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Carlo Thränhardt: „Mit Boris fing alles an!“

Für die Saison 2015 wurde das deutsche Davis-Cup-Team neu aufgestellt. Mit dabei im Betreuerstab: Carlo Thränhardt, ehemaliger Weltklasse-Hochspringer. Wir sprachen mit dem 57-Jährigen über seine Aufgaben als Fitness- und Mentalcoach, die deutschen Davis Cup-Spieler und Boris Becker. 

Herr Thränhardt, was kann ein ehemaliger Hochspringer einem Tennisspieler beibringen? 

Es gibt sicherlich genug Kritiker, die sich diese Frage stellen. Wissen Sie, ich werde keinem Spieler erklären können, wie er seine Vorhand besser spielt. Aber ich kann ihm wohl helfen, dass er früher am Ball ist und mit seinem bereits bestehenden Können noch effektiver spielen kann. Nach 17 Jahren Leistungssport weiß ich, was Nachhaltigkeit, Schnellkraft und Disziplin bedeuten. Und die Rekorde, die ich aufgestellt habe, gelten auch heute noch. Man kann mir schon zugestehen, dass ich einigermaßen vernünftig trainiert habe und daher vieles weitergeben kann. Allgemein gilt: Das Off-Court-Training ist das Entscheidende. Da sich Leichtathleten sehr intensiv mit Koordination und Schnelligkeit befassen, können Tennisspieler hier nur profitieren.

Also braucht man in jeder Disziplin sportartübergreifende Fähigkeiten?

Selbstverständlich. Gerade die Athletik hat im Tennis viel mehr an Bedeutung gewonnen. Man muss sich nur Novak Djokovic angucken. Er gewinnt so viele Turniere, weil er in allen Bereichen unglaublich viel kann. Oder auch Andy Murray – der macht in seinem Training Dinge, von denen selbst Profi-Leichtathleten sagen, dass sie das nicht schaffen würden.

„Fitness und Psyche gehören zusammen“

Sie treten im Davis-Cup-Team als sogenannter „Fitness- und Mentalcoach“ an. Was ist ihr Konzept?

Ich würde Fitness und Psyche gar nicht so differenzieren. Beides gehört zusammen. Man kann sich das vorstellen wie ein Mosaik, das man sich in jedem Training neu erarbeiten muss – im besten Fall werden die kleinen Steinchen zu einem vollständigen Mosaik zusammengefügt. Dieses stellt die mentale Stärke  in einem wichtigen Wettkampf dar. Wenn man mit der höchsten Akkuratesse arbeitet, die man zu dem jeweiligen Zeitpunkt zur Verfügung hat, kann man sich seine mentale Stärke schaffen. Es gibt sicher viele Wege, die nach oben führen. Aber für mich ist es am sinnvollsten, das bestmögliche Training zu machen, um mental stark zu werden. Wenn ich eine Übung in Drucksituationen mit höchster Genauigkeit ausführen kann, gibt mir das mentale Stärke. Es sind oft einfache Dinge, die wir trainieren.

Zum Beispiel?

Simpel, aber effektiv: Kniebeugen, um die Schnellkraft der Oberschenkelmuskulatur zu verbessern. Dabei ist es aber wichtig, dass die Gedanken nicht abschweifen und man nicht etwa daran denkt, dass man abends ins Kino will oder mit der Freundin essen gehen wird. Man muss jede Kniebeuge ganz bewusst machen und bei jeder Ausführung daran denken, wo die Kraft rein soll. Im Leistungssport muss man mit den Gedanken ganz bei der Sache sein, damit das Ergebnis optimal wird. Wichtig ist, dass man zu 100 Prozent auf das fokussiert ist, was man tut.

Wie entsteht die gewünschte Leistungssteigerung?

Für jeden Sport brauche ich eine bestimmte Athletik. Wenn ich das Grundmuster nachhaltig verbessere, dann gibt mir das eine psychische Stärke. Wenn ich weiß, dass ich mehr gelernt und trainiert habe, kann ich das so integrieren, dass ich ein besserer Tennisspieler werde. Dann habe ich wiederum die mentale Stärke, an mich zu glauben – und daran, dass ich mehr kann.

Kam die neue Rolle im Davis Cup-Team für Sie überraschend?

Ich habe mich einfach sehr gefreut, dass ich gefragt wurde. Ich liebe Herausforderungen.  Aber es ist nicht so, dass ich mich nie mit Tennis beschäftigt hätte. Ich versuche, so gut ich kann meinen kleinen Beitrag zu leisten und mein Programm zu verbreiten.

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Carlo Thränhardt (nach oben gereckte Arme)  feuert die deutschen Spieler beim Auftaktspiel gegen Frankreich an.

„Ich bin kein komischer Fitness-Guru“

Viele halten Ihr Programm für Zauberei oder Unsinn.

Solche Meinungen gibt es immer. Aber ich bin kein komischer Fitness- Guru, der an den Spielern seine Übungen ausprobiert. Das hat schon alles Hand und Fuß. Ich gebe Hilfe, damit die Übungen richtig gemacht werden. Sinnvoll ist es, immer wieder zu korrigieren, um sich der Perfektion anzunähern. Das ist genauso anstrengend, wie immer wieder die Psyche einfließen zu lassen. Man muss sich immer wieder klare Ziele setzen und diese sinnvoll umsetzen.