Wann würde es enden? Würde es je enden? Gibt es einen Gewinner? Oder zwei? Ist es das wirkliche Leben? Oder der Sprung in eine Parallelwelt? Es ist fraglich, ob irgendetwas Vergleichbares im Tennis jemals geschehen wird. Ach was, es ist ausgeschlossen. Der vierte Tag in Wimbledon – merken Sie sich das Datum: Es ist der 24. Juni 2010 – beginnt mit der Rückkehr der Queen nach 33 Jahren. 1977 war sie zuletzt in Wimbledon. Damals spielte John McEnroe, und heute scherzt er: „Ich dachte, sie würde jedes Jahr kommen.“ Um kurz nach elf Uhr morgens erscheint sie auf der Anlage, 84-jährig, aber möglicherweise fitter als John Isner und Nicolas Mahut an diesem Tag. Sie trägt ein türkisfarbenes Kostüm und Hut.
Der vierte Tag von Wimbledon 2010. Es gibt nur zwei Themen: die Queen und die Fortsetzung des Isner/Mahut-Wahnsinns. Die Queen wurde zunächst vom Aorangi Park, das ist das Trainingsgelände, bis zum Centre Court über die Anlage geführt. Das ist etwa ein Kilometer, gesäumt mit Menschenmassen. Sie schüttelte circa 1000 Hände, darunter die von Federer, Serena Williams, Billie Jean King, Novak Djokovic, und verschwand dann im Bauch des Centre Courts, wo sie zu Mittag speiste. Es gab mariniertes Hähnchen mit Couscous und geröstetem Gemüse, anschließend ein Erdbeer-Desert.
Währenddessen flimmerte bei der BBC schon der nächste Spielfilm auf den Mattscheiben. Die Fortsetzung des gigantischsten Tennismatches aller Zeiten wurde angekündigt. Hollywood hätte es nicht besser inszenieren können. Spielstand vor Wiederaufnahme: 4:6, 6:3, 7:6, 6:7, 59:59. Kurz nach halb vier ist es dann so weit: Isner und Mahut betreten den Court unter dem Jubel der Fans. Platz 18 ist einer der kleinen Showcourts. Ab 10.30 Uhr – also sechs Stunden vor dem Match – sind alle Plätze besetzt.
Eine Stimmung wie bei der Mondlandung
Es ist eine Stimmung wie bei der Mondlandung. Um kurz nach 15 Uhr wird es voll auf der Dachterrasse des BBC-Gebäudes, von dem man den besten Blick auf den Court hat. Mit Mikrofonen bewaffnete Reporter drängen sich am Gelände, Kameras werden in Stellung gebracht. Der große Moment steht unmittelbar bevor.
Und diesmal funktioniert auch das Scoreboard, das am Abend zuvor unter dem historischen Druck schlapp gemacht hatte. Jetzt steht es bei 59:59 im fünften Satz. Was wird passieren? Werden sich die beiden Helden überhaupt bewegen können? Antwort: Sogar erstaunlich gut. Sie halten noch 20 Spiele durch. Isner hat beim Stand von 69:68 die erste Breakchance, und damit gleichzeitig Matchball, überhaupt. Sein fünfter Matchball – und er nutzt ihn. Operation Mondlandung geglückt.
Kaum zu fassen. Am Ende standen 112 Asse bei Isner in der Statistik (103 bei Mahut). Eine Stunde und fünf Minuten dauerte die Fortsetzung. Die eilig inszenierte Zeremonie anschließend war dem Match allerdings nicht angemessen. Der tieftraurige Mahut und Isner bekamen je zwei Geschenkpakete in die Hand gedrückt. Es folgte ein Foto an der Ergebnistafel.
Ein paar Stunden später in der Pressekonferenz gab Isner noch eine Anekdote zum Besten: „Ich habe sehr hart in Saddlebrook trainiert, bevor ich herkam. Es waren dort knapp 40 Grad bei 100 Prozent Luftfeuchigkeit. Mein Trainer hat gesagt, jetzt bist du fit, um ein Match von zehn Stunden zu spielen.“
Andrej Antic
– über 3 Tage. Begonnen am Dienstag um 18:08, beendet am Donnerstag um 16:48 Uhr.
– 183 Spiele
– 168-mal hielten beide ihren Aufschlag in Folge
– 225 gemeinsame Asse
– allein der letzte Satz (8:11 Std.) dauerte länger als das bisher längste Match der Geschichte zwischen Santoro und Clement bei den French Open 2004 (6:33 Std.)