Markus Günthardt über das WTA-Turnier in Berlin: „Ein Event ist wie ein Kunstwerk“
Markus Günthardt wird mit seiner Agentur Perfect Match das WTA-Turnier in Berlin übernehmen. Im Interview mit tennis MAGAZIN spricht der 66-jährige Schweizer über seine Pläne.
Das WTA-Turnier in Berlin bekommt einen neuen Ausrichter. Nach dem Rückzug der emotion Group wird nächstes Jahr die Agentur Perfect Match das Rasenturnier veranstalten. Die Agentur richtet bereits die Damenturniere in Stuttgart und Bad Homburg aus. Agentur-Chef Markus Günthardt, der seit 2005 Turnierdirektor beim Porsche Tennis Grand Prix ist, spricht im Interview mit tennis MAGAZIN über die Pläne in Berlin sowie die Philosophie bei der Ausrichtung von Turnieren.
Herr Günthardt, Sie veranstalten mit Ihrer Agentur Perfect Match die WTA-Turniere in Stuttgart und Bad Homburg. Es heißt, dass Sie ab 2025 auch das WTA-Turnier in Berlin ausrichten werden. Stimmt das?
Ja, das kann ich bestätigen. Die Entscheidung ist sehr kurzfristig gefallen. Der All England Club in Wimbledon ist nach dem Rückzug der emotion Group als Turnierveranstalter direkt auf uns zugekommen, ob wir bereit wären, im nächsten Jahr Berlin zu übernehmen. Das ist eine Riesenauszeichnung für uns. Wimbledon hat signalisiert, dass sie sehr glücklich sind, mit dem, was wir in Bad Homburg auf die Beine stellen.
Können Sie schon etwas zu Ihren Plänen für Berlin sagen?
Unsere Vorgehensweise mit unserer Agentur ist immer die gleiche. Wir haben Experten in jedem Bereich. In dieser frühen Phase sind zwei Experten für mich am wichtigsten: der Architekt und der Catering-Fachmann. Wir werden uns das Setting in Berlin ganz genau anschauen und beginnen, Ideen auszutauschen, wie die Anlage und das gesamte Produkt, das wir anbieten möchten, aussehen kann. In diesen Prozess werden wir auch den LTTC Rot-Weiß einbeziehen, denn es ist uns wichtig, dass der Club und seine Mitglieder voll hinter dem Turnier stehen und sich im Turnier dann auch wiederfinden. Was bereits definiert ist, ist die Hauptbühne: die Courts für die Spielerinnen. Der Rest ist deine eigene Kreation.
Wie sieht Ihre Philosophie aus?
Was wir erreichen wollen, ist ein qualitativ hochwertiges Produkt. Es geht um Entertainment und um das Turniererlebnis. Alle Gruppen, die zum Turnier kommen, müssen ein positives Erlebnis haben: die Spielerinnen, die Zuschauer, die Medien, die Sponsoren, die VIPs. Was wir erreichen wollen, ist, dass, wenn die Türen sich öffnen, die Leute bereits darauf warten, dass sich die Tür öffnet und erst dann nach Hause gehen, wenn alles vorbei ist – und das nächste Mal mit Familie und Freunden wiederkommen. Das, was derzeit in Stuttgart beim Porsche Tennis Grand Prix und in Bad Homburg sehr gut funktioniert, kann man nicht eins zu eins auf Berlin übertragen. Wir müssen auch die Stadt Berlin verstehen, wie diese tickt. In Bad Homburg findet das Turnier mitten in der Stadt statt. In Berlin ist es außerhalb im Grunewald. Den Stadtberliner müssen wir so locken, dass er kommen möchte. Wenn er dann kommt, muss das Produkt stimmen, damit er auch wiederkommt. Das Ziel muss immer das gleiche sein – unabhängig davon, ob es eine Stadt mit 55.000 Einwohnern wie Bad Homburg ist oder ein Millionenmetropole wie Berlin.
Was zeichnet ein gutes Event aus?
Für mich ist ein Event wie ein Kunstwerk, das aus Mosaiksteinen zusammengesetzt ist. Jeder Mosaikstein muss am richtigen Platz sein, erst dann ist das Kunstwerk fertig. Man kann ein Tennisturnier organisieren oder ein Event. Ein Tennisturnier kann man in zwei, drei Monaten organisieren. Aber das Event ist eine Kreation. Man will den Zuschauern etwas bieten, unabhängig von den Spielerinnen, die auf dem Platz stehen. Es geht um Spitzentennis und das Gesamterlebnis. In Berlin steht das sportliche Produkt mit dem stets guten Teilnehmerinnenfeld. Die Zutaten sind alle da. Wir müssen diese richtig mischen, damit das Gesamtprodukt für Berlin stimmig ist, dass in einigen Jahren das Turnier in Berlin gar nicht mehr wegzudenken ist und man in dieser Woche unbedingt zum LTTC Rot-Weiß gehen muss.
Welche Vorzüge hat das Turnier in Berlin?
Die Woche in Berlin ist mit die beste im Turnierkalender. Die Spielerinnen wollen mindestens ein Turnier auf Rasen vor Wimbledon bestreiten. Berlin liegt in der mittleren der drei Rasenwochen ideal. Die Spielerinnen können sich nach den French Open ausruhen, dann die ersten Trainingseinheiten auf Rasen absolvieren, das Turnier in Berlin spielen und dann frühzeitig nach Wimbledon reisen, um sich vorzubereiten. Wenn es für die Spielerinnen in Berlin nicht so gut läuft, bietet sich Bad Homburg als weiteres Vorbereitungsturnier an. Wir haben wegen der Kurzfristigkeit noch nicht die Zeit gehabt, in die Analyse zu gehen, da wir den vollen Fokus auf die Veranstaltung in Bad Homburg gelegt haben. Wir werden natürlich intensiv mit dem LTTC Rot-Weiß Berlin sprechen, was die letzten Jahre funktioniert hat und was nicht funktioniert hat. Die Basis ist da, auf der wir aufbauen können. Es ist aber noch viel Luft nach oben.
Mit Berlin und Bad Homburg werden Sie mit Ihrer Agentur innerhalb von zwei Wochen zwei WTA-Turniere ausrichten. Ist das ein Problem?
Ja und nein. Wir können nicht das Interior von Berlin dann auch in Bad Homburg verwenden. Ob man auf den gleichen Caterer zurückgreifen kann, ist auch fraglich. Unser Team in Bad Homburg könnte sich durch die Überschneidungen nicht zusätzlich komplett um das Turnier in Berlin kümmern. Wir müssen auf jeden Fall ein Team für Berlin vor Ort in der Stadt aufbauen, auch um Präsenz in der Stadt zu zeigen. Es bieten sich durch die direkt hintereinander stattfindenden Turniere plus unserer langjährigen Ausrichtung des Porsche Tennis Grand Prix Synergieeffekte, die wir nutzen können, vor allem im Hinblick auf Partner und Sponsoren.
Die emotion Group hat sich über die fehlende finanzielle Unterstützung der Stadt Berlin beklagt. Wie sehen Sie das?
Es ist nicht so, dass jede Stadt in Deutschland große Sportevents locker finanzieren kann. Ich denke, es ist nicht gut, wenn man öffentlich die Stadt anprangert. Das hilft nicht, um Türen zu öffnen. Es herrscht nicht mehr die Zeit von Steffi Graf und Boris Becker. Das war eine völlig andere Welt. Damals gingen sofort alle Türen auf. Es gab es auch nicht die große Konkurrenz wie heute auf dem Sportsektor mit den vielen Mannschaften wie Hertha BSC, Union Berlin, Alba Berlin oder Eisbären Berlin. Man muss realistisch bleiben. In Bad Homburg haben wir große Unterstützung seitens der Stadt. Es ist aber nicht der Fall, dass dann auch viel Geld an uns fließt. Wir werden natürlich den Kontakt zur Stadt Berlin suchen, wenn unsere Gesamtstrategie steht.
Ist ein Engagement von Steffi Graf, nach der das Stadion in Berlin benannt ist, denkbar? Ihr Bruder Heinz war jahrelang der Trainer von Steffi.
Das ist schwer zu sagen. Steffi lebt seit vielen Jahren in Las Vegas und ist ohnehin sehr zurückhaltend bei PR-Aktionen. Vielleicht sollte man sich von der Vergangenheit lösen und über das Heute und Morgen nachdenken, was zu Berlin gut passt. Nur den Namen Steffi Graf zu nutzen, bringt nicht viel.
Welche Rolle spielt Wimbledon generell bei den deutschen Rasenturnieren?
Die Lizenz in Bad Homburg gehört Wimbledon. Wir sind der lokale Veranstalter und im Auftrag von Wimbledon tätig. In Berlin ist es etwas anders. Die Lizenz gehört der Agentur Octagon, die sie an Wimbledon „vermietet“ hat. Wimbledon indes hatte die letzten Jahre die emotion Group mit der Turnierausrichtung beauftragt, nun werden wir von der Agentur Perfect Match das für Berlin übernehmen. Wimbledon ist sehr bemüht, den Spielerinnen die ideale Vorbereitung zu gewährleisten und ist beim Bau der Rasenplätze behilflich, um die gleichen Spielverhältnisse zu bieten. Außerdem nimmt Wimbledon viel Einfluss auf die Rasenturniere, weil Rasentennis zwingend auch mit der Marke Wimbledon verbunden ist.
Deutschland ist nach Großbritannien die große Rasennation. Es gibt vier gut besuchte deutsche Rasenturniere, dazu waren die Deutschen in der Historie meist sehr erfolgreich auf Rasen. Was macht für Sie die Faszination Rasentennis aus?
Wimbledon ist, zumindest aus der europäischen Sicht, das prestigeträchtigste Turnier. Als ich Kind war, war Wimbledon das Turnier, was man unbedingt sehen musste. Ich hatte die Ehre, mit 16 Jahren bei den Junioren in Wimbledon zu spielen. Es war damals nicht einfach, dafür schulfrei zu bekommen. Ich hatte bis dato noch nie einen Rasenplatz gesehen. Die Deutschen sind immer sehr erfolgreich auf Rasen. Aber wie viele Rasenplätze gibt es überhaupt in Deutschland? Nur ganz wenige. Diese Knappheit macht es auch so besonders. Wenn sich die Turnieranlage im Park wie hier in Bad Homburg befindet, dazu die Sonne scheint, dann sind Rasenplätze ein spezielles Ambiente. Es vermittelt sofort etwas Edles.