DTB-Boss Dietloff von Arnim: „Die letzten 18 Monate waren eine Erfolgsgeschichte”
Olympisches Gold, Davis Cup-Halbfinale, steigende Mitgliederzahlen: DTB-Präsident Dietloff von Arnim blickt im tennis MAGAZIN-Interview positiv auf das letzte Jahr zurück.
Herr von Arnim, Philipp Kohlschreiber hat in Melbourne gesagt: „Es kommt extrem wenig nach. Man müsste einfach mal kritisch hinterfragen, warum das so ist.“ Er sprach über den deutschen Nachwuchs. Frage an den Präsidenten des Deutschen Tennis Bundes: Warum ist das so?
Fangen wir doch mal mit einer positiven Nachricht an. Wir haben im Dezember letzten Jahres sogar ohne Alexander Zverev das Davis Cup-Halbfinale erreicht. Jetzt zu ihrer Frage: Zunächst einmal ist die Nachwuchsförderung eine unserer Hauptaufgaben, jedoch eine langfristige. Wir werden den Status quo nicht so schnell ändern können. Im Augenblick hinterfragen wir die Lage, die wir vorgefunden haben, als wir vor einem Jahr im Präsidium angefangen haben.
Zu welcher Erkenntnis kommen Sie?
Man kann sich zum Beispiel die Frage stellen: Können wir überhaupt einen Tennisspieler ausbilden, wenn wir kein digitales Schulformat haben? Heute dürfen unsere Kinder und Jugendlichen fünf Tage schulfrei haben und dann sollen sie später à la Bencic und Zverev Olympiagold gewinnen. Die beiden waren aber schon 2014 auf der Tennis Europe Rangliste die Nummer eins. Ja, wie soll man das denn schaffen mit unserem Schulsystem?
Um die Eingangsfrage zu beantworten: Es liegt am Schulsystem.
Auch, denn es fängt mit der Schule an. Wir müssen uns über digitale Schulformen unterhalten. Das hängt mit einem guten Förderkonzept zusammen.
Die Generation um Angelique Kerber tritt langsam ab oder hat schon aufgehört. Hat man verpasst, Weichen zu stellen?
Vor zwei Jahren wurde uns im Bundesausschuss berichtet, dass bei den Deutschen Meisterschaften in Biberach vier Mädchen sind, die alle talentiert und auf einem guten Weg seien. Den Sprung nach ganz oben haben sie bislang nicht geschafft. Unser Anspruch als mitgliedstärkster Tennisverband der Welt muss es sein, dass wir immer im Billie Jean King Cup und im Davis Cup in der ersten Liga spielen.
In der aktuellen Struktur gibt es vier Leistungszentren. Ist das der richtige Weg? Boris Becker beispielsweise forderte früher nur eine Eliteschmiede für herausragende Talente.
Das werden wir sicherlich hinterfragen. Es ist wichtig, dass genug Spieler vor Ort sind, die sich gegenseitig antreiben. Wir werden uns auch die Konzepte von unseren Trainern anhören. Wann starten wir eigentlich mit der Förderung? Fangen wir bei den Neunjährigen an, mit zwölf oder mit 17? Ist das zu spät? Wir müssen alles auf den Prüfstand stellen und wir müssen auch die Talente begleiten, die mit 13 in die Ferrero-Akademie oder zu Bollettieri gehen. Auch ein Alexander Zverev ist ja nicht nur in unserer Förderung gewesen. Aber trotzdem waren wir immer im Gespräch und haben ihn – wo immer möglich – unterstützt.
In Melbourne erreichte keine deutsche Spielerin die zweite Runde. War das ein Warnschuss?
Ich drehe die Frage mal um. Das Grand Slam-Turnier davor, die US Open, war ein großer Erfolg. Da waren drei deutsche Spieler unter den letzten 16.
Die Rede war von den Damen und da sieht es aktuell nicht gut aus.
Da haben Sie vollkommen Recht und es kann sein, dass es beim nächsten Grand Slam-Turnier in Paris ähnlich aussieht. Das wollen wir verbessern. Gerade bei den Nachwuchsspielerinnen unter 20 kommen Talente nach.
Wie hilfreich ist die gegenwärtige Turnierlandschaft mit neuen Damenturnieren in Bad Homburg, Berlin und Hamburg?
Das ist total positiv. Es zeigt, dass der Tennismarkt in Deutschland funktioniert. Hinzukommt, dass Wildcards für unsere Talente wichtig sind. Wir müssen dafür sorgen, dass junge Spielerinnen und Spieler ihre Erfahrungen sammeln, um einen Unterbau zu schaffen. Unser Appell vom DTB: Gebt die Wildcards in Deutschland an deutsche Talente.
Strebt der DTB ein 1000er-Turnier an?
Der DTB oder Tennis-Deutschland muss ein 1000er-Turnier anstreben. Aktuell gibt es diese Lizenz nicht, aber wenn sich eine Tür öffnet, sollten wir uns damit intensiv auseinandersetzen.
Bei den Herren haben Sie Nicola Kuhn verpflichtet. Er hat als Junior für Deutschland gespielt, dann für Spanien, jetzt wieder für Deutschland. Der DTB hat offensichtlich Geld bezahlt, um ihn zurückzugewinnen.Wir haben Gespräche mit ihm geführt und er spielt jetzt wieder für Deutschland. Daraufhin haben wir uns geeinigt und dazu gehört auch die Förderung, die ihm zusteht. Wir versuchen, unsere Fördermittel optimal zu verteilen. Wir bekommen Unterstützung vom DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund; d. Red.) beziehungsweise vom BMI (Bundesministerium des Innern; d. Red.). Ich glaube, die Politik sieht sehr wohl, was wir im Tennis alles auf die Beine stellen und dass wir noch unglaublich viel Potenzial haben. Olympisches Gold, Davis-Cup-Halbfinale, steigende Mitgliederzahlen: Tennis ist in den letzten 18 Monaten eine Erfolgsgeschichte gewesen.
Sie sprechen den Mitgliederzuwachs an, den es jahrelang nicht gegeben hat. Hat Tennis von Corona profitiert?
Das meinen Sie jetzt nicht ernst. Die Tennisplätze waren im Lockdown geschlossen. Es war ein ständiges Hin und Her. In Niedersachsen machten die Hallen wieder auf, in Hamburg zu, in Nordrhein-Westfalen wieder auf.
Aber als es möglich war zu spielen, haben sich offenbar viele Deutsche überlegt, mit einer kontaktlosen Sportart wie Tennis anzufangen.
Ja, irgendwann konnten sie zwischendurch Tennis spielen. Dann konnten sie aber auch wieder Golf spielen und auch andere Sportarten betreiben.
Wie erklären Sie sich dann die Aufwärtsentwicklung?
Der Sport ist und bleibt faszinierend. Das ist meine feste Überzeugung. Da wird in den Vereinen tolle Arbeit geleistet und wer sich um seine Mitglieder bemüht, wird belohnt. Wir sind in allen Landesverbänden gewachsen, auch dort, wo in der Achtfeld-Halle nur auf einem Platz gespielt werden konnte. Wir sind nicht wegen Corona gewachsen, wir sind trotz Corona gewachsen. Es spricht übrigens noch etwas für Tennis als ideale Sportart.
Verraten Sie es uns.
Es gibt wenig Länder, in denen Tennis die Sportart Nummer zwei oder drei ist. Das ist bei uns der Fall. Für Kinder und Jugendliche ist es der einzige ehrliche Gender-Sport. Diese Botschaft müssen wir nach draußen tragen. Welche Sportarten werden von ähnlich vielen Mädchen wie Jungs betrieben? Tennis passt für beide Geschlechter perfekt, in jeder Altersklasse.
Der DTB hat sich das Thema Leistungsklassen auf die Fahnen geschrieben. An der Basis gibt es Unmut. Das System bevorzuge Vielspieler heißt es und Niederlagen werden nicht bestraft. Was entgegnen Sie den Kritikern?
Ich bin heilfroh, dass wir ein gut funktionierendes LK-System haben, das auch international anerkannt ist. Wir haben einen eigenen Ausschuss, der sich mit der Optimierung dieses Systems permanent beschäftigt.
Und dennoch ist die Kritik groß.
Es ist sicher die Aufgabe vom DTB, das System immer weiter zu entwickeln. Man kann über Maluspunkte reden. Man kann hinterfragen, ob es richtig ist, dass ich mit LK 7,8 gegen meinen Neffen, der LK 12 hat, 0:6, 0:6 verliere. Er spielt Herren, ich Herren 60. Viel wichtiger ist, dass wir, unabhängig von den Medenspielen, in der digitalisierten Welt ankommen sind. Wenn ich aus Düsseldorf nach Hamburg reise und über eine App einen gleichstarken Partner suche und ein Match buche, dann muss das System funktionieren. Das ist auch wichtig, um junge Leute beim Tennis zu halten. Oder ich nenne Ihnen ein anderes Beispiel, damit unser Sport attraktiv bleibt.
Gerne.
Wir haben großen Erfolg mit unseren Medenspielen. Aber warum denken wir nicht mehr über zusätzliche Formate nach? Beispielsweise eine Art World Team Cup mit vier Spielern pro Team, zwei Einzel, ein Doppel. Freitag um 18 Uhr ist Anpfiff auf drei Plätzen. Um 20:30 Uhr gibt es Schnitzel und dann bin ich nach vier Stunden wieder zuhause.
Und es gibt keinen Stress mit der Familie, weil man sonst den ganzen Samstag oder Sonntag unterwegs ist.
Genau. Und warum soll man nicht auch mit einem Spieler aus einem anderen Verein antreten? Das geht nicht mit unserer Wettspielordnung, heißt es dann. Wir sind mit Regeländerungen oft langsam und unflexibel. Oder nehmen sie Padel. Das kann jeder spielen. Das ist perfekt als Ergänzung für das Vereinsleben. Es wächst in Deutschland langsam, aber das Potenzial ist groß.
Sie sind angetreten, den Verband professioneller aufzustellen. Wo geht die Reise für den DTB hin?
Wir haben gesagt, dass wir die Führung des Verbandes in professionellere Hände geben wollen. Das haben wir mit den beiden Geschäftsführern Peter Mayer und Simon Papendorf getan. Der zweite Schritt ist, die Struktur zu ändern, mit einem Präsidium, das einem Aufsichtsrat gleicht. Entsprechend muss auch die Haftung geändert werden. Sie liegt dann beim Vorstand, also den Geschäftsführern. Ich glaube, dass das der richtige Weg ist. Andere Verbände, wie etwa der Handballbund oder der Deutsche Fußball Bund, haben diese Struktur schon längst. Und drittens wollen wir mit unserem Digitalkonzept die Weichen für eine noch erfolgreichere Zukunft des Tennissports stellen.
Der DTB in Zahlen
1.382.824 Mitglieder
233.411 Mitglieder in der stärksten Altersgruppe
(Herren 41-60 Jahre)
17 Landesverbände
Die größten sind Bayern (BTV), Württemberg (WTB) und Niedersachsen/Bremen (TNB)
8.794 Vereine
45.857 Außen- und Hallenplätze
4 Leistungszentren
(Oberhaching, Stuttgart-Stammheim, Kamen, Hannover)air jordan 1 factory outlet | nike sb dunk sizing and fit guide