Patrick Mouratoglou im Interview: „Ich zerstöre keine Träume, ich unterstütze sie”
Über die Jahre hat er sich einen Namen in der Szene gemacht, jetzt kommt man an Patrick Mouratoglou nicht mehr vorbei. Der Trainer von Serena Williams ist ein angesagter Experte und betreibt die größte Tennis-Akademie in Europa. Ein Gespräch über seinen Aufstieg als Coach, den Zustand von Serena Williams und die goldene Ära im Herrentennis.
Ein stilisiertes „M“ prangt in Schwarz an der hellen Steinwand neben dem wuchtigen Eingangstor. Den Teppich des lichtdurchfluteten Foyers ziert es ebenso wie die vielen Tennisbälle in einer Glasvitrine. Die freundliche Dame am Empfang, hinter der auf einem Flatscreen das „M“ regelmäßig aufpoppt, trägt ein „M“-Shirt und eine „M“-Uhr. „M“ steht für Mouratoglou, Patrick Mouratoglou, der hier, 15 Autominuten von Nizza entfernt, die größte Tennis-Akademie Europas mit 33 Courts und 170 Vollzeit-Schülern betreibt – die „Mouratoglou Tennis Academy“. Mouratoglou ist seit 2012 Coach von Serena Williams. Doch der umtriebige Franzose ist noch mehr: Autor, TV-Experte, Geschäftsmann. Im VIP-Raum der Akademie, der prominenten Profis wie Novak Djokovic oder Andy Murray vorbehalten ist, die hier gerne einen Trainingsblock einlegen, bittet er zum Gespräch. Mouratoglou, durchtrainiert und hellwach, erscheint in weißen Shorts und weißem T-Shirt, auf dem sein Name mit dem charakteristischen „M“ steht.
Herr Mouratoglou, wir sitzen hier inmitten Ihres hochmodernen Leistungszentrums. Ist das Ihr wahr gewordener Lebenstraum?
Nein, eigentlich nicht. Als Kind träumte ich davon, Tennisprofi zu werden. Aber das hat nicht funktioniert, ich war nicht gut genug. Danach träumte ich davon, Spieler im Profitennis nach ganz oben zu führen, sie besser zu machen. Das hat schon besser geklappt (lacht).
Wie fing Ihre Karriere als Trainer an?
Bescheiden. 1996, als ich 26 Jahre alt war, mietete ich zwei Courts in Paris. Danach ging es Schritt für Schritt. Mehr Spieler, mehr Courts, dann kaufte ich meine erste Anlage. Aber ich träumte nicht davon, eines Tages eine so große Akademie zu besitzen.
Warum hatten Sie als Coach so durchschlagenden Erfolg?
Meine Philosophie lautete immer: Jeder Spieler braucht seine eigene Methode, mit der ich als Coach dessen Potenzial voll ausschöpfen kann. Ich muss den Spieler verstehen, damit er besser wird. Das war in den 90er-Jahren ein neuer Ansatz. Damals war es eher so, dass Akademien und Coaches ihr System hatten, in das die Profis reingezwängt wurden. Entweder man überlebt das – oder man stirbt. Man braucht aber individuelle Lösungen.
Die sehr zeitintensiv sein können.
Richtig, aber es ist der bessere Weg. Ein gleiches System für alle Spieler ist mörderisch, weil man viele Spieler dadurch zerstört.
Wie haben Sie es als unbekannter Coach geschafft, dass Ihr Ansatz bekannt wurde?
Sie haben Recht, ich war damals ein Nobody. Ich brauchte also gute und in der Szene schon etwas bekanntere Spieler, die ich über den damals sehr erfolgreichen Trainer Bob Brett bekam. Er ging mit mir einen Deal ein. Ich bezahlte ihn dafür, dass er mit seinen Spielern 50 Tage im Jahr bei mir in Paris trainierte. So kamen anfangs Marcos Baghdatis, Ivo Karlovic, Mario Ancic, Sergiy Stakhovsky, Gilles Muller, Hicham Arazi, Mandy Minella und Pauline Parmentier regelmäßig zu mir. So ging das fünf, sechs Jahre lang.
Damals war Ihre Gruppe überschaubar, jetzt trainieren bei Ihnen 170 Kinder. Wie gehen Sie damit um, dass Sie nun nicht mehr jeden Spieler in all seinen Facetten kennenlernen können?
Indem ich meinen Ansatz über meine Coaches vervielfältige. Sie werden so ausgebildet, dass sie auf dem Court bei der Arbeit mit den Spielern so denken wie ich. Sie tragen meine Philosophie in sich. Genauso verhält es sich mit Fitnesstrainern, dem medizinischen Personal und den Schullehrern der Akademie.
Was haben die Lehrer damit zu tun?
Schauen Sie: Die meisten unserer Kinder gehen hier vormittags zur Schule und erhalten im Anschluss ein erstklassiges, hochprofessionelles Tennis- und Athletiktraining. Mein Anspruch ist es, dass dieser hohe Standard auch in der Schule gilt. Das heißt: kleine Klassen, individuelle Betreuung.
Wie viele Mitarbeiter haben Sie?
Wenn man das Hotel der Akademie hinzuzählt, dann arbeiten hier etwa 150 Menschen. Je nach Jahreszeit haben wir zwischen 35 und 50 Coaches im Einsatz. Das sind viele, aber nur so können wir Qualität garantieren.
Die durchaus ihren Preis hat. Etwa 60.000 Euro kostet ein Jahr in Ihrer Akademie.
Das ist sehr viel Geld für eine Familie. Dessen bin ich mir bewusst. Wir sind aber nicht teurer als unsere Mitbewerber und wenn es sich Eltern leisten können, ihr Kind zu mir zu schicken, dann ist es für sie der Himmel auf Erden. Ich jedenfalls hätte als Zwölfjähriger davon geträumt, an einem Ort wie diesem hier leben zu können. Für jemanden, der Tennis liebt, ist das hier das Paradies.
Wer kann bei Ihnen trainieren?
Wir sind offen für alle Tennisspieler – egal, wie alt, wie gut oder wie schlecht sie sind. Klar, die Vollzeit-Programme richten sich an Kinder und Jugendliche, aber während unserer Camp-Wochen kann hier jeder auf der Anlage trainieren. Und mit etwas Glück spielt dann auf dem Nebenplatz Serena Williams, Novak Djokovic oder Andy Murray.
Wollen Sie noch größer werden?
Im Moment bauen wir hier neue Familien-Apartments. Wir haben registriert, dass mehr Familien für ein oder zwei Wochen zu uns kommen möchten. Die Kinder trainieren vormittags, die Eltern können sich die Côte d‘Azur anschauen, nachmittags trifft man sich wieder. Oder die Eltern trainieren neben den Kindern. Für einen aktiven Familien-Urlaub bieten wir hier alles.
Stimmt es, dass Sie bald eine Dependance in Kuwait eröffnen werden?
Das ist richtig, wahrscheinlich Ende 2019.
Wie groß ist das Projekt?
Sehr groß (schmunzelt). Allein der Centre Court wird 5.000 Sitzplätze haben. Derzeit sind zusätzlich 16 Plätze geplant, acht draußen, acht in der Halle. Die Anlage ist im größten Einkaufszentrum der Region integriert.
Warum gerade Kuwait?
Die arabische Halbinsel ist der Tennismarkt der Zukunft. Außerdem ist es nach Asien und Europa nicht so weit.
Als Tennis-Coach stehen Sie im engen Kontakt zu den Eltern Ihrer Schüler. Wie bauen Sie zu ihnen ein gutes Verhältnis auf?
Durch Verständnis und Demut. Als Coach darf man gegenüber den Eltern nie den Eindruck erwecken, dass man sowieso alles besser weiß. Man muss bei null anfangen, mit einem leeren Blatt Papier. Die Eltern kennen ihr Kind viel besser als ich. Das gilt es zu akzeptieren. Also: zuhören, Informationen sammeln und dann gemeinsam einen Weg für das Kind finden. Es gibt Eltern, die investieren alles in ihr Kind. Ein Sieg oder eine Niederlage bedeutet ihnen extrem viel. Dadurch ist ihr Stresslevel äußerst hoch und sie verhalten sich unter Umständen nicht mehr normal. Als Coach muss ich dafür ein Einfühlungsvermögen entwickeln, das den Eltern signalisiert: Ich verstehe euch, ich helfe euch. Man muss ihnen das Gefühl geben, dass ihr Kind an einem sicheren Ort ist. Dann werden auch die Eltern gelassener und bauen Vertrauen auf. Natürlich ist das schwierig. Aber ein gutes Verhältnis zu den Eltern ist ein fundamental wichtiger Baustein, um mit dem Kind richtig arbeiten zu können.
Wie bringen Sie es Eltern bei, dass es für ihren Sohn oder ihre Tochter nicht für das Top-Level reicht?
Ich zerstöre keine Träume, ich unterstütze sie. Es gibt viele Beispiele im globalen Tennis, bei denen Prognosen oder Erwartungen nicht eintrafen. Ich habe früher auch als Manager im Tennisbusiness gearbeitet und kümmerte mich um Caroline Wozniacki. Als sie 14 Jahre alt war, wollte keine Marke ihr einen Ausrüstervertrag anbieten. Einige Jahre später war sie die Nummer eins der Welt. Ich sehe es so: Wenn die Eltern an ihr Kind glauben und es unterstützen, wo sie nur können, dann ist das fantastisch. Es kann alles passieren. Lasst es uns ausprobieren. Was ich aber vermeide, sind Versprechungen. Ich werde nie sagen, dass dieses oder jenes Kind Top Ten-Potenzial hat. Mir geht es darum, dass die Kinder bei uns lernen, alles für ihren Traum zu geben, auch wenn es am Ende nicht klappen sollte.
Sie haben selbst vier Kinder, drei von ihnen sind schon älter. Wie behandeln Sie mit ihnen das Thema Tennis?
Es ist für sie nicht so einfach durch meine Rolle, die ich im Tennis habe. Mein Sohn spielt hobbymäßig, meine älteste Tochter war richtig gut, spielt nun aber nur noch zum Spaß. Und meine zweitälteste Tochter mag Tennis nicht. Das ist in Ordnung. Mir ist es wichtig, dass ich mit meinen Kindern zumindest teilweise meine größte Leidenschaft teilen kann. Falls Sie selbst Kinder haben, wissen Sie, was ich meine.
Meine zwei Söhne sind im Fußballfieber.
Und Sie mögen auch Fußball?
Nicht so sehr, schon eher Tennis.
Mmh, naja, immerhin treiben Ihre Kinder Sport (aufmunterndes Zunicken).
Wir müssen über Serena Williams reden. Haben Sie mitbekommen, wie Ion Tiriac neulich über Serena in der deutschen Presse gesprochen hat?
Nein. Was hat er gesagt?
Er gab in der Sport-Bild ein Interview und sagte: „36 Jahre alt, 90 Kilo – bei den Damen wünsche ich mir etwas anderes.“
(längere Pause) Grundsätzlich ist Serena für eine Spitzenathletin schon etwas älter, aber das ist egal, weil sie – genauso wie Roger Federer mit 36 Jahren – großartiges Tennis spielen kann. Das sollte Ion Tiriac respektieren. Und als junge Mutter hat man leichtes Übergewicht, das ist normal. Aber: Serena hat sich seit ihrem Comeback in Indian Wells und Miami enorm gesteigert. Sie ist jetzt viel fitter. Sie wollte dort unbedingt antreten, um wieder ein Gespür für den Wettkampf zu bekommen. Für ein richtiges Comeback war es noch etwas zu früh.
Jetzt gibt sie ihr Grand Slam-Comeback ausgerechnet in Paris, wo vor sechs Jahren die Zusammenarbeit mit Ihnen begann.
Die French Open 2012 waren eine Zäsur für Serena. Sie verlor zum ersten Mal in ihrer Karriere ein Erstrundenmatch bei einem Grand Slam-Turnier, war am Boden zerstört und landete dann bei mir. Sie war damals davon überzeugt, nie wieder in Paris gewinnen zu können. Siege bei allen anderen Grand Slam-Turnieren traute sie sich ohne Weiteres zu, aber Paris? Nie wieder! Ich sagte ihr: „Du wirst noch einmal in Paris gewinnen, ganz sicher.“
Ein Jahr später triumphierte Serena bei den French Open.
Exakt. Sie trat 2013 bei vier Sandplatzturnieren an und verlor kein einziges Match: 23 Siege, null Niederlagen.
Wie haben Sie das hinbekommen?
Ich habe sie davon überzeugt, dass sie auf Sand alles erreichen kann – genauso wie auf den anderen Belägen. 2013 hörte ich es von allen Seiten: Oh, Serena auf Sand, das wird nichts mehr! Wartet ab, war meine Antwort. Und dann hat es Serena allen gezeigt, unser „Sand-Plan“ ging auf.
Haben Sie für 2018 auch wieder einen „Sand-Plan“ für Serena im Kopf?
(lacht) In diesem Jahr geht es weniger um den Sand. Es geht in erster Linie darum, dass sie wieder ihre alte Form findet. Sie ist dazu im Stande, aber es dauert länger als gewöhnlich. Sie ist Mutter geworden und hatte danach einige gesundheitliche Komplikationen. Aber sie ist dazu in der Lage, uns alle noch einmal zu überraschen.
Wer Serena spielen sieht, erhält den Eindruck, dass ihre Leistungen eng mit ihrer Eigenmotivation verknüpft sind. Wenn sie wirklich will, dann ist sie nicht zu stoppen.
Ich weiß, dass Außenstehende oft diesen Eindruck von Serena bekommen. Und natürlich ist ihre eigene Motivation ein wichtiger Schlüssel für ihre Erfolge. Was man aber nicht vergessen darf: Sie muss auch bereit sein für große Triumphe. Sie muss spielerisch, mental und körperlich topfit sein.
Wie schafft sie das?
Vor allem durch Disziplin und Härte gegenüber sich selbst. Serena ist seit 20 Jahren auf Tour, das ist unglaublich. Sie hat alles gewonnen, alles. Dennoch arbeitet sie an sich, ist oft unzufrieden mit sich und will besser werden. Das unterscheidet einen großen Champion wie sie von anderen guten Spielerinnen.
Sie haben mal gesagt, dass Sie einen Profi, den Sie so intensiv betreuen wie Serena Williams, zu 100 Prozent kennen müssten, inklusive all seiner privaten Probleme. Kennt also niemand Serena so gut wie Sie?
Nein, höchstens noch ihr Ehemann (lacht).
Hat Serena noch nie gesagt, dass sie genug vom Tennis hat?
Nein. Ich erzähle Ihnen eine typische Geschichte von ihr. Wir sprachen vorhin über die French Open 2013. Nachdem sie dort gewann – übrigens elf Jahre nach ihrem letzten Paris-Titel –, ging ich mit ihr nach der Siegerehrung zum Ausdehnen. Dann sagte sie zu mir: „So, jetzt müssen wir in Wimbledon gewinnen!“ Sie wollte danach auch nicht mehr mit dem Team feiern, sie war gedanklich längst in Wimbledon. So tickt Serena: Turniersieg eingetütet, was kommt als Nächstes? So eine Einstellung kann man sich nicht aneignen, das ist in ihr drin.
Sie muss ständig Top-Leistungen abliefern. Ist das nicht eine riesengroße Bürde für sie?
Im Gegenteil: Sie braucht das. Das Rampenlicht, die Kulissen, die Aufmerksamkeit – das spornt sie an. Solange sie sich sicher ist, dass sie die großen Matches gewinnt, braucht sie diese Bühne. Das ist ihr Platz, sie ist der Champion. Es ist schwierig, diesen Platz einfach einer anderen Spielerin zu überlassen, wenn man Serena Williams heißt.
Das klingt, als würde sie ewig weiterspielen.
Es gibt da noch einen Rekord, den sie gerne brechen will.
Also bis zum 25. Grand Slam-Titel? Dann wäre sie die alleinige Rekordhalterin.
25 ist eine gute Zahl (lacht laut).
Was kommt nach Serena?
Ich denke, die WTA-Tour zerbricht sich genau darüber gerade den Kopf.
Weil kein nächster Superstar in Sicht ist?
Man kann keinen Superstar kreieren. Entweder man ist es oder man ist es nicht. Sicherlich gibt es viele gute Spielerinnen, auch hier in der Akademie. Aber ob eine von ihnen tatsächlich das Zeug zum Superstar hat? Das ist schwer einzuschätzen. Welche Spielerin hat denn für Sie echtes Superstar-Potenzial?
Mmh, am ehesten Naomi Osaka.
Keine schlechte Wahl. Feststeht, dass sie in Asien ein Superstar wird.
Sie trainieren das US-Girl Cori Gauff, ein Riesentalent. Was trauen Sie ihr zu?
Keine Frage, ihr Potenzial ist sehr hoch. Cori hat 2017 mit 13 Jahren das Juniorinnen-
Finale der US Open erreicht – als jüngste Spielerin überhaupt. Aber ich will die Erwartungen nicht zu hoch schrauben.
Auf der WTA-Tour gab es 2017 fünf unterschiedliche Spielerinnen, die auf Platz eins im Ranking standen. Ist das gut oder schlecht für das Damentennis?
Ich glaube, es schadet dem Damentennis. Die Fans brauchen Leuchttürme, zu denen sie aufschauen können. Kaum jemand weiß, wer gerade die Nummer eins ist. Es fehlt die Kontinuität, die Verlässlichkeit. Aber danach sehnen sich die Zuschauer.
Es soll aber auch Fans geben, die sich über diese Abwechslung freuen.
Mag sein, aber die breite Masse will Superstars sehen und große Rivalitäten erleben.
Was erleben wir derzeit im Herrentennis?
Es ist die beste Phase der Tennis-Historie! Rafa, Roger, Novak, Andy – es ist Wahnsinn, diese Spieler in einer Ära zu sehen.
Wie erklären Sie sich das Sensations-Comeback von Federer 2017?
Es kam nicht aus heiterem Himmel. Roger fing schon lange vor seiner Verletzungspause damit an, sein Spiel umzustellen, weil er gemerkt hat, dass es auf lange Sicht gegen die superfitten und jungen Spieler schwer für ihn werden würde. Seine einzige Option: die Ballwechsel verkürzen. Also arbeitete er an seinem Flugballspiel, an seinen Angriffsschlägen und auch daran, den Ball so früh wie möglich zu nehmen.
Und er wechselte den Schläger.
Genau. Zu einem, der besser zu seinem neuen Spiel passte. Roger brauchte drei Jahre für diese Umstellung. Als er dann nach der Verletzung wiederkam, dachten viele, er hätte sich von heute auf morgen neu erfunden. Blödsinn! Er hatte einen Langzeitplan. Deswegen ist er wieder so gut geworden.
Warum ist Rafa auf Sand eigentlich nicht zu bezwingen?
Wenn er im Flow ist, dann ist er auf Sand unspielbar. Er ist dann unschlagbar. Rafa hat auf jeden Schlag eine Antwort. Es gibt für die Gegner keine Lösung, um dagegen anzukommen. Die einzige Chance, die sich bietet, ist zu Beginn der Sandplatzsaison. Wenn er noch nicht wie im Rausch spielt. Aber wenn der Zug in Monte Carlo erstmal ins Rollen kommt, dann ist er bis Paris nicht mehr aufzuhalten. Dann rauscht er einfach so durch.
Über Novak Djokovic sagten Sie neulich, dass er seine Denkweise verloren hätte. Was genau meinen Sie damit?
Er ist nicht mehr der gleiche Spieler wie früher. Er verhält sich anders. Es sieht so aus, als würde es ihm nicht mehr viel ausmachen, dass er nun so oft gegen viel schlechtere Gegner verliert. Das passt nicht zu dem Novak von früher, der ein unglaublicher Kämpfer war und sich gegen jede Niederlage mit allem stemmte, was er hatte. Er muss diese alte Mentalität zurückerlangen.
Würden Sie gerne Alexander Zverev coachen?
Im Moment ist das keine Option für mich, aber vielleicht in einigen Jahren. Er ist auf jeden Fall ein superinteressanter Spieler. Sehr ehrgeizig, sehr jung noch, großartige Schläge.
Sehen Sie in ihm dieses gewisse Superstar-Potenzial?
Ja, er ist ein bisschen extrem, das gefällt mir. So müssen Champions sein.
Es gefällt Ihnen, dass er regelmäßig seine Schläger zertrümmert?
Ich ermutigte niemanden dazu, seine Schläger zu zerstören. Aber: So etwas gehört zum echten Leben dazu. Nicht jeder kann sich ständig gut benehmen. Ich finde, dass Charaktere wie Alex das Tennis bereichern. Es muss etwas auf dem Platz passieren – und damit meine ich nicht nur tolle Ballwechsel oder Zauberschläge. Es müssen Emotionen ins Spiel. Dann zieht Tennis nicht nur Tennisfans, sondern auch Sportfans an.
Ist Ihnen das Profitennis zu glatt poliert?
Natürlich. Um neue Zuschauergruppen zu erreichen, müssten viel mehr Spaßelemente ins Spiel implementiert werden. Tennis ist eine komplizierte Sportart. Also müssen wir dafür sorgen, dass wir die Zugänge zu diesem wunderbaren Sport vereinfachen.
Hilft in dem Zusammenhang eine Reform des Davis Cups?
Der Davis Cup braucht eine Reform, so viel ist sicher. Als Frankreich 2017 den Davis Cup gewann, stand dem Team bis zum Finale nicht ein einziger gegnerischer Spieler aus den Top 40 gegenüber. Im Endspiel war bei den Belgiern dann David Goffin dabei – der einzige Top 10-Profi des gesamten Jahres. Das sagt alles über den Zustand dieses Wettbewerbs aus.
Ist das ein Plädoyer für die geplante Radikalreform des Weltverbands ITF?
Nein. Ich bin gegen einen neutralen Austragungsort – und das will ja die ITF. Mein Wunsch wäre es, dass die charakteristischen Heim- und Auswärtsspiele erhalten bleiben.
Was schlagen Sie also vor?
Den Davis Cup so belassen wie er ist, er sollte aber nur noch alle vier Jahre ausgetragen werden – wie die Olympischen Spiele. Wenn er so selten stattfindet, werden auch wieder die Topspieler an den Start gehen.
Hat die ITF-Reform reelle Chancen bei der Mitgliederabstimmung im August?
Ich befürchte schon. Es sind zwar viele Spieler dagegen, gerade in Frankreich. Aber das wird nicht viel helfen.
Warum nicht?
Der französische Verbandspräsident Bernard Giudicelli unterstützt die ITF-Pläne. Giudicelli ist auch gleichzeitig Vorsitzender des Davis Cup-Komitees. Es ist schon etwas absurd: In Frankreich funktioniert der Davis Cup, aber der Präsident will ihn komplett umkrempeln. Und Giudicelli ist es letztlich, der Frankreichs Stimme abgibt.
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