BB&T Atlanta Open – Day 2

Sergiy Stakhovsky: „Politik ist ein schmutziges Geschäft ohne jede Moral“

Der ukrainische Profi über die Unruhen in seiner Heimat und Vitali Klitschko.

 

Herr Stakhovsky, wie schwer ist es, den Fokus auf den Sport zu richten, während Ihre Heimat in einer schweren Krise steckt?
Es ist verdammt schwer, sich auf das Tennisspielen zu konzentrieren. In den letzten Monaten habe ich ständig Fernsehen geschaut und die Lage mit meinem Handy gecheckt. Inzwischen versuche ich, etwas Distanz aufzubauen, weil mich die Situation ansonsten zu sehr beunruhigt. Ich kann so wenig für mein Land tun. Das einzige, was ich machen kann: Mein Land so gut wie möglich repräsentieren und der Welt zeigen, dass die Ukraine ein eigener Staat ist, der respektiert werden muss. Leider wird es das von Russland nicht.

Wie hat die Situation Ihre Ergebnisse auf der Tour in diesem Jahr beeinflusst?
Ich habe zu viel Zeit im Internet verbracht und zu oft daran gedacht, dass Menschen in meiner Heimat sterben. Das hat mich natürlich abgelenkt. Die letzten drei, vier Monate liefen sportlich nicht ­besonders gut für mich.

Haben Sie darüber nachgedacht, eine Pause einzulegen und in die Ukraine zurück­­zukehren?
Das ist eine schwere Frage. Es wäre gar nicht so einfach möglich. Meine Frau – sie ist übrigens Russin – hat vor kurzem unser Kind geboren, sie leben in Budapest. Eines ist klar: Wenn endgültig ein Krieg ausbricht, werde ich auf jeden Fall in die Ukraine fahren und meine Familie dort rausholen, meine Eltern, meine Großmutter.

Wie gehen Ihre Familie und Ihre Freunde zuhause mit der Situation um?
In Kiew und den meisten anderen Regionen in der Ukraine bekommt man wenig davon mit. Man spürt nichts von einer gefährlichen Lage. Sie waren natürlich dabei, als die Revolution in Kiew ausbrach, aber inzwischen wird dort wieder ein normales Leben geführt. Die Krise konzentriert sich vor allem auf die Region um Donezk, im Osten des Landes. Der Rest bleibt ziemlich unberührt.

Ist es ein Problem für Sie, dass Ihre Frau Russin ist?
Nein, wir haben uns darauf geeinigt, dass wir keine politischen Themen diskutieren. Wir haben zwar verschiedene Ansichten, aber wenn es politisch wird, sagen wir: Lass uns das Thema wechseln.

Und die russischen Kollegen auf der Tour? Sie sind ziemlich gut mit Mikhail Youzhny befreundet …
Die meisten Profis interessieren sich nicht für Politik. Viele wissen gar nicht, was in meiner Heimat passiert. Man kann sie nicht fragen, ob sie Putin gut oder schlecht finden, weil sie sich wenig um ihn kümmern.

Was ist Ihr Wunsch für die Ukraine?
Es geht nicht darum, das Beste für die Ukraine zu bekommen, sondern das Schlimmste zu verhindern. Mein Wunsch ist, dass ein paar junge Leute unsere Regierung bilden. Ich hoffe, dass die korrupten Politiker, die seit Jahren an der Macht sind, endgültig verschwinden.

Wie bewerten Sie das politische Engagement von Vitali Klitschko?
Er ist eines dieser neuen Gesichter mit guten Vorstellungen für die Ukraine. Aber er hat ein großes Problem: die Sprache. Ich glaube, er kann sich auf Deutsch besser ausdrücken als auf ukrainisch. Er hat eine gute Moral, eine gute Familie im Hintergrund, er verfolgt die richtigen Prinzipien. Aber als Politiker muss man sich vernünftig artikulieren können. Ich glaube nicht, dass er das noch lernen wird in den nächsten Jahren.

Können Sie sich nach Ihrer Tenniskarriere einen Wechsel in die Politik vorstellen?
Auf keinen Fall. Politik ist ein schmutziges Geschäft ohne jede Moral. Und ich bin ein ehrlicher Typ. Wenn mir etwas nicht passt, dann sage ich es auch. Deshalb ist es für mich unmöglich, mich in der Politik zu engagieren.

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