Aryna Sabalenka: „Ich will noch mehr!“
Australian Open-Siegerin Aryna Sabalenka spricht im Interview mit tennis MAGAZIN über Duelle gegen Freundin Paula Badosa, ihre massiven Aufschlagprobleme und erfolgloses Eishockeytraining mit ihrem Lebensgefährten.
Interview: Florian Goosmann
Dieses Interview ist in tennis MAGAZIN-Ausgabe 06/2023 erschienen.
Aryna Sabalenka war eine der prominentesten Spielerinnen beim Porsche Tennis Grand Prix – und eine der zugänglichsten. Eine Anfrage für ein Interview? Hatten wir mit begrenzten Erwartungen gestellt, schließlich muss sich Sabalenka regelmäßig in ihren Presserunden mit Russlands Krieg in der Ukraine auseinandersetzen. So auch in Stuttgart, wo sie sich von den Worten des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko distanzierte. Er hatte Sabalenkas Australian Open-Sieg öffentlich gefeiert und beteuert, die Welt wisse, woher sie stamme, auch wenn sie unter neutraler Flagge antrete. Sabalenka erklärte, sie könne nichts dagegen tun, wenn Lukaschenko über sie spreche.
Ebenso machtlos sei sie gegenüber dem Hass, der ihr in der Umkleidekabine oft entgegenschlage. „Es gibt Menschen, die hassen mich, weil ich in Belarus geboren bin. Es ist letztlich ihre Entscheidung, ich kann das nicht kontrollieren.“ Sie habe mit Politik nichts zu tun, aber von anderen Menschen gehasst zu werden, sei kein schönes Gefühl – sie habe schließlich niemandem etwas getan. „Wenn ich den Krieg beenden könnte, würde ich das tun. Aber leider liegt das nicht in meiner Hand“, stellte sie klar. Im Gespräch mit tennis MAGAZIN geht es um sportliche Fragen, denn Sabalenka liefert auf dem Platz momentan stark ab und kämpft mit Iga Swiatek um die Weltranglistenspitze.
Frau Sabalenka, Sie haben eine ungewöhnlich enge Freundin: Paula Badosa, eine Ihrer größten Rivalinnen auf der Tour. Verhalten Sie sich anders, wenn Sie beide aufeinandertreffen?
Wir haben schon einige Matches gegeneinander gespielt und genau darüber gesprochen. Und vereinbart, dass wir uns anfeuern wie immer. Wir spielen normal gegeneinander – so, als wären wir nicht befreundet. Durch unsere Absprache ist weder sie noch ich genervt davon, wenn wir einen guten Punkt bejubeln.
Also kein Thema, über das Sie während des Matches nachdenken?
Manchmal doch. Da überlege ich: Kann ich jetzt wirklich ‚Come on!‘ schreien? Ich würde gerne, aber ich bin nicht sicher, ob ich es sollte, weil sie meine Freundin ist – ich will nicht, dass sie sauer auf mich ist. Dann erinnere ich mich daran, dass wir ein Match spielen und genau diese Dinge geklärt haben.
Aryna Sabalenka über Paula Badosa: „Sie ist eine meiner besten Freundinnen“
Wann wechseln Sie wieder in den Freundschaftsmodus?
Nach unserem Duell in Stuttgart haben wir direkt nach dem Match miteinander gesprochen. Wir haben sogar gleich unser Abendessen für das darauffolgende Turnier in Madrid geplant (lacht). Das geht also schnell.
Woher kennen Sie sich so gut, noch aus der Juniorinnenzeit?
Unsere Freundschaft hat sich auf dem Platz entwickelt, beim „Tie Break Tens“ im vergangenen Jahr in Indian Wells. Seither mögen wir uns sehr. Paula ist ein tolles Mädchen. Sie sagt dasselbe über mich. Ich würde behaupten, dass sie eine meiner besten Freundinnen überhaupt ist. Wir haben uns auf Turnieren kennengelernt, aber ich bin sicher: Nach unserer Karriere werden wir weiterhin Spaß zusammen haben.
Sie haben bei den Australian Open 2023 ihr erstes Grand Slam-Turnier im Einzel gewonnen. Entspannt ein solcher Sieg oder will man direkt mehr?
Der Erfolg in Melbourne war der größte in meiner Karriere bislang. Er pusht mich, noch weitere Grand Slam-Turniere zu gewinnen. Die Gefühle nach einem solchen Sieg sind so wunderbar, man bekommt sie in keinem anderen Bereich des Lebens. Ich will also noch mehr!
Aryna Sabalenka: „Habe zu viel nachgedacht“
Konnten Sie die anschließende Zeit auskosten? Als Tennisprofi geht es meist direkt weiter zum nächsten Event.
Ich hatte etwa vier Tage, um alles zu genießen. Darum habe ich das anschließende Turnier in Doha verpasst. Ich hatte vier Tage frei und brauchte Extra-Zeit, um mich auf die nächsten Auftritte vorzubereiten.
Sie hatten 2022 massive Aufschlagprobleme, haben viele Doppelfehler produziert. In einem Match waren es mehr als 20. War das ein psychologisches oder technisches Problem?
Alles in allem wohl ein psychologisches. Im vergangenen Jahr sind so viele Dinge geschehen, mir sind so viele Emotionen durch den Kopf gegangen. Und dann kam die technische Ebene. Ich habe täglich hart daran gearbeitet, viel aufgeschlagen und versucht, das Problem ausfindig zu machen. Über die viele Arbeit habe ich es in den Griff bekommen.
Haben Sie konkret etwas verändert an Ihrem Aufschlag?
Oh ja, sehr viel! Meine Bewegung, wie das Racket zum Ball hochgeht. Dazu meinen Ballwurf und auch meine Einstellung. Ich hatte extreme Probleme und musste herausfinden, was eigentlich los war. Es war doch verrückt: Ich hatte einen starken Aufschlag, und dann, nach ein paar Doppelfehlern, ging das los! Ich habe zu viel darüber nachgedacht, konnte meinen Körper und meinen Arm nicht mehr kontrollieren. Die haben sich getrennt bewegt. Wir haben viel an der Biomechanik gearbeitet, das hat sehr geholfen.
Aryna Sabalenka: „Ich liebe Sportautos“
Hatten Sie Bedenken, dass diese Probleme Ihre Karriere beeinflussen könnten, wie es bei anderen Spielern der Fall war? Bei Anna Kournikova früher, bei Sara Errani und auch bei Alexander Zverev, der seit Jahren mit dem zweiten Aufschlag zu kämpfen hat?
Darüber habe ich viel nachgedacht. Es hat mir noch mehr Druck beim Aufschlag gegeben. Auch weil ich eine aggressive Spielweise habe, ohne Aufschlag kann ich sie nicht durchziehen. Auf der anderen Seite hat mich diese Zeit angetrieben, härter an meiner Fitness und am Returnspiel zu arbeiten. Ich brauchte ja etwas, mit dem ich wettbewerbsfähig war. Dennoch habe ich sehr gehofft, nach der Lösung meiner Aufschlagprobleme wieder auf einem hohen Niveau zurückzukommen.
Spiegelt Ihre aggressive Spielweise auch Ihre Persönlichkeit abseits des Platzes wider? Sind Sie so ein energischer Typ?
(überlegt) Nicht unbedingt. Vielleicht wenn ich Auto fahre – ich liebe Sportautos, fahre gerne schnell! Aber im Leben generell bin ich nicht so impulsiv. Ich habe gerne Spaß, bin jedoch relaxed, nicht extrem hektisch. Es ist eine gute Balance. Aber nach meiner Karriere werde ich wohl weiter Sport machen müssen, um etwas Energie rauszulassen.
Ihr Freund Konstantin Koltsov ist ebenfalls Sportler, ein ehemaliger Eishockeyprofi. Ist es hilfreich, jemanden wie ihn an der Seite zu haben?
Absolut! Nur ein anderer Athlet kapiert dieses Leben wirklich. Speziell einer, der sehr erfolgreich war. Er kann helfen, man versteht sich besser. Er arbeitet noch als Trainer, aber die Off-Season im Eishockey ist dann, wenn es für die Tennisprofis nach Europa geht. Leider kann er nur in dieser Zeit mit mir reisen. Natürlich würde ich mir wünschen, dass er öfter dabei wäre, aber er liebt Eishockey sehr, genauso wie seine Arbeit als Trainer.
Aryna Sabalenka: „Mein Hauptziel war das Einzel“
Wie steht es um Ihre Eishockey-Künste, erhalten Sie Privattraining bei ihm?
(lacht) Wir haben es versucht, aber es klappt nicht so toll, wenn er mich trainiert.
Es fällt auf, dass Sie zuletzt kaum noch Doppel gespielt haben. Dabei waren Sie so erfolgreich. Sie haben zwei Grand Slam-Turniere gewonnen, waren die Nummer eins der Welt. Mussten Sie das Doppel reduzieren, um im Einzel durchzustarten?
Ja, denn es ist verdammt hart, beides zu spielen. Auch mental. Es gab Zeiten, in denen ich bei Grand Slam-Turnieren im Einzel und im Doppel angetreten bin. Da stand ich im Doppel auf dem Platz und habe an mein Einzel am kommenden Tag gedacht. Ich war nicht sicher, ob ich alles geben sollte oder nicht, wie ich meinen Energiehaushalt managen muss. Ich habe zu viel gegrübelt und dann das Einzel verloren. Trotz der Erfolge im Doppel war mein Hauptziel das Einzel. Ich habe das mit meinem Team besprochen und wir haben beschlossen, mit dem Doppel aufzuhören – in der Hoffnung, dass mein Fokus im Einzel besser wird. Es hat geholfen.
Aryna Sabalenka: „Wenn wir beide ein Baby bekommen haben, starten wir unser Comeback im Doppel“
War es nur eine mentale Belastung, die Sie erschöpft hat, oder war es auch eine körperliche?
Ich habe viel Kraft im Doppel gelassen. Alle glauben, Doppel sei nicht so anstrengend, aber das ist nicht der Fall. Es ist eine andere Intensität, man muss sich auch am Netz viel bewegen. Der Körper ist nach einem Doppel wirklich platt. Zum Ende meiner Karriere kann ich mir aber vorstellen, wieder Einzel und Doppel zu spielen. Vielleicht kann ich dann besser damit umgehen.
Sie könnten ja dann mit Ihrer Freundin Paula Badosa spielen!
(lacht) Ja, vielleicht machen wir das dann tatsächlich! Wenn wir beide ein Baby bekommen haben, starten wir unser Comeback im Doppel!
Vita Aryna Sabalenka
Die Belarussin, 25, kam zufällig zum Tennis. Als sie sechs Jahre alt war, fuhr Vater Sergey an einem Tennisplatz vorbei und entschied, es einmal zu versuchen. Ihr Spitzname ist „Tiger“, da sie auf ihrem linken Arm ein Tiger-Tattoo hat. Ein weiterer Spitzname ist „Kriegerprinzessin“ wegen ihres kämpferischen Verhaltens auf dem Platz und ihres Sanftmuts abseits des Platzes. Sie machte zu Beginn ihrer Profikarriere Schlagzeilen durch ihr exzessives Stöhnen. Mittlerweile geht es bei ihr etwas ruhiger zu. Sabalenka gewann zwei Grand Slam-Titel im Doppel (mit Elise Mertens) und führte die Doppelweltrangliste an. Im Einzel steht sie seit 2020 durchgängig in den Top 10 (beste Platzierung: 2) und gewann bei den Australian Open 2023 ihren ersten Einzel-Grand Slam-Titel.mens jordan release dates 2022 | cheapest air jordan 1 high colorways