Sharapova im Interview: „Die körperliche Härte auf der Tour kann man nicht simulieren“
Ab Dienstag schlägt Maria Sharapova beim Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart auf. Auf tennismagazin.de spricht sie über ihre Zeit nach der Dopingsperre, die Anstrengungen für ihren Körper, ihre Ziele, ihren Blick auf die Fans, ihr Buch „Unstoppable“, die Erfolge der Vergangenheit, die ewige Rivalin Serena Williams und vieles mehr – 18.000 Zeichen Sharapova ungefiltert. Lesen Sie heute den ersten von drei Teilen.
Frau Sharapova, was sind Ihre Ziele für 2018?
Ziele liegen immer weit in der Zukunft. Klar habe ich Ziele und Ambitionen, weil ich im Laufe meiner 16-jährigen Karriere viele Erfahrungen gemacht habe und weiß, was ich schon erreicht habe. Aber so simpel es klingt: Ich will das meiste aus dem machen, was ich derzeit abrufen kann.
Was würde das Jahr 2018 zu einem guten Jahr für Sie machen?
Ich bin kein Zahlenfreak. Als ich aufgewachsen bin und Junioren- und ITF-Turniere gespielt habe, sagte ich nie zu mir selbst, dass ich die Nummer eins werden will oder die Top 5 erreichen muss. Du wirst besser und machst dich für das nächste Level bereit und dabei wächst du. Das war etwas, worauf mein Vater sehr viel Wert gelegt hat. So sehe ich auch mein Comeback. Ich bin jetzt seit einem Jahr wieder zurück und habe eine Menge gelernt. Dabei musste ich viele harte Matches spielen und hatte ein paar große persönliche Erfolge. Aber mein Körper zollt dem Tribut und ich hatte auch viele Verletzungen. Wenn man wegen einer Verletzung pausiert, erholt sich zwar der Körper, aber man verliert in anderen Bereichen. Es fehlt an Spielpraxis und Wettkampfhärte und der Rhythmus auf der Tour geht verloren. Es waren eine Menge Starts und Stopps. Aber das sind alles Erfahrungen, aus denen man lernen kann.
Haben Sie das Gefühl, dass Sie schon wieder richtig auf der Tour angekommen sind?
In einer gewissen Art ist es so, dass wenn du wieder auf der Tour bist, du gar nicht das Gefühl hast, dass du weg warst. Eine Menge Dinge wiederholen sich im Circuit und man muss sich immer die kleinen Dinge suchen, die noch wirklich aufregend sind. Das Leben auf der Tour ist manchmal hart und die ersten Tage sind immer am schwierigsten, weil ich Freunde und Familie verlassen musste. Manchmal muss ich mich daran erinnern, dass mein Leben noch nie normal gewesen ist und auch nie normal sein wird. Auf der Tour muss man die Dinge finden, die einen wirklich noch begeistern. Und was mich begeistert, sind die Spiele, in die ich mich hineinkämpfen muss. Aber auch die Spiele, in denen ich vorne bin und großartiges Tennis spiele. Das ist etwas, von dem ich denke, dass ich es nicht in vielen anderen Aspekten in meinem Leben finden werde und deshalb habe ich immer noch diese Leidenschaft.
Haben Sie erwartet, dass es einfacher wird zurückzukommen?
Ich hatte keine niedrigen oder hohen Erwartungen an mein Comeback. Ich wusste, dass es hart für meinen Körper wird, weil es nichts gibt, womit man die körperliche Härte des Sports simulieren kann. Aber um dafür bereit zu sein, braucht man Wiederholungen und Beständigkeit. Es war ein interessanter Weg. Ich hatte definitiv Momente, wo mein Spiel auf dem Level war, auf dem ich es haben wollte. Aber dann konnte ich das Niveau nicht halten oder mein Körper hat mich für das nächste Turnier im Stich gelassen.
Sie sind jetzt 31 Jahre alt. Ist Roger Federer eine Inspiration für Sie, wie man wieder zurück in die Weltspitze kommen kann?
Ich denke, er ist eine Inspiration in vielen Aspekten. Nicht nur für mich, sondern für viele Spieler. Ich denke aber, dass es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt. Für Frauen gibt es andere Erwartungen ans Leben und man möchte in seinem Alter andere Dinge in seinem Leben machen, wie zum Beispiel eine Familie gründen. Er war schon immer eine Inspiration für mich. Ich denke seine Professionalität und nicht bloß die Professionalität auf dem Court, sondern auch, wie er alle anderen Dinge im Leben angeht, ist inspirierend. Das ist das Wichtigste. Im Tennis geht es darum, den Ball zu treffen und einen Weg zu finden, den letzten Punkt zu machen. Aber es gibt viel mehr Verantwortlichkeiten, die man als Tennisprofi hat. Und Roger ist ein großartiges Vorbild.
Bei Ihrem Comeback vor einem Jahr sah es so aus, als ob Sie Ihren Aufschlag deutlich verbessert hätten. Haben Sie die Bewegung verändert?
Nach meiner Operation an der Schulter (2008) musste ich meinen Aufschlag verändern. Als ich ein Teenager war, war der Aufschlag noch eine richtige Waffe von mir. Einer der Gründe war, dass meine Schulter so beweglich war und ich einen guten Rhythmus hatte. Seit der Operation hatte der Aufschlag immer eine hohe Priorität im Training. Wir haben verschiedene Bewegungen ausprobiert und es gab eine Zeitperiode, wo ich eine Menge Probleme hatte. Mein Ballwurf war inkonstant, aber das habe ich mittlerweile im Griff. An meiner Geschwindigkeit, Genauigkeit und Konstanz beim Aufschlag versuche ich, noch weiter zu arbeiten.
Sind die regulären Auszeiten nach Saisonschluss zu kurz, um Dinge zu verbessern und an seinem Spiel zu arbeiten. Bieten Verletzungen dadurch manchmal auch eine Möglichkeit, gezielter an seinem Spiel arbeiten zu können?
Das weiß man nie richtig. Du kommst in eine solche Situation und dann kommt es darauf an, wie du mit dieser Situation umgehst und was dir wichtig ist. Ich habe definitiv in der Zeit, in der ich weg war, ein paar Dinge zu meinem Spiel hinzufügen können. Zum Beispiel gehe ich mittlerweile viel häufiger ans Netz, als ich das zu Beginn meiner Karriere getan habe. Das macht mein Spiel deutlich variablerer. Aber vor allem muss man in dieser Zeit auch immer an den Grundlagen arbeiten. Bei mir sind das vor allem die langen, aggressiven Grundschläge.
Glauben Sie, dass Sie heute möglicherweise sogar eine bessere Spielerin sind?
Ich denke, dass ich mich als Spielerin entwickelt habe. Ich möchte nicht sagen, dass ich besser oder schlechter wäre, weil man eine 30-Jährige nicht nicht mit einem Teenager vergleichen kann.
Sind sie eine bessere Spielerin im Vergleich zur Zeit vor der Pause?
Das ist schwer zu sagen. Ich gucke nicht zurück. Jedes Jahr ist anders. Man spielt gegen verschiedene Gegner. Im Tennis müssen so viele Dinge zusammenpassen. Häufig geht es nicht nur um dich, sondern auch um deinen Gegner. Was für einen Tag du hast und was für einen Tag deine Gegnerin hat. Manchmal ist alles, was du brauchst, auch nur ein bisschen Glück. Aber je härter du arbeitest, desto häufiger hast du auch das nötige Glück.
Ist es immer noch möglich für Sie, Grand Slam-Turniere zu gewinnen und wieder die Nummer eins zu werden?
Ich würde natürlich gerne noch einmal diese Erfahrung machen, weil ich weiß, wie es sich damals angefühlt hat. Ich hatte das Erlebnis, ein Major-Turnier zu gewinnen, jetzt schon fünf Mal in meinem Leben. Fünf Mal, das ist vielleicht keine riesige Anzahl an Grand Slam-Titeln. Aber wenn ich jetzt hier sitzen würde und mein Kind hätte fünf Grand Slams gewonnen, dann wäre ich darauf ziemlich stolz. Natürlich möchte ich dieses Gefühl noch einmal spüren. Ich möchte mich noch einmal in diese Situation bringen. Also muss ich arbeiten und einen Weg finden, wieder zu gewinnen. In der Vergangenheit war ich sehr erfolgreich, weil ich, egal, wie die Umstände waren, einen Weg gefunden habe. Du musst dich auch an schlechten Tagen durchbeißen. Auch für die Leute, die auf der Tribüne sitzen und dafür Geld bezahlt haben, dich spielen zu sehen.
Früher hieß die Nummer eins entweder Sharapova oder Williams. Jetzt wechselt es ständig und es gibt so viele Spieler, die kurzzeitig Nummer eins sind. Wie sehen Sie diese Situation?
Ich glaube, es gibt derzeit eine bessere Tiefe als früher. Vor allem in den ersten Runden eines Turniers sind die Gegnerinnen deutlich stärker. Aber natürlich gibt es dadurch auch viele Möglichkeiten. Das zeigt sich an den ständigen Veränderungen im Ranking. Manchmal fragt man sich, wer heute die Nummer eins ist und weiß es gar nicht, weil es sich so häufig ändert. Es kommt im Tennis auch viel auf Konstanz an. Wie geht man damit um, wenn man seinen ersten Grand Slam-Titel gewonnen hat? Wie lange dauert es, wieder dieses Niveau abrufen zu können? Es gibt ein Gefühl, nach dem ersten Sieg endlich dazuzugehören. Ich hatte dieses Gefühl. Aber jetzt, wo ich älter geworden bin, denke ich, dass es eine meiner größten Stärken war, konstant zu sein. Ich war sehr lange dauerhaft in den Top 5 oder Top 10. Man kann das nicht erklären, aber wenn du Titel gewinnst, gibt es eine Menge Dinge, die auf dich zukommen und man muss sich um viel mehr kümmern.
Das Interview wurde im Rahmen eines Round Table-Gesprächs in kleiner Runde am Rande des Turniers von Indian Wells geführt.
Mitarbeit: Sebastian Seidel
Lesen Sie morgen den zweiten Teil des Sharapova-Interviews, in dem die Russin über ihr Buch „Unbreakable“ und ihre Rivalität mit Serena Williams spricht.The Global Destination For Modern Luxury | cheapest jordan 1 lows