Del Potro im Interview: „Nächstes Jahr greife ich die Spitze an!“
Wie weit sind Sie noch von Ihrer Bestform entfernt?
Schwer zu sagen. In Rio habe ich stärker gespielt als in den sechs Jahren zuvor. Das Match gegen Nole (7:6, 7:6 vs. Djokovic in Runde eins, d. Red.) war vielleicht das beste meines Lebens – in einer ähnlichen Form war ich höchstens 2009 in New York gegen Rafa (Halbfinale gegen Nadal, d. Red.) und Roger (Finalsieg gegen Federer, d. Red.). Das Wichtigste ist: Ich kann wieder mit den Besten mithalten. Mein Ziel ist es, Anfang nächsten Jahres bei 100 Prozent zu sein. Dann will ich die Spitze angreifen.
Als Sie in Rio Silber gewannen, sprachen Sie vom größten Moment Ihrer Karriere. Bedeutete Ihnen die Medaille wirklich mehr als der US Open-Sieg 2009?
Es ist schwer zu vergleichen, aber Rio war unglaublich. Ich werde noch in 30 Jahren davon sprechen, als hätte ich all die Momente erst gestern erlebt. Es waren die emotionalsten Tage meines Sportlerlebens. Du gewinnst eine Medaille für dein Land und kassierst den Lohn für so harte Jahre voller Zweifel!
Sind Sie selbst überrascht, dass Sie so schnell wieder so stark sind?
Absolut! Ich hätte nie gedacht, dass ich bei Olympia um eine Medaille würde kämpfen können. Und ich hätte keinen Dollar darauf gesetzt, dass ich 2016 bei einem Grand Slam-Turnier die zweite Woche erreichen würde. Aber es zeigt mir, dass meine Entscheidung weiterzumachen, richtig war. Ich glaube, die anderen Jungs auf der Tour haben mir das auch nicht so schnell zugetraut (lacht).
Novak Djokovic nannte Sie kürzlich eine Bereicherung für die Tour – spielerisch und menschlich. Sie sind nicht nur bei den Fans extrem beliebt…
Es ist eine Ehre für mich, wenn ich höre, dass die besten Spieler der Welt so nett über mich sprechen. Ich pflege zu den meisten Kollegen auf der Tour ein gutes Verhältnis, eigentlich komme ich mit allen klar. An Novak, Roger und Rafa bewundere ich ihre bemerkenswerte Einstellung. Sie sind starke Persönlichkeiten – auf und neben dem Court. Das zeichnet Champions im Sport aus.
Es gibt Kritiker, die halten die Tour für langweilig, weil sich die Spielertypen zu sehr ähneln. Stimmen Sie zu?
Gar nicht! Was die Jungs leisten, ist großartig. Ich denke, die Rivalitäten zwischen den großen vier, fünf Spielern sind mit die besten in der Geschichte unseres Sports. Trotzdem freuen sich die Fans natürlich, wenn jemand anders spielt als die Masse. Der Sport lebt von Gegensätzen. Die größten Duelle entstehen, wenn sich zwei Spieler nicht neutralisieren.
Wie wichtig sind Ihnen nach den vielen Zwangspausen noch Siege und Titel?
Natürlich geht es darum, zu gewinnen. Wer etwas anderes behauptet, der erzählt nicht die Wahrheit. Trotzdem ist meine Situation nach den harten Jahren speziell. Ich genieße das Leben auf der Tour, bin in erster Linie glücklich, wieder dabei zu sein. Siege auf dem Platz sind der beste Weg für mich, den Fans für ihre Unterstützung zu danken. Mein Antrieb sind immer noch Turniersiege.