiten kennt, meldete sich auch zu Wort Novak Djokovic. Der Serbe, ab Montag wieder die Nummer drei der Welt, feierte in diesem Jahr seine Premiere als Turnierveranstalter in Belgrad. Er sagt: In London und Anfang des Jahres in Melbourne werden sich die Topspieler zusammensetzen. Wir werden etwas ausarbeiten, was für Spieler und Turniere angenehm ist. Noch nie seien die Spieler sich so einig gewesen wie jetzt.
Man darf gespannt sein, was passiert. Das Problem könnte nur sein, dass sich Roddick & Co. schnell wieder beruhigen und erst im nächsten Herbst wieder meckern.
Andrej Antic
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