Coco Gauff

Meinungsstark: Coco Gauff ist nicht nur auf dem Tennisplatz ein Star. ©Imago

Coco Gauff: „Michelle Obama riet mir, öfter Nein zu sagen!”

Mit ihren 20 Jahren ist Coco Gauff bereits ein etablierter Star auf der WTA-Tour. Die US-Amerikanerin spricht im Interview über ihren US Open-Sieg, ihren Trainer Brad Gilbert und ihre Leidenschaft für Bücher.

Frau Gauff, mit dem US Open-Sieg 2023 sind Sie in eine andere Sphäre vorgedrungen. Was hat sich dadurch verändert? 

Die Aufmerksamkeit ist durch meinen US Open-Sieg enorm gestiegen. Ich denke, das trifft auf jede Spielerin zu, die einen Grand Slam-Titel gewinnt. Meine Karriere verlief bislang schrittweise. Jedes Jahr ist ein neuer kleinerer oder größerer Erfolg dazugekommen. Daher war ich von der großen Aufmerksamkeit nicht überwältigt und konnte damit auch gut umgehen. 

Waren die US Open, Ihr Heimturnier, die bestmögliche Bühne für den Premierentitel bei einem Grand Slam-Turnier? 

Auf jeden Fall. Ehrlichweise hätte ich nicht damit gerechnet, dass die US Open mein erster Major-Titel sein würde. Ich dachte immer, dass es die French Open werden, weil ich die besten Resultate auf Sand hatte. Bein Heim-Grand-Slam zum ersten Mal zu gewinnen, ist auf jeden Fall besonders. Solch eine Erfahrung werde ich in meiner Karriere nicht mehr machen. 

Was ist das Beste daran, ein Grand Slam-Champion zu sein? 

Das Selbstvertrauen ist definitiv größer und der Glaube daran, es noch mal zu schaffen. Für die Leute scheint ein Grand Slam-Titel eine riesige Sache zu sein. Das ist es auch auf jeden Fall. Wenn jedoch dein Ziel ist, viele Grand Slam-Turniere zu gewinnen, dann musst du das aber schnell abhaken und weitermachen. Ich möchte nicht bei einem Grand Slam-Titel stehenbleiben. 

Haben Sie sich einen Wunsch erfüllt nach dem US Open-Sieg?

Nicht wirklich. Ich bin keine Person, die viel Geld ausgibt. Das Einzige, was ich nach meinem Titelgewinn tun wollte, war schlafen. Ich wollte zunächst auch nicht auf die Siegesfeier im Anschluss an das Finale gehen, weil ich so müde war. Mein Team hatte offensichtlich an dem Abend mehr Spaß als ich. Eine Woche später gab es eine weitere Feier in Florida, wo ich deutlich mehr Spaß hatte. 

Wo haben Sie Ihre Siegertrophäe aufbewahrt? 

Die Trophäe ist zuhause im Safe bei meinen Eltern. Die meisten Trophäen sind verpackt in einer Box und stehen nicht in einer Vitrine. Meine Mutter kümmert sich darum. Ich bin niemand, der ständig auf seine Trophäen schauen muss. Ich bevorzuge es, wenn ich zuhause bin, Tennis von meinem Privatleben zu trennen. Bloß die erste Trophäe, die ich gewonnen habe, nutzt meine Mutter als Dekoration. Es ist eigentlich die einzige Trophäe, die im Haus sichtbar ist. 

Coco Gauff

Coco Gauff gewann 2023 bei den US Open im Finale gegen Aryna Sabalenka ihren ersten Grand Slam-Titel. @Imago

Haben Sie einen Lieblingsmoment bei den US Open, bevor Sie Profi wurden? 

Das waren die Momente, wo ich Venus Williams zugeschaut habe. Es gibt sogar ein kurzes Video, wo ich als Neunjährige bei einem Match von Venus in New York in den Zuschauerrängen zu sehen bin. Das war auf jeden Fall der erinnerungswürdigste Moment als Zuschauerin. 

Sie sind inzwischen die Nummer zwei der Welt. Wie schlimm wäre es, wenn es mit der Nummer eins nicht klappen sollte.  

Sehr schlimm. Die Nummer zwei zu sein ist ein Zwischenschritt für mich. Allerdings schaue ich generell nicht allzu sehr auf die Weltrangliste, auch wenn es eine Bestätigung für all die Arbeit ist, die man hereingesteckt hat. Ich konzentriere mich mehr auf die Turniere, das Ranking kommt dann von allein. Ich denke, das ist die beste Sichtweise, die man haben kann.   

Brad Gilbert wurde nach Wimbledon 2023 Ihr Trainer. Dann haben Sie mit ihm die Turniere in Washington und Cincinnati sowie die US Open gewonnen. Hat es sofort geklickt zwischen ihnen? 

Es hat vier gemeinsame Turniere gedauert, bis wir einen Grand Slam-Titel gewonnen haben. Das spricht für sich. Ob es sofort geklickt hat, ist schwer zu sagen, da unser Altersunterschied doch recht groß ist. Ich musste erst herausfinden, wie er tickt. Brad bringt viel positive Energie mit. Das hat es einfach für mich gemacht, mit ihm zu arbeiten. Ich war etwas besorgt, weil ich nicht wusste, wie er sein würde. Ältere Leute können deutlich strenger sein. Brad ist das Gegenteil. Das hat mir geholfen, eine gute Balance auf und abseits des Platzes zu finden. Brad sagt mir stets: „Jeden Tag geht die Sonne auf.“ Kein Trainer zuvor hat mir solch einen Satz gesagt. 

Brad Gilbert ist auch bekannt für seinen Bestseller „Winning Ugly“. Haben Sie das Buch gelesen? 

Nein, noch nicht. Ich hatte es mir tatsächlich bereits gekauft, aber noch nicht reingeschaut. Meine Mutter hat „Winning Ugly“ aber gelesen. Ich habe bislang überhaupt noch kein Tennisbuch gelesen. 

Generell lesen Sie aber gerne. 

Das ist korrekt. Ich habe eine „Reading-Challenge“ begonnen. Als Kind liebte ich es zu lesen. Das habe ich etwas aus den Augen verloren, als ich älter wurde. Mein erstes Ziel war es, zwölf Bücher im Jahr zu lesen, eines pro Monat. Dann kam mein Freund mit der Idee um die Ecke, so viele Bücher zu lesen, wie es der Jahreszahl entspricht. Also 24 Bücher 2024, 23 Bücher 2023. Als er sagte, dass er 24 Bücher lesen möchte, hat dies meinen Ehrgeiz gepackt. Ich wollte dann mein eigentliches Ziel verdoppeln und schneller als er sein beim Bücherlesen. Derzeit bin ich meinem Freund um zwei Bücher voraus. Nächstes Jahr werde ich dann 25 Bücher lesen. 

Haben Sie derzeit ein Lieblingsbuch? 

Ja, „Fourth Wing“ von Rebecca Yarros. Es ist ein dystopischer Fantasieroman. 

Was ist der beste Ratschlag, den Sie ­bislang in Ihrem Leben erhielten? 

Der beste Ratschlag kam von Michelle Obama. Sie sagte mir, wie wichtig es ist, Nein zu sagen. Man darf nicht zu allen Dingen im Leben Ja sagen, auch wenn man viele Möglichkeiten präsentiert bekommt. Man muss klug auswählen, welche Dinge man tun möchte. Man wird schnell müde, wenn man alles tut, was andere von einem wollen. 

Wie ist Ihr Verhältnis zu Michelle Obama?

Generell habe ich eine gute Verbindung zu ihr. Es ist nicht so, dass ich ihre Telefonnummer habe, aber immer wenn wir uns sehen, haben wir ein tolles Gespräch.  

Was war der beste Ratschlag für Ihr Leben als Tennisprofi? 

Der kam vermutlich von Mary Joe Fernandez. Als ich 2019 in Wimbledon gegen Venus Williams spielte, sagte sie mir, dass ich nicht darüber nachdenken solle, wie viele Spiele ich gewinnen kann, sondern dass ich an meine Siegchance glauben soll. Ich hatte bereits früh bei Turnieren das Mindset, dass ich nicht geschaut habe, wie weit ich kommen kann, sondern dass der Turniersieg das Ziel ist.

Coco Gauff

Talk in Berlin: tennis MAGAZIN-Chefredakteur Andrej Antic und Redakteur Christian Albrecht Barschel sprachen mit Coco Gauff.

Vita Coco Gauff

Coco Gauff, 20, meldete sich 2019 auf der Weltbühne an, als sie in Wimbledon mit 15 Jahren als Qualifikantin das Achtelfinale erreichte. Ein paar Monate später in Linz folgte der erste WTA-Titel – mit 15 Jahren und sechs Monaten. Sie ist die damit die neuntjüngste Turniersiegerin. 2022 erreichte sie mit 18 Jahren das Finale bei den French Open. 2023 gewann sie bei den US Open ihr erstes Grand Slam-Turnier. Sie lebt mit ihrer Familie in Delray Beach in Florida.