Tommy Haas: „Ich will mit Roger spielen”
Immer mehr Tennisstars entdecken Padel für sich. So auch Tommy Haas. Ein Gespräch über seine neue Leidenschaft und die Entwicklung in den USA.
Interview: Dietmar Gessner
Die Verabredung mit Tommy Haas (46) in Wien ist für 10 Uhr morgens angesetzt. Treffpunkt: Lobby des sehr stilvollen 5-Sterne-Luxushotels Rosewood Vienna, zwei Gehminuten vom weltberühmten Stephansdom entfernt. Überpünktlich um 9:54 Uhr tritt Tommy Haas, 2002 Nummer zwei der Weltrangliste, frohgelaunt aus dem Fahrstuhl. Er wirkt so austrainiert, als hätte er erst gestern den letzten seiner 15 Turniersiege auf der ATP-Tour errungen. Haas hat eine Tennistasche geschultert und trägt ein T-Shirt von Indian Wells. Beim dortigen Masters, den BNP Paribas Open, ist Haas seit 2016 Turnierdirektor. Freundlich bittet Haas einen Mitarbeiter des Hotels, den Wagen nach dem Gespräch vor dem Hotel bereitzustellen. Denn er fährt nach dem Termin mit tennis MAGAZIN direkt 200 Kilometer nach Graz, wo er seine 94-jährige Großmutter besuchen möchte. „Diese Zeit muss man sich einfach nehmen“, sagt Haas.
Herr Haas, Sie sind sehr viel unterwegs, in dieser Woche alleine auf Mallorca, in Stuttgart, Wien und Graz. Viel Zeit wenden Sie inzwischen auch für Padel auf, beruflich und privat. Warum?
Ich glaube an den Sport. Es macht unglaublich viel Spaß, Padel zu spielen. Zudem bin ich Franchise-Nehmer der San Diego Stingrays, das ist eines der sieben Gründungsteams der amerikanischen Profi-Padel-Liga, der „Pro Padel League“. Mir wurde das angeboten. Ich kenne die Leute, die das in die Wege geleitet haben, alle sind engagiert dabei, alle mit Herzblut. Wir positionieren uns damit auch ein wenig gegen Pickleball.
Pickleball boomt in den USA. Sie sind kein Fan davon?
Pickleball spiele ich gar nicht. Schon alleine der Sound, den mag ich nicht. Wenn ich gar keinen anderen Racketsport mehr betreiben könnte, dann würde ich immer noch eher Tischtennis als Pickleball spielen. Nicht, dass man mich falsch versteht. Pickleball ist richtig groß in den USA. Und es ist gut, dass Menschen das spielen. Bewegung ist immer gut. Ich denke, speziell für etwas Ältere kann das ein guter Einstieg in eine Rückschlagsportart sein. Aber aus rein sportlicher Sicht ist Padel schon auf einem anderen Level. Es hat auch im Fernsehen eine ganz andere Wirkung.
Sie sind Turnierdirektor des Masters in Indian Wells, auf der Anlage haben auch schon Pickleball-Meisterschaften stattgefunden. Ist es denkbar, Padel-Events in die Turnierwoche beim Masters zu integrieren?
Für mich war es ein Stich ins Herz, als Pickleball dort auf den Tennisplätzen gespielt wurde. Unser Turnier in Indian Wells soll aber ein reines Tennisturnier bleiben, das ist unsere Philosophie, die wird gut angenommen. Generell rückt Padel aber schon näher ran an Tennis, an Turniere und an Vereine. Ich lebe ja hauptsächlich in Los Angeles. Da kenne ich aus meinem Bekanntenkreis schon bestimmt 10 Leute, die sich privat einen Padelcourt angeschafft haben. Ich spiele ja seit meinem dritten oder vierten Jahr Tennis. Und ich möchte Tennis bis zu meinem letzten Lebensjahr spielen. Aber wenn ich mich auf einem bestimmten Niveau im Tennis messen möchte, dann ist das schwierig, die richtigen Gegner zu finden. Beim Padel geht das besser.
Ist das der Grund, dass immer mehr Tennisklubs auch Padelcourts installieren lassen?
Das ist die Zukunft, davon bin ich überzeugt. Ich bin involviert in den Ausbau des Surf- und Racquet-Clubs in Sarasota, Florida. Dort halte ich mich oft auf. Und dort soll die Anlage nun so um- und ausgebaut werden, dass sie als „one stop“ für vieles funktioniert.
So wie zum Beispiel auch die im Mallorca Country Club auf Mallorca. Da hatte sich einst Angelique Kerber auf ihren Wimbledon-Sieg 2018 vorbereitet.
Genau. Vor ein paar Tagen war ich noch dort. Da findet ein ATP-Turnier auf Rasen statt. Aber es gibt auch Sandplätze, Padelcourts, man kann gut essen, Fitness machen. Und, und, und. Kurzum: Man kann sich dort treffen, um vielen unterschiedlichen Aktivitäten nachzugehen, Freunde treffen, Spaß haben. Jürgen Klopp ist riesiger Padel-Fan und dort Mitglied. Dessen Sohn engagiert sich im Country Club beim Bau von Padel Courts. In Spanien generell ist Padel fast größer als Tennis. Rafael Nadal spielt Padel, Carlos Alcaraz auch. Aber auch Jannik Sinner, die Nummer eins der ATP-Weltrangliste, spielt manchmal Padel. Dadurch, dass so viele Top-Spieler auch im Padel aktiv sind, werden sich in Zukunft noch mehr Synergien ergeben.
Haben Sie bereits mit ihrem guten Freund Roger Federer Padel gespielt?
Roger spielt Padel, auch viel in Dubai, wo er wohnt. Wir haben schon darüber gesprochen, wollen mal spielen. In Dubai wird Padel ja eh auch immer größer, immer mehr erstklassige Hotels und Anlagen bieten es an. Ich engagiere mich auch in Deutschland für Padel, bin in das Projekt „Padel City“ involviert.
Ist Padel für Sie mehr Hobby oder Beruf?
Ach, ich lebe mein Leben ja schon so, wie ich es gerne habe. In Los Angeles, in Florida, im Sommer inzwischen auch viel in Bayern. Padel ist ein Teil davon. Es gibt da nicht den Druck. Ich trenne gar nicht so sehr Privates und Berufliches. Padel macht mir Freude. Ich kann mich verausgaben und fühle mich danach besser. Ich spiele ja auch manchmal Golf. Da habe ich hingegen das Gefühl, dass es mir danach eher schlechter als besser geht.
Wieso das?
Der Rücken, die Drehungen. Das sind für mich noch ungewohnte Bewegungen. Und ich kann mich da nicht so körperlich verausgaben, wie ich es eigentlich möchte.
Damit noch mal zum Tennis. Sie haben sich immer maximal verausgabt. Taten sich nach vielen Verletzungspausen selbst mit 39 Jahren schwer, ihre Karriere zu beenden. Dominic Thiem hat nun mit erst 31 Jahren aufgehört. Wie sehen Sie das?
Ich habe vermutlich so um die fünf Jahre durch Verletzungen verloren und wollte selbst mit schon 39 Jahren eigentlich nicht aufhören. So halb im Spaß habe ich Dominic ja gefragt: „Kann ich in deinem Kopf noch was drehen, dass du nicht aufhörst?“ Ich finde, er ist ein super Spieler gewesen mit einer tollen Karriere. Ich weiß noch, wie er bei mir in Indian Wells gewonnen hat. Gegen Roger Federer. Ich mochte auch immer seine einhändige Rückhand, die ja leider generell ausstirbt. Jeder muss sein Ding machen. Dominic wird es sich gut überlegt haben.
Thiem hat 2020 die US Open gewonnen. Gegen Alexander Zverev, dem ein solcher Grand Slam-Triumph noch fehlt. Daher zum Abschluss noch zu Alexander Zverev, mit dem Sie Einiges gemeinsam haben.
Was denn?
Auch Sie waren jahrelang Deutschlands Nummer eins, auch Sie waren Nummer zwei der Welt und haben dennoch nie ein Grand Slam-Turnier gewonnen. Das ist Zverevs großes Ziel, schafft er das noch?
Ich finde, man kann die Zeiten von Alexander und mir nicht vergleichen. Bei mir herrschten ganz andere Konditionen. Teilweise war es wie auf Eis.
Auf Eis?
Ja, die Bälle waren teilweise viel zu schnell. Das ist heute völlig anders. Die Böden sind langsamer, die Technologie hat sich enorm verändert. Und die Spieler haben eine ganz andere Athletik, Größe und Reichweite. Nein, man kann uns daher nicht vergleichen.
Wir versuchen es trotzdem noch mal. Sie haben 15 Turniere gewonnen und dabei gegen fünf Spieler Finals gewonnen, die mal Nummer eins der Welt waren oder wurden: Roger Federer, Novak Djokovic, Andy Roddick, Pete Sampras und Jim Courier. Zverev besiegte bei bisher 22 Turniererfolgen drei Weltranglisten-Erste – Roger Federer, Novak Djokovic und Daniil Medvedev. Ist das auch nicht vergleichbar?
Nein. Alexander Zverev hat als Spieler schon viel mehr erreicht als ich. Er ist eine große Hausnummer im Tennis, keine Frage. Er ist körperlich unmenschlich gut und mental enorm stark. Aber es gibt halt drei, vier Spieler auf der Welt, gegen die er verlieren kann, wenn alle ihr Top-Level spielen. Dabei ist Carlos Alcaraz schlechthin der Spieler, dem ich am liebsten zuschaue. Carlos hat das attraktivste Spiel im Moment. Manchmal verliert er nur, weil er zu viele Optionen hat.
Vita Tommy Haas
Der gebürtige Hamburger, 46, gewann 15 Einzeltitel auf der ATP-Tour, war die Nummer zwei der Welt und holte die Silbermedaille bei Olympia 2000 in Sydney. Mit elf Jahren zog er nach Florida, um in der Akademie von Nick Bollettieri zu trainieren. 2017 beendete er seine Karriere. Im gleichen Jahr übernahm er das Amt des Turnierdirektors beim Masters-1000-Turnier in Indian Wells. 2023 stieg er als Eigentümer der San Diego Stringways in der US-amerikanischen Pro Padel League ein. Haas lebt in Los Angeles.