Pete Sampras: „Die Zeiten von Serve-and-Volley sind vorbei“
Zwischen 1993 und 2000 dominierte Pete Sampras mit seinem Serve-and-Volley-Spiel Wimbledon. Im tennis MAGAZIN-Interview spricht er über seine Ära, modernes Tennis, eigene Ambitionen als Oldie, den Niedergang des US-Tennis und Pokerabende
Ein Treffen mit Pete Sampras in Stuttgart. Gestern flog der Amerikaner zum Showkampf gegen Carlos Moya aus L.A. ein, übernachtete im malerischen Waldhotel. Heute, am Tag seines Matches, steht er etwas Jetlag-geplagt (was man ihm überhaupt nicht ansieht) in der Porsche Arena. Eine halbe Stunde Gespräch ist mit dem früheren Superstar verabredet. „That face looks familiar“, ruft er dem Reporter grinsend zu. Kein schlechter Einstieg für ein Interview mit dem Mann, der vor Roger Federer als der größte Spieler aller Zeiten galt.
Pete, wie würden Sie sich mit Ihrem Spiel von damals heute schlagen?
Ich glaube ganz gut. Ich würde Serve-and-Volley spielen, obwohl sich heute alle an der Grundlinie aufhalten. Ich würde angreifen. Die Courts sind immer noch ziemlich schnell. Die Technologie würde mir helfen. Die größeren Schläger würden auch mein Serve-and-Volley unterstützen. Zu meinen Glanzzeiten war es schwer, mich zu breaken. Aber: Jede Generation wird besser, in jeder Dekade wird besser gespielt. Wenn Sie die Frage Laver, Borg oder Lendl stellen, würden alle das gleiche antworten. So wie ich jetzt: In Bestform fühlte ich mich unschlagbar.
Heute scheint die Regel zu gelten, wer ans Netz geht, hat einen Nachteil. Weil das Spiel von der Grundlinie zu schnell geworden ist. Weil besser passiert wird. Glauben Sie das auch?
Nein, aber wenn man Serve-and-Volley spielen will, muss man sich am Netz wohlfühlen. Das geht nur, wenn man schon in jungen Jahren so gespielt hat. Heute trainieren die Junioren das Grundlinienspiel, also bleiben sie auch auf der Tour an der Linie kleben. Ich habe schon mit 14 Jahren Serve-and-Volley gespielt. Ich war daran gewöhnt. Heute habe ich das Gefühl, wenn die Jungs ans Netz gehen, haben sie Angst. Sie fühlen sich nicht wohl. Meine Generation – Becker, Edberg – hat intuitiv gespielt. Sie haben das Netz gespürt. Aber das passiert nicht über Nacht. Man kann nicht einfach Roger oder einem anderen Spieler sagen: Stürm ans Netz. Heute sehen die Junioren Roger, Rafa und Novak. Die spielen alle von der Grundlinie. Sie kennen nichts anderes. Ich sah McEnroe, Edberg, Becker. Sie haben mich inspiriert. Für mich ist das Spiel heute immer noch interessant. Es macht Spaß zuzuschauen. Aber ich vermisse die Gegensätze.
Kann Edberg Federer helfen, mehr Serve-and-Volley zu spielen?
Eher nicht. Er wird ihm das auch nicht beizubringen versuchen. Er wird ihm sagen, probiere verschiedene Sachen aus. Edberg wird Federers Spiel nicht ändern, nur etwas tunen. Ihn mental unterstützen. Edberg ist ein sehr smarter Typ. Ihn ins Team zu holen, war ein großartiger Schachzug. Er wird ihm sagen: Geh ab und zu ans Netz, mix dein Spiel etwas. Ansonsten spielt Federer wie immer. Er fühlt sich wohl an der Grundlinie.
Welchen Einfluss hat Federers neuer Schläger?
Es ist doch so: Man vertraut jahrelang auf sein Racket und denkt, wenn ich tausche, verliere ich mein Selbstvertrauen. Federer hat diese Hürde gemeistert. Er fühlt sich wohl mit dem neuen Racket. Es hilft ihm. Es gibt ihm etwas mehr Power bei der hohen Rückhand, wo er Probleme hatte. Es war eine gute Entscheidung. Und: Der größere Schlägerkopf hilft auch am Netz, weil die neuen Saiten das Tempo drosseln können. Man kann den Ball besser kontrollieren. Zu meiner Zeit war ein kleinerer Rahmen besser für das Netzspiel.
Sie haben als Junior von der beidhändigen zur einhändigen Rückhand gewechselt. Heute sagen die Experten, die beidhändige ist der einhändigen Rückhand überlegen.
Die beidhändige Rückhand ist konstanter. Man returniert besser, man passiert besser. Roger ist ein großartiger Einhänder, aber er ist nicht so solide wie Nadal oder Djokovic. Andererseits kann er den Slice einsetzen, er kann mit ihm ans Netz vorrücken. Das ist ein Vorteil. Aber: So wie heute gespielt wird, ist die beidhändige Rückhand wohl der bessere Schlag. Zu meiner Zeit war die einhändige Rückhand für einen Angreifer besser.
Sie spielen heute Oldie-Turniere. Wie zufrieden sind Sie noch mit Ihrem Spiel?
Es ist okay. Ich bin 42. Das Schwierigste ist die Beinarbeit. Ich treffe die Bälle immer noch großartig. Ich serviere immer noch ziemlich gut, nahe an meiner Bestmarke von früher. Aber es fehlt die Matchpraxis. Ich trainiere nicht besonders viel. Zwei Wochen vor einem Showkampf schlage ich acht-, neunmal Bälle, damit mein Körper in Gang kommt. Als ich zuletzt in Stuttgart spielte, habe ich erst vier Tage vorher erfahren, dass auf Sand gespielt wird. Ich dachte, wir spielen auf Hartplatz.
Sand war nie Ihr Lieblingsbelag. Wie sehr schmerzt es, dass Sie nie in Paris siegten?
Am Ende meiner Karriere hat es mich schon genervt. Die Bedingungen dort waren schwierig für mich. Aber es war vor allem eine mentale Sache. Ich habe mir dort immer enormen Druck gemacht. Wimbledon oder die US Open waren für mich wie gemacht. Ich ging auf den Platz und fühlte mich leicht. In Paris war ich blockiert und das konnte man an meinen Resultaten sehen.
Es gibt Leute, die behaupten, dass sich die Plätze heute in Paris schneller spielen als in Wimbledon.
Das habe ich auch gehört, aber ich glaube es nicht. In Paris kann es sehr heiß und trocken sein. Dann springen die Bälle hoch ab. Es ist mehr Tempo im Spiel. In Wimbledon springen die Bälle flach ab. Sie werden schwer, wenn es feucht ist. Das Spiel wird langsamer. Aber mein Gefühl sagt mir: Wimbledon ist trotzdem schneller als Paris. Man kann Serve-and-Volley spielen. Der Aufschlag ist viel entscheidender und es ist viel schwieriger, den Gegner zu breaken.
Haben Sie von den Plänen der Verbände gehört, Tennis wieder schneller zu machen?
Nein, aber egal, was man ändern würde, um das Spiel schneller zu machen – Bodenbeläge, Bälle, Schläger – , es würde nichts daran ändern, dass die Spieler weiter von der Grundlinie spielen. Die Ballwechsel wären kürzer – mehr aber auch nicht. Mich würde es freuen, wenn sich der Spielstil verändert. Aber Federer, Nadal oder Djokovic spielen von hinten.
Werden wir Serve-and-Volley in Zukunft wieder sehen?
Nein, Die Zeiten von Serve-and-Volley sind vorbei. Ich würde niemals sagen, dass es für immer verschwunden ist, aber die Junioren kopieren die Spitzenspieler. Und die Generationen danach orientieren sich an den künftigen Stars, die auch so spielen werden.
Wer wird Federer & Co. folgen?
Vielleicht Grigor Dimitrov. Er ist ein exzellenter Spieler, der jeden Schlag beherrscht. Wenn er etwas konstanter wird, etwas mehr an Muskelmasse zunimmt, kann er Majors gewinnen. In der Art, wie er die Bälle trifft, ist er einer der Besten, die ich je gesehen habe. Er ist sehr jung, ehrgeizig. Er muss lernen, wie man Matches gewinnt. Ich hoffe, er wird Ende des Jahres zu den besten Acht gehören. Aber Federer zu ersetzen, ist unmöglich. Ich sehe auch niemand anders in der Generation Dimitrov, dem ich den Sprung nach oben zutraue.
Es sind keine Amerikaner in Sicht. Ryan Harrison galt als Supertalent.
Nein, das ist eine andere Liga. Er und Sam Querrey – das sind gute Spieler. Aber wir Amerikaner wurden überholt vom Rest der Welt.
Warum ist das so?
Ich habe keine Ahnung. Die anderen sind besser geworden – durch das Internet, weltweites TV. Es wird Tennis in Ländern gespielt, in denen vor zehn, fünfzehn Jahren kein Mensch Bälle geschlagen hat. In einem Land wie Serbien wäre Novak Djokovic vielleicht ein Fußballstar geworden, aber plötzlich wurde Tennis populär. Ich glaube, dass wir Amerikaner meilenweit zurückliegen und ich weiß keine Antwort darauf.
Haben Sie darüber nachgedacht, sich im US-Tennis zu engagieren?
Mich hat noch nie jemand gefragt.
Sie machen Witze.
Nein, wirklich. Vielleicht haben meine Landsleute Angst vor mir. Wenn das Telefon nicht klingelt, weiß ich, dass es der amerikanische Verband ist (lacht).
Wären Sie denn grundsätzlich bereit zu helfen?
Ich weiß es nicht. Ich reise nicht mehr gern. Ich habe das 15 Jahre lang gemacht – Jetlags, Flughäfen, Hotels. Als Coach oder Berater auf die Tour zurückzukehren, wäre nichts für mich. Vier, fünf Tage zu verreisen, wäre okay. Ich kann mir vorstellen, in L.A. Junioren zu unterstützen. Dafür bin ich offen.
Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?
Ich versuche, in Form zu bleiben. Ich gehe ins Gym und ich spiele ein bisschen Golf (Handicap 3; Anm. d. Red.), ein bisschen Basketball mit Freunden. Und ich habe Pokern für mich entdeckt. Dann spiele ich zehn, elf Tennismatches im Jahr. Vor allem verbringe ich viel Zeit mit meiner Familie.
Sie sind auch Teil der neuen Showkampf-Serie am Ende des Jahres in Asien.
Ja, man hat mich gefragt mitzuspielen. Ich habe noch keinen Vertrag unterschrieben. Aber wir reden gerade über Städte, Termine. Es sieht so aus, als ob es klappt. Ich finde die Idee interessant, viele Topspieler zusammenzubringen. Es ist gut für das Tennis. Ich muss zwar ein wenig reisen, aber nur über einen kurzen Zeitraum.
Vermissen Sie Ihre Profizeit?
Ja und nein. Ich vermisse das Gefühl, auf dem Platz zu stehen, Siege zu feiern. Aber ich bin froh, dass es den Stress, den Druck, die hohen Erwartungen nicht mehr gibt. Tennis ist hart. Man ist alleine da draußen. Ich bin froh, dass ich jetzt in meinem eigenen Bett schlafe.
Fielen Sie nach Ihrer Karriere in das berühmte Loch?
Ein bisschen. Das Problem war nicht, nicht mehr im Rampenlicht zu stehen. Ich war froh, wenn ich meine Ruhe hatte. Das Problem war, dass der Tag keine Struktur mehr hatte. Ich habe viel Golf gespielt, ich nahm zu. Ich habe mich nach zwei, drei Jahren ohne Tennis gelangweilt: Aufstehen, Frühstück, eine Runde Golf, mittags eine Pizza. Ich brauchte eine Herausforderung. Also habe ich die Tage besser strukturiert. Ich habe trainiert, bin physisch wieder stärker geworden. Ich wollte auch ein guter Ehemann und Vater sein, was Zeit braucht.
Was halten Sie davon, dass sich so viele Spieler eine Legende als Coach geholt haben?
Verrückt, oder? Aber ich finde es gut. Die Spieler respektieren die Champions. Und sie haben eine Menge zu erzählen. Sie geben ihre Erfahrung weiter. Die große Frage für mich war, ob die Oldies Lust hatten zu reisen. Aber Stefan und Boris mögen das offensichtlich.
Boris Becker scheint Novak Djokovic kein Glück zu bringen. Wenn er dabei ist, verliert Djokovic, wenn er nicht dabei ist, gewinnt er.
Ich glaube nicht an einen Zusammenhang. Djokovic ist ein guter Spieler, egal wer ihn coacht. Und Boris ist ein smarter Mann. Und Novak akzeptiert ihn. Er wird ihm auf Dauer helfen. Meine Beziehung zu Boris war immer von gegenseitigem Respekt geprägt. Er war immer sehr freundlich zu mir.
Beim ATP-Finale 1996 in Hannover schlugen Sie Becker in fünf Sätzen. Viele halten es für eines der besten Matches überhaupt. Sie auch?
Absolut. Das war einer der Top 8-Momente in meiner Karriere. Die Zuschauer, die Arena, die Qualität des Matches – das war unglaublich. Es war nicht Wimbledon, es war kein Grand Slam-Turnier, aber vom Stellenwert für mich sehr nah dran. Boris und ich haben später nie darüber gesprochen, aber wir wussten, was es uns bedeutet hat.
Wie für Becker war auch für Sie Wimbledon das Wohnzimmer. Wie hart war die Niederlage 2001 gegen Roger Federer?
Sehr hart. Damals war es nur ein Tennismatch. Aus heutiger Sicht war es das Ende einer Ära – für mich war Schluss in Wimbledon, Federers Zeit begann. Ein Jahr später verlor ich gegen George Bastl in der zweiten Runde. Das war der Tiefpunkt, mein schlechtester Grand Slam-Auftritt.
Sind Sie sauer, dass Federer viele Ihrer Rekorde gebrochen hat?
Wenn man einen Rekord aufstellt, will man, dass er für immer Bestand hat. Ich würde lügen, wenn ich etwas anderes behaupten würde. Aber ich kann nichts dagegen tun. Und es hilft, dass ich Roger bewundere. Wir mögen uns. Wir sind immer noch in Kontakt. Das macht es etwas leichter.
Haben Sie je das perfekte Match gespielt?
Ja. Mein sechster Wimbledon-Sieg 1999 gegen Andre Agassi. Besser konnte ich nicht spielen. Das war nahe an der Perfektion.Air Jordan 1 Outlet Store | cheapest air jordan 1 colorways