The Championships – Wimbledon 2009 Day Five

Post aus Wimbledon: „Dark Horse“ Tommy Haas

Es gibt in England den hübschen Begriff Dark Horse. Er stammt ursprünglich aus der Wettszene des Reitsports und bezeichnet ein Pferd, das niemand so richtig auf dem Zettel hat, das aber durchaus in der Lage ist, ein Rennen zu gewinnen. Geheimfavorit nennt man es in Deutschland für gewöhnlich. Ein Dark Horse ist aber noch ein bisschen geheimer, es kommt noch überraschender nach vorne. Solche Rösser haben immer hohe Quoten bei den Wetten. Wer auf sie setzt, geht ein größeres Risiko ein, als wenn er auf einen Favoriten tippen würde. Aber dafür bekommt er auch mehr Geld, wenn das Dark Horse tatsächlich mal durchkommt.

In Wimbledon gibt es jedes Jahr auch ein Dark Horse. 2009, nachdem die erste Woche vorbei ist, kristallisiert sich Tommy Haas als derjenige heraus, der es bei diesem Turnier richtig weit bringen und für Überraschungen sorgen kann. Haas, 31 Jahre alt, seit 13 Jahren auf der Tour, drei Schulteroperationen hinter sich, steht im Halbfinale von Wimbledon. Obwohl er sich im Herbst seiner Karriere befindet, spielt er so gut wie seit Jahren nicht mehr. Nick Bollettieri, sein Ex-Coach, sagt sogar, dass Tommy noch nie so gut gespielt hätte wie jetzt. Erst das mitreißende Match gegen Roger Federer bei den French Open, als er nach einer 2:0-Satzfürhung noch verlor, dann der Turniersieg in Halle. Haas ist in Hochform, das steht fest.
Wer Tommy Haas nach seinem Zweit-Runden-Aus bei den US Open 2008 erlebte, kann das kaum glauben. Damals war das Schlimmste zu befürchten. Der Deutsche sprach es zwar nicht direkt aus, aber ein Ende der Karriere war nicht mehr auszuschließen. Er haderte mit sich und kündigte an, einiges zu verändern in meinem Leben so geht es nicht weiter. Was er damit meinte, ließ er offen.

Voller Kampfkraft und Leidenschaft

Etwa neun Monate später, ist von dieser resignierenden Haltung nichts zu spüren. Im Gegenteil: Wie Haas in seiner dritten Runde den elf Jahre jüngeren Marin Cilic besiegte, zeugte von Kampfkraft, Siegeswillen und riesiger Leidenschaft. 2:5 lag er im ersten Satz hinten er gewann ihn 7:5, genauso wie den zweiten Durchgang. Dann gab er das Spiel aus der Hand: 1:6. Aber Haas kam zurück, hatte bei 5:4 im vierten Satz zwei Matchbälle und verlor ihn im Tiebreak. Danach wurde das Match ein Krimi, inklusive Fortsetzung. Bei 6:6 im letzten Satz, Cilic hatte zwischenzeitlich selbst zwei Matchbälle vergeben, wurde die Partie am Freitagabend abgebrochen. Samstagnachmittag ging es weiter. Haas siegte 10:8 im fünften Satz. Eines des besten Matches, die es bisher hier in Wimbledon gab, sagte BBC-Kommentator Andrew Castle. Pat Cash, Wimbledonsieger von 1987, stufte das Match in seiner Halbzeitanalyse des Turniers im Observer als die großartigste Partie der ersten Woche ein.

Die anschließenden Partien waren weniger dramatisch. Im Achtelfinale gegen Igor Andreev war Haas klar der Bessere und überrollte seinen Gegner mit ständigen Netzattacken und Serve-And-Volley-Angriffen. Und im Viertelfinale spielte Haas zwar solide, aber Gegner Novak Djokovic enttäuschte. Was auffiel: Haas hat sein Spiel dem Rasen wesentlich besser angepasst als der Weltranglisten-Vierte aus Serbien.
Es sind genau diese Momente, für die ich spiele, sagte Haas nach dem Match gegen Cilic, das neue Energien in ihm freisetzte. Er erzählte, wie er gemeinsam mit seiner Verlobten Sara Foster die nächtliche Matchunterbrechung mit indischem Essen, Songs vom verstorbenen Michael Jackson und einigen Massagen verbrachte. Da die Ruhe zu finden und runter zu kommen, ist hart, gab er zu. Aber er schaffte es irgendwie, um am darauf folgenden Tag das Match zu gewinnen. Der Schub dieses Sieges beförderte ihn jetzt bis ins Halbfinale.

Konstellationen, die ein „Dark Horse“ mag

Haas hat nun eine gute Ausgangsposition, wenn er dort auf den großen Roger Federer trifft. 2007 hätte er hier auch gegen Federer antreten müssen (damals im Achtelfinale), aber Haas musste das Match kurzfristig absagen: Bauchmuskelzerrung. Jetzt versichert er, dass er zwar ein wenig müde wäre, sich aber insgesamt fit fühlen würde. Sein Vorteil: Haas kann befreit aufspielen, er hat nichts zu verlieren. Und Federer weiß, dass jemand, der nun zehn Matches in Serie auf Rasen gewonnen hat, selbst ihm, dem Rasengott, gefährlich werden kann.

Es sind genau diese Konstellationen, die ein „Dark Horse“ mag. Wer weiß: Vielleicht gelingt ihm in Wimbledon dieses Jahr das Rennen seines Lebens.

Tim Böseler, Wimbledon

Archiv:

– Starke Maus im Schlangenkäfig
– „Ruft doch den Odesnik an!“
– Die Schlange ins Glück.
– Londons kreischende Sirenen.
– Die „Murray-Mania“ greift um sich.
The Global Destination For Modern Luxury | air jordan 1 mid tartan swoosh