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Bild: Julian Jankowski

Alexander Zverev: „Wollte keine Ausrede im Sport haben“

Seit er vier Jahre alt ist, lebt Alexander Zverev mit Diabetes Typ 1. Für ihn ist es schon immer „Normalität“, dennoch machte er seine Erkrankung erst vor knapp zwei Jahren publik. tennis MAGAZIN hat den 26-Jährigen zum Interview im Tannenhof Resort im Rahmen einer Veranstaltung seiner Stiftung getroffen. Zverev erzählt über seinen Alltag mit Diabetes, wieso er die Diagnose so lange geheim gehalten hat und wie er mit seiner Stiftung helfen möchte.

Du warst vier Jahre alt, als deine Diabetes-Erkrankung diagnostiziert wurde. Wie ist es dir bzw. deiner Familie aufgefallen?
Ich kann mich nicht daran erinnern, weil ich zu jung war. Ich weiß nur aus Erzählungen meiner Familie, dass ich krank war und einen schweren Virus hatte. Dann musste ich mich impfen lassen, wie sich jedes normale Kind impfen lassen muss. Ich war immer noch krank. Aber man hat mich trotzdem impfen lassen, was in diesem Fall falsch war. Es war eine Reaktion meines Körpers, dass ich nach der Impfung Diabetes bekommen habe. Da war ich vier Jahre alt. Woran hat man es gemerkt? Ich habe tagelang nicht gegessen, nur getrunken. Mein Zucker war immer unfassbar hoch. Das wussten wir aber nicht. Irgendwann sind meine Eltern mit mir zum Arzt gegangen. Dort hat sich rausgestellt, dass ich Diabetes habe.

Wie war das weitere Vorgehen?
Ich kann mich nicht erinnern. Aber ich weiß noch, dass ich im Krankenhaus war und wusste, dass ich mich ab sofort spritzen muss. Ich kenne ein Leben ohne Diabetes nicht. Für mich war es Normalität.

Alexander Zverev: „Von diesem Leben habe ich immer geträumt“

Kannst du dich noch an deine Träume, die du als Kind hattest erinnern?
Ich wollte immer Tennisspieler werden, wollte immer im Sport tätig sein. Ich war ein sehr aktives Kind, habe drei Sportarten gemacht: Tennis, Fußball und Hockey, alles auf einmal. Am Wochenende hatte ich drei verschiedene Sportveranstaltungen. Es war immer mein Traum, Tennisspieler zu sein und die größten Turniere der Welt zu spielen. Ich sage es mal so: Das Leben, das ich jetzt habe, davon habe ich immer geträumt.

Glaubst du, dass die Diabetes-Erkrankung dich noch stärker gemacht hat, als wenn du zu 100% gesund gewesen wärst?
Das ist schwierig zu sagen. Keiner wünscht sich, Diabetes zu haben. Keiner hätte diese Krankheit gerne, weil man dadurch stärker wird. Am Ende musste ich schneller erwachsen werden und eigene Verantwortung übernehmen. Diabetes ist eine Lebensverantwortung. Ich glaube, dass mir das geholfen hat. Wenn man mir sagt, dass ich etwas nicht kann, möchte ich immer das Gegenteil beweisen. Das ist bei mir im Sport so, aber auch im Leben. Ich bin sehr stur. Deshalb hat mir Diabetes vielleicht eine Extra-Motivation gegeben. Und ich bin der Meinung, dass man mit Diabetes ein normales Leben führen und alles erreichen kann.

Alexander Zverev über Diabetes: „Es kam nie in Frage, nicht weiterzumachen“

Was hat dir die Kraft gegeben, trotz der vermeintlichen Einschränkungen weiterzumachen?
Für mich kam es nie in Frage, nicht weiterzumachen. Ich kann mich an ein Leben ohne Diabetes nicht erinnern. Als Kind, vor allem als stures Kind, hörst du nicht darauf, was Erwachsene und Ärzte sagen. Ich bin sehr froh, dass ich nicht auf alle gehört habe.

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Mischa Zverev (li.) unterstützt seinen Brudern nicht nur auf dem Tennisplatz. Er ist auch Teil seiner Stiftung. Beim Stiftungsevent im Tannenhof nahm die Alexander Zverev Foundation über 100.000 Euro ein.Bild: Instagram/Alexander Zverev

Welche Rolle haben deine Eltern und dein Bruder gespielt?
Sie sind diejenigen, die mit dem Thema zu tun hatten – mehr als ich. Für sie war es eine große Herausforderung und Verantwortung. Mit einem Kind musst du immer vorsichtig sein, wenn es Diabetes hat. Gerade am Anfang bist du noch mal extra vorsichtiger. Aber klar, sie haben mir extrem geholfen, sich um alles gekümmert – so wie es Eltern eben machen.

Alexander Zverev: Ich war früher erwachsen als andere“

Wie würdest du die Erziehung deiner Eltern beschreiben?
Meine Eltern kommen aus der Sowjetunion. Mein Vater war im Militär tätig, aber er war auch Sportler. Eine lockere Erziehung nach dem Motto: „Mach was du willst“, gab es nicht. Aber zum Sport haben sie mich nicht gezwungen. Mein Vater wollte nie, dass ich Tennis spiele. Er hatte keine Lust mehr auf das Tennisleben und wollte eher, dass ich eine andere Sportart mache. Aber ich habe mich für Tennis entschieden.

Am Ende war es für meine Eltern wichtig, dass ich im Leben Prinzipien habe und Dinge so tue, wie sie richtig sind. Richtig nicht nur für mich, sondern auch für andere Menschen. Sie wollten, dass ich ein gutes Kind bin, egal, was ich mache. Ich war wild, sportlich und viel unterwegs. Aber ich habe nie „Scheiße gebaut“. Ich habe mich zum Beispiel nie als 15-Jähriger für eine Party rausgeschlichen. Schon als Kind war ich sehr ehrgeizig, wusste was gut und was schlecht für mich ist. Da kommen wir zum Thema Diabetes zurück. Ich glaube, ich war früher erwachsen als andere. Ich habe früher Verantwortung für mein Leben übernommen. Vielleicht hatten meine Eltern es in dem Hinblick auch einfacher mit mir.

Alexander Zverev, Diabetes

Alexander Zverev spricht im Interview mit tennis MAGAZIN über seine Diabetes-Erkrankung.Bild: Julian Jankowski

Alexander Zverev über Diabetes: „Sie haben mein Insulin kaputt gemacht“

Du hast erzählt, dass du früher in der Schule gemobbt wurdest…
Ich habe die Grundschule geliebt. Dann bin ich von der Grundschule auf ein Sportgymnasium in Hamburg gekommen. Da waren 30 Kinder in der Klasse und gefühlt 29 davon waren Fußballer. Ich war der einzige Tennisspieler. Das allein war ein bisschen schwieriger. Ich hatte dort natürlich auch Freunde. Aber Kinder sind schmerzfrei, wenn die dich ärgern wollen, ärgern sie dich. Meistens verstehen sie die Konsequenzen nicht. Beispielsweise wurde mein Insulin kaputt gemacht oder meine Geräte zerstört. Das war nicht so einfach.

Alexander Zverev: „Ich möchte Kindern Mut machen“

Hast du deshalb so lange gewartet, mir deiner Diabetes-Erkrankung an die Öffentlichkeit zu gehen?
Ich habe mich mit der ganzen Sache unwohl gefühlt. Es gab zwei Gründe. Erstens wollte ich keine Ausrede in meinem Sport haben. Darauf lege ich viel Wert. Ich gewinne oder verliere mit Tennis. Zweitens: Ich wollte nicht, dass jeder es weiß. Ich wollte es geheim halten. Als ich die ersten Dates hatte, habe ich mich auf der Toilette gespritzt. Ich wollte auf keinen Fall, dass jemand weiß, dass ich Diabetiker bin oder weiß, dass ich eine Krankheit habe. Viele sind uninformiert und verstehen nicht, was Diabetes ist. Sie denken: „Oh, oh der hat eine Krankheit, bleiben wir fern von dem.“ Das ist auch Teil meiner Stiftung. Ich möchte aufklären und Kindern Mut machen. Sie sollen lernen, dass sie zwar Diabetiker sind, aber dass sie gleichzeitig völlig normal ihre Träume verfolgen können.

Alexander Zverev, Diabetes

Im Rahmen der Hamburg European Open 2023 traf Zverev Kinder, die ebenfalls an Diabetes erkrankt sind.Bild: Getty Images

Was willst du mit deiner Stiftung bezwecken?
Wir wollen Kindern und ihren Eltern in Deutschland aber auch international helfen. Diabetes ist eine Krankheit, über die nicht viel gesprochen wird. In einem Land wie Deutschland oder Ländern, wo das medizinische System gut funktioniert, kann man mit Diabetes leben und ein vernünftiges Leben führen. Aber nicht jedes Land ist wie Deutschland, europäische Länder oder die USA. In vielen Ländern mangelt es an Insulin oder Teststreifen. Dort ist die Gefahr hoch, dass man mit Diabetes sterben muss. Für mich ist das ein Riesen-Thema. Ich werde das alleine nicht schaffen, aber ich möchte vielen Kindern und Menschen weltweit helfen, dass alle ein normales Leben führen können.

Alexander Zverev: „Für einige Ärzte ist Diabetes ein Business. Das macht mich wütend.“

Bist du heute noch eingeschränkt mit Diabetes? Lässt du dich regelmäßig vom Arzt durchchecken?
Zum Arzt gehe ich nicht, da war ich schon seit zehn Jahren nicht mehr. Ich glaube, dass Diabetes eine individuelle Krankheit ist. Mit meiner Lebensart kann mir ein Arzt nicht viel erzählen. Generell bin ich ein bisschen allergisch auf Ärzte. Für einige Ärzte ist Diabetes ein Business. Sie wollen deshalb nicht, dass es dir so gut wie möglich geht. Das macht mich wütend. Aber zur Frage zurück: Eingeschränkt bin ich nicht. Ich glaube, wenn man gut eingestellt ist, wenn man von klein auf, wie ich, Diabetes hat, kennt man ein Leben ohne nicht. Man muss den Körper einfach so einstellen, dass man Diabetes hat und man damit leben muss.

Zu Beginn des Interviews haben wir über deine Träume als Kind gesprochen. Wovon träumst du heute?
Sportlich gesehen von zwei Dingen: Das eine ist ein Grand Slam. Das andere ist die Nummer eins der Welt. Das sind die einzigen beiden Dinge, die ich noch nicht geschafft habe. Ich war lange verletzt, weshalb es schwierig war. Ich bin nicht mehr jung, aber ich bin noch jung genug. Ein paar Jahre habe ich noch vor mir.

Alexander Zverev, Diabetes, Tannenhof

Heute führt Alexander Zverev das Leben, von dem er immer geträumt hat. Dennoch will er irgendwann ruhiger werden.Bild: Julian Jankowski

Alexander Zverev: „Fehler müssen gemacht werden.“

Und deine Träume auf nicht-sportlicher Ebene?
Mit der Foundation möchte ich vieles erreichen. Ich wünsche mir, dass so viele Menschen mit Diabetes wie möglich, ein erfülltes Leben führen können. Sie sollen damit alt werden können. Auf privater Ebene: Ich möchte irgendwann eine eigene Familie haben, ruhiger werden. Aber was heißt schon ruhiger werden? Ruhiger werde ich nie. Ich möchte mir etwas Eigenes aufbauen. Ich habe bei meinen Eltern gesehen und sehe es bei meinem Bruder. Ich wünsche mir Normalität. Das muss nicht morgen oder übermorgen passieren. Wenn man aber auf das große Ganze schaut, ist das ein Ziel in meinem Leben.

Gibt es etwas, das du dem jungen „Sascha“ gerne gesagt hättest oder heute sagen würdest?
Nein, gar nichts. Ich glaube, dass der junge Sascha es gut gemacht hat. Darauf kann man stolz sein. Ich wollte nie, dass mir jemand sagt, was in meinem Leben passiert und was nicht. Fehler werden gemacht und aus den Fehlern muss man lernen. Wenn man daraus nicht lernt, ist man ein Idiot. Jeder muss Fehler machen, um zu lernen. Jeder muss sein eigenes Leben für sich führen.