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Roger Federer und der Traum vom Grand Slam

Neulich wurde Roger Federer folgende Frage gestellt: „Herr Federer, stellen Sie sich vor, Sie säßen in einer Zeitmaschine und würden in die Vergangenheit reisen. Gegen welchen Spieler aus der Historie würden Sie gerne antreten?“ Die meisten Spieler (und da sind sie wie Politiker) hätten sich auf so eine spekulative Spielerei gar nicht eingelassen. Aber Federer antwortete direkt und ohne zu überlegen: „Gegen Rod Laver oder Björn Borg.“ Mag sein, dass er sich für die beiden entschied, weil er sich ohnehin auf dem Papier mit ihnen duelliert. Federer hat mittlerweile zehn Grand Slam-Titel auf seinem Konto, Borg und Laver je einen mehr. Aber vor allem: Der Australier und der Schwede schafften etwas, das dem Schweizer bislang verwehrt blieb – ein Sieg bei den French Open.

„Das ist das nächste große Ziel. Ich bin gespannt, wie ich dort abschneide. Hoffentlich klappt es, und ich gewinne den Titel. Es wäre ein Traum“, sagt Federer. Ein Sieg des Schweizers in Roland Garros – es wäre die Story schlechthin im Welttennis. Und damit würde auch in greifbare Nähe rücken, was Fans und Fachleute nur einem Spieler, nämlich Federer, zutrauen. Seit er vor drei Jahren begann, das Welttennis zu dominieren, wird Federer mit einem Mythos in Verbindung gebracht, dem Grand Slam. Die Aufgabe: innerhalb eines Kalenderjahres die vier großen Turniere von Melbourne, Paris, Wimbledon und New York zu gewinnen. Der letzte Spieler, dem dies vor knapp 40 Jahren gelang, war Rod Laver 1969. Ihm gelang das Kunststück sogar doppelt. Schon 1962 gewann der Mann aus Rockhampton, Queensland, der heute in Kalifornien lebt und den sie „The Rocket“ nannten, die Traditionsturniere. Der einzige andere Spieler, der ebenfalls den Grand Slam gewann, hieß Donald Budge. Der Amerikaner reüssierte 1938.

Jetzt ist Federer der Jäger des verlorenen Schatzes. Wobei dieser Schatz etwas Ideelles ist, nichts Greifbares wie die sagenumwobene Bundeslade in dem Steven Spielberg-Streifen, hinter der der Archäologieprofessor und Abenteurer Harrison Ford alias Indiana Jones her war. Wer den Grand Slam im Tennis gewinnt, erhält keine spezielle Trophäe, keine Krone und keinen zusätzlichen Scheck – jedenfalls war das bisher nicht so. Doch im Falle Federer will man sich etwas Besonderes ausdenken. „Sollte er in Paris siegen, werden wir das diskutieren“, verspricht die ITF, der Weltverband, der für die Eliteveranstaltungen von Melbourne, Paris, Wimbledon und New York zuständig ist.

Doch zunächst geht es um den „Roger Slam“. So tauften Journalisten den möglichen Coup, zwar Siege bei allen Grand Slam-Turnieren in Folge zu landen, aber nicht in der richtigen Reihenfolge (und somit wäre es auch kein echter Grand Slam). Schon letzte Saison – genau wie jetzt – war Federer nah dran. Er hatte in Wimbledon und bei den US Open 2005 gesiegt, auch bei den Australian Open 2006. Doch im Finale von Paris scheiterte er an Rafael Nadal. Für den Schweizer kein schlechtes Omen: „Ich mache jedes Jahr einen Schritt nach vorne“, sagt Federer, „vor zwei Jahren war ich im Halbfinale, letztes Jahr im Finale.“ Also kann 2007 nur der Titel folgen?

Wie groß der Rummel um Paris ist, wurde schon nach dem Finale von Melbourne Ende Januar gegen Fer-nando Gonzalez klar. Ob er denn schon für den nächsten Morgen einen Sandplatz gebucht habe, wollte jemand wissen. Klar, ein Scherz. Andererseits: Die Planung für das Unternehmen Grand Slam begann tatsächlich direkt nach den Australian Open. Federer bestellte seinen Konditionstrainer Pierre Paganini, mit dem er seit fünf Jahren zusammenarbeitet, in sein Domizil nach Dubai, und der erste Fitness-Block startete. Bis zu den French Open soll Federer vier dieser Blöcke, die jeweils vier Tage umfassen, absolvieren. Übungen zur Koordination, Schnelligkeit, Schnellkraft, Beinarbeit und Grundlagenausdauer umfasst das knüppelharte Training.

Rivale Nadal

Vieles werden Federer und sein Team gegenüber dem Vorjahr nicht verändern. Nach dem Hartplatzturnier von Miami Anfang April wird Federer wie 2006 auf rote Asche wechseln, spielt in Monte Carlo, Rom und – mit hoher Wahrscheinlichkeit – in Hamburg. Danach reist er nach Paris. In einem Punkt unterscheidet sich die Vorbereitung allerdings. Tony Roche, Federers Coach, will, dass sein Schützling mehr Zeit auf dem Platz verbringt. Bälle schlagen ohne Ende, heißt die Devise, mit Linkshändern als Sparringspartnern, die den Schweizer wie Nadal mit hohen Spinbällen auf der Rückhand festnageln sollen.

Denn Nadal, der in 60 Partien in Folge auf Sand ungeschlagen blieb, ist der große Rivale auf dem Weg zum Titel von Paris. In den letzten beiden Jahren besiegte er Federer. Und auch wenn der Schweizer im Finale 2006 zu Beginn perfektes Sandplatztennis zelebrierte und den ersten Satz mit 6:1 gewann, am Ende war Federer chancenlos. Was auch in diesem Jahr für Nadal spricht: „Er ist physisch so stark. Er ist auf diesem Bodenbelag groß geworden. Er hat diese Erfolgsserie. Er ist sehr selbstbewusst und er deckt den Platz optimal ab. Außerdem ist er Linkshänder. All das macht es sehr schwer für mich“, umreißt es Federer. Andererseits sei er im letzten Jahr näher an „Rafa“ herangerückt. In den Finals von Monte Carlo und Rom gewann der Spanier jeweils nur knapp in fünf Sätzen. Dazu kommt: In den letzten Monaten spielte der Spanier nicht sein bestes Tennis.

Paris könnte trotzdem zum Fluch für Federer werden, wie für so viele Stars vor ihm, denen nur die French Open in ihrer Grand Slam-Sammlung fehlten. Für Boris Becker war stets im Halbfinale Schluss, Stefan Edberg unterlag im 89er Finale gegen den Sensationsfinalisten Michael Chang. Jimmy Connors kam viermal ins Halbfinale, aber nicht weiter. John McEnroe (der allerdings nie in Melbourne siegte) führte sogar mit 2:0-Sätzen gegen Erzfeind Ivan Lendl, aber er verschenkte das Match. Auch Pete Sampras, der die Grand Slam-Siegerliste mit 14 Titeln anführt, taucht in der Reihe der gescheiterten Stars auf. 13-mal unternahm der wohl beste Serve-and-Volley-Spieler aller Zeiten den Versuch, in Roland Garros zu gewinnen. Einmal, 1996, kam er ins Halbfinale. Der einzige Spieler der jüngeren Vergangenheit, der es schaffte, alle vier Grand Slam-Turniere zu gewinnen (wenn auch nicht in Folge und schon gar nicht in einem Jahr), war Andre Agassi. Schon 1990 und 1991 stand er jeweils als hoher Favorit im Finale von Paris, aber er verlor. Erst 1999, als niemand mehr mit ihm rechnete und als er wegen einer Verletzung gar nicht antreten wollte, holte Agassi den ersehnten Titel.
Der Grand Slam-Fluch

Ivan Lendl, der Mitte der 80er Jahre das Tennis dominierte, gewann dreimal die French Open. Er siegte auch bei den anderen Grand Slam-Turnieren – nur nicht in Wimbledon. Zweimal stand er dort im Finale, der Perfektionist hätte alles für diesen Titel gegeben, baute sich zu Hause in Green-wich, Connecticut, einen Rasenplatz inklusive Tribüne mit Pappkameraden als Zuschauer. Er verzichtete sogar auf die French Open, um noch früher auf Rasen trainieren zu können. Es nützte alles nichts. Björn Borg, der fünfmal in Folge in Wimbledon siegte und sechsmal in Paris, konnte nie die US Open gewinnen. Viermal erreichte er das Finale, in einem spielte er gegen John McEnroe fünf Sätze – vergeblich.

Besiegt Federer die Geister der Vergangenheit? Wahrscheinlich waren Sampras‘ Grundlinienspiel (vor allem die Rückhand) zu schwach, um die French Open zu gewinnen, und Lendls Volleyspiel nicht zwingend genug für Wimbledon. Federer dagegen hat keine Schwäche. Und das Tempo, mit dem er seine bisherigen zehn Grand Slam-Turniere gewonnen hat, ist beeindruckend. 31 Anläufe brauchte er, um auf diese Zahl zu kommen, genau wie Rod Laver, Federers Vorbild, der über seinen potenziellen Nachfolger sagt: „Es ist eine Ehre für mich, mit ihm verglichen zu werden.“

Ein unglaubliches Lob. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Laver zu seiner Glanzzeit, zwischen 1963 und 1968, gar keine Grand Slam-Turniere spielen durfte. Damals war es nur Amateuren erlaubt, dort anzutreten, Laver war aber nach seinem 62er Triumph ins Profilager gewechselt. Experten schätzen, dass er locker 20 Grand Slam-Titel hätte gewinnen können.

Das wird auch Federer zugetraut (siehe Umfrage Seite 10). Bis zu den Olympischen Spielen in London 2012 (dort wird in Wimbledon auf Federers Lieblingsbelag, auf Gras, gespielt) will der Schweizer auf jeden Fall spielen. Dann ist er 31 Jahre alt, nicht zu alt, um immer noch ein Jäger zu sein. Der verlorene Schatz hieße dann Golden Slam.

Federer bei den Zahlen top

tennis magazin-Experte Richard Schönborn hat einige ATP-Statistiken analysiert und festgestellt: Die Zahlen bei Aufschlag und Return sprechen für Roger Federer.

Die ATP präsentiert jedes Jahr Statistiken, aus denen man wichtige Erkenntnisse gewinnen kann. So war Ivan Ljubicic im Jahr 2006 mit 929 Assen in 78 Matches (11,9 Asse pro Match) der erfolgreichste Aufschläger der Tour, gefolgt von Andy Roddick mit 705 Assen in 63 Matches (11,1) und Roger Federer mit 656 Assen in 95 Matches (6,9). Nun ist aber bekannt, dass Federer nicht viel Wert auf die maximale Geschwindigkeit legt, obwohl auch er problemlos weit über 200 km/h servieren kann. Sein Erfolg liegt in der Präzision und der Variation der ersten Aufschläge. Betrachtet man dann die Statistik der gewonnenen Spiele durch den ersten Aufschlag, dann ändert sich die Reihenfolge: Federer ist zu 90 Prozent erfolgreich, wenn der erste Aufschlag kommt, genau wie Roddick. Ljubicic kommt auf 88 Prozent. Daraus folgt: Nicht nur der erste Aufschlag als direkter Punktgewinn entscheidet über die Effektivität, sondern auch die Ausnutzung dieses Schlages für die anschließende Rally. Gerade in diesem Bereich ist Federer hervorragend, denn die Präzision seiner ersten Aufschläge bringt den Returnierer in Bedrängnis und Federer kann schon mit dem zweiten Schlag punkten oder den Ballwechsel diktieren. Von entscheidender Bedeutung ist auch die Qualität des zweiten Aufschlags. Bedenkt man, dass die ersten Aufschläge zu etwa 45 bis 65 Prozent im Feld landen, verbleiben für die zweiten Aufschläge immerhin 35 bis 55 Prozent. Man kann fast behaupten, dass der internationale Durchschnitt bei etwa 50:50 liegt. Die statistischen Ergebnisse zeigen auch hier die Überlegenheit Federers. Er führt mit 59 Prozent siegreichen Punkten auf den zweiten Aufschlag. Es folgen Rafael Nadal (57) und Roddick (55).
Ein Schlag, der meiner Meinung nach im heutigen Tennis mindestens so wichtig ist wie der Aufschlag, ist der Return. Schaut man sich die Herrenrangliste vom 8. Februar an, dann stellt man fest, dass die stärksten Aufschläger in der Returnrangliste auf den Plätzen 4 (Roddick), 8 (Ljubicic) und 9 (Mario Ancic) stehen. Weiter vorne, auf Platz 3, steht aber der laut Statistik beste Returnspieler – Nikolay Davydenko. Analysiert man die Top 15, findet man dort neun Returnierer, die in ihrer Disziplin weit vorne liegen, aber nur sechs Topaufschläger. Davidenko hat mit 35 Prozent auch die größte Anzahl an Returnspielen gewonnen. Federer kommt immerhin auf 32 Prozent. Bei den abgewehrten Breakbällen dominiert wieder Federer (70 Prozent), gefolgt von Roddick, Mardy Fish (69) und Nadal (68).
Federers große Überlegenheit im heutigen Spitzentennis geht aus all diesen Ergebnissen eindeutig hervor. Er schlägt mit die meisten Asse (Platz 3), gewinnt mit die meisten Punkte auf den ersten Aufschlag (Platz 3). Keiner ist bei eigenen Aufschlagspielen und bei direkten Returnpunkten auf den ersten gegnerischen Aufschlag so erfolgreich wie er (jeweils Platz 1). Er steht auf dem fünften Platz der direkten Returnpunkte auf den zweiten Aufschlag und er dominiert bei abgewehrten Breakbällen (Platz 1). Federer ist der Universalspieler schlechthin. Führt man sich dann noch vor Augen, dass er meist bis 4:4 im Schongang spielt und erst dann richtig aufdreht, bekommen die Zahlen noch eine andere Dimension. Federer weiß genau, wann es ernst wird und wann er es ein bisschen lockerer angehen lassen kann. Und: Er überschätzt sich nie, weil er einen gefestigten Charakter hat. Er unterschätzt sich eher und ist dann überrascht, wie gut er spielt (siehe das Australian Open-Halbfinale gegen Roddick). Genau daran erkennt man einen außergewöhnlichen Spieler.

Andrej Antic

„Dieser Bursche hat ein Rendezvous mit der Ewigkeit“
Jim Courier, ehemalige Nummer eins und vierfacher Grand Slam-Sieger

„Es ist eine Ehre für mich, mit ihm verglichen zu werden.“
Rod Laver, Grand Slam-Legende

„Roger trägt als bester Spieler die größte Verantwortung in unserem Sport, und er trägt sie wunderbar.“
Daren Cahill, Ex-Coach von Andre Agassi

„Dieser Junge ist ein Genie. Er wird unser Spiel verändern.“
Andre Agassi beim Masters Cup in Houston 2003

„Ihn zu sehen, ist wie bei einem Beatles-Konzert dabei gewesen zu sein.“
John Lloyd, Englands frühere Nummer eins
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