Tennis: Cincinnati Open Aug 19 2024; Cincinnati, OH, USA; Jannik Sinner of Italy resets between serves against Frances T

Jannik Sinner sieht sich nach Bekanntwerden seines Dopingfalls mit jeder Menge Gegenwind konfrontiert.Bild: Imago/Sam Greene

„Lächerlich“ – deutliche Reaktionen zum Dopingfall Jannik Sinner

Nach Bekanntwerden des Dopingfalls von Jannik Sinner brodelt es in der Tenniswelt. Mehrere Profikollegen des Italieners meldeten sich bereits zu Wort und positionierten sich dabei klar.

Dopingfälle im Tennis sind schon lange keine Seltenheit mehr. Seit 2019 gab es allein elf Fälle. Besonders brisant ist die nun publik gewordene Angelegenheit um Jannik Sinner. Schon im März schlugen zwei Dopingtests positiv auf die verbotene Substanz Clostebol an. Es folgten mehrere Kurzstrafen. Insgesamt war der 23-Jährige für fünf Tage gesperrt. Schnelle Einsprüche gegen die Urteile ermöglichten es ihm trotzdem zu spielen. Den mittlerweile abgeschlossenen Fall machte die International Tennis Integrity Agency (ITIA) erst jetzt, fast ein halbes Jahr nach den Tests öffentlich. Die Reaktionen von anderen Profis ließen nicht lange auf sich warten.

Nick Kyrgios: „Lächerlich – er sollte für zwei Jahre gesperrt werden.“

Nick Kyrgios ist selbst kein Kind von Traurigkeit, wenn es um Skandale geht. So gerne er sie selbst hervorruft, so gerne mischt er sich auch in andere brisante Themen ein. Den Fall Sinner kommentierte er auf X mit Unverständnis für das Urteil: „Lächerlich – egal, ob absichtlich oder unabsichtlich. Du wirst zweimal auf eine (steroide) Substanz getestet, also solltest du für zwei Jahre von der Bildfläche verschwinden.“

Bei dem Thema scheint der Australier einmal mehr sehr umtriebig in den sozialen Medien. Auf die Frage eines Users, ob er wirklich glaube, dass ein Pikogramm der Substanz die Leistung verbessern könne, antwortete Kyrgios: „Wahrscheinlich haben sie erst getestet, als es schon fast wieder aus seinem Körper raus war. Die Menge ist unwichtig. Warum hat sein Team sowas überhaupt? Zwei Tests waren positiv, er sollte gesperrt werden.“

Shapovalov, Pouille & Broady ebenfalls skeptisch

Auch Denis Shapovalov und Lucas Pouille äußerten sich kritisch zu der Angelegenheit um Sinner. Shapovalov schrieb zunächst nur: „Andere Spieler, andere Regeln.“ Ergänzend schrieb er, dass er sich nicht vorstellen könne, wie sich andere Spieler fühlen, die wegen kontaminierter Substanzen suspendiert wurden. „Was ist mit den Spielern, die gesperrt wurden, weil sie nicht zum Test erschienen sind, aber nie positiv getestet wurden?“, ergänzte Pouille. An dieser Stelle sei aber darauf hingewiesen, dass ein mehrfaches Nichterscheinen zum Dopingtest definitiv ein verdächtiges Verhalten darstellt.

Auch der Brite Liam Broady findet die Vorgehensweise der Verantwortlichen unverständlich: „Egal, ob er gedopt hat oder nicht. Viele Spieler müssen Monate oder sogar Jahre warten, bis ihre Unschuld bewiesen wird. Kein gutes Bild in diesem Fall. Das kann nicht richtig sein.“

Darren Cahill und John Millman auf der Seite von Sinner

In die andere Richtung gehen die Meinungen von Sinners Coach Darren Cahill und Ex-Profi John Millman. Cahill, sicherlich voreingenommen, legte im Interview mit ESPN seine Hand dafür ins Feuer, dass Sinner nie absichtlich dopen würde: „Er war in einer unglücklichen Situation. Der Vorfall hat ihn geistig und körperlich zermürbt. Wir sind froh, dass es keine lange Sperre gab und hoffen, dass er es jetzt hinter sich lassen kann.“

Aus dem Ruhestand meldete sich auch der Australier John Millman sehr ausführlich zu Wort. Man solle keine voreiligen Schlüsse ziehen und er glaube ebenfalls fest daran, dass Sinner nicht gedopt habe. „Vielleicht sollte der Schwellenwert für eine Kontaminierung angehoben werden. Warum überhaupt der Aufschrei, wenn Sondergenehmigungen für bestimmte Medikamente mit eigentlich verbotenen Substanzen ohnehin erlaubt sind?“ Weiterhin findet Millman die Herangehesweise im Fall Sinner deutlich besser als in jenem von Simona Halep. In seinen Augen sollte man Dopingfälle in Zukunft genauso schnell und effizient behandeln wie der des Weltranglistenersten. Dabei appelliert er auch an die Spielervereinigung PTPA.

Andere Dopingopfer fühlen sich hintergangen

Unmut löste die Vorgehensweise im Fall Sinner auch bei Tara Moore und Cagla Büyükakcay aus. Beide waren in der Vergangenheit zu Unrecht wegen positiver Dopingtests für längere Zeit gesperrt. Bei Moore waren es insgesamt 19 Monate, bevor sie ihre Unschuld beweisen konnte. Insgesamt 200.000 Euro kostete sie der Weg dorthin. „Anscheinend ist nur das Image der Topspieler wichtig. Anscheinend sieht das unabhängige Tribunal nur die Erklärung der Topspieler als fundiert und richtig an. Mir schenkten sie keinen Glauben “, schrieb die Britin auf X. Dass bei Sinners und anderen Fällen die gleiche Rechtsgrundlage verwendet worden sein soll, glaubt sie nicht. Sie sei zwar glücklich, dass der Fall des Südtirolers so schnell abgeschlossen werden konnte, plädiere aber dafür, dass dies auch bei anderen Betroffenen der Fall sein müsse.

Auch Cagla Büyükakcar musste eine achtmonatige Strafe absitzen, bevor sie jegliche Schuld von sich weisen konnte: „Es ist extrem unfair, wenn der Fall eines anderen unter den gleichen Regeln anders behandelt wird als der eigene. Den Job, das Ansehen, das Ranking und die mentale Gesundheit wegen so etwas zu verlieren ist das Zermürbendste, was einem Sportler passieren kann.“

Ungewöhnliche Vorgehensweise im Fall Sinner

Die Vorgehensweise im Fall von Jannik Sinner ist definitiv ungewöhnlich. Während sich Kyrgios und Shapovalov prompt für eine Sperre aussprechen, hinterfragen andere das System hinter der Bearbeitung des Falls. Gerade Moore und Millman wundern sich, warum es in anderen Fällen so lange dauert, bis die Unschuld der Betroffenen bewiesen werden kann, obwohl immer die gleiche Rechtslage gilt. Es schwingt ein Hauch vom Vorwurf einer Zweiklassengesellschaft mit. Auf der einen Seite die Topstars, deren Image um jeden Preis gewahrt werden soll und muss. Auf der anderen der Rest, dem man im Prozess schwere (finanzielle) Steine in den Weg legt.