Zverev-Doppelinterview: „Wir gewinnen beide“
Ein Doppelinterview mit den Zverev-Brüdern – es gibt unpassendere Momente für das Gespräch. Seit dem Melbourner Höhenflug des zehn Jahre älteren Mischas spielen die beiden fast auf Augenhöhe – zumindest was das Ranking angeht. Anfang März steht Alexander „Sascha“ Zverev auf Platz 20, Mischa auf Rang 30. tennis MAGAZIN trifft die „fabelhaften Zverev-Boys“, wie sie wegen ihrer erfolgreichen Auftritte bei den Australian Open genannt wurden, am Rande der Davis Cup-Erstrundenpartie gegen Belgien in Frankfurt.
Emotionale Unterstützung vom Bruder
Alexander, ohne Ihnen zu nahe zu treten, aber der Saisonstart Ihres Bruders war spektakulärer. Ist es okay, wenn wir mit ihm beginnen?
Alexander: Ja, gerne, wobei mir schon lange klar war, wie gut Mischa spielen kann.
Mischa, wie erklären Sie sich Ihre Leistungsexplosion? Vor einem Jahr standen Sie auf Platz 170 der Weltrangliste. Anfang März waren Sie besser als je zuvor – Rang 30.
Mischa: Seit meiner überstandenen Handgelenksverletzung habe ich relativ viel trainiert. Ich konnte endlich einmal wieder konzentriert arbeiten und war hochmotiviert. Mein Dank geht auch an Sascha, der mich emotional sehr unterstützt hat und auch auf dem Platz hart mit mir trainiert hat. „Du spielst gut“, hat er mir immer wieder eingetrichtert. Diese Phase hat ungefähr zwei Jahre gedauert. Ich hatte mir immer erhofft, dass es mit meiner Karriere weitergeht, aber sicher ist man sich da nicht. Im Herbst letzten Jahres fing es dann an, dass es auch auf den Turnieren richtig gut klappte. Ich habe versucht, einfach so weiterzumachen.
Mischa ist schwer auszurechnen
Was Ihnen mit dem Sieg gegen Andy Murray bei den Australian Open bestens gelungen ist. Sascha, wie haben Sie die Erfolge Ihres Bruders in Melbourne erlebt?
Alexander: Mir war klar, dass er gegen John Isner gewinnen kann und höchstwahrscheinlich auch Malek Jaziri schlagen wird. Ich wusste ja, was er in der Offseason geleistet hatte und wie hoch sein Level war. Wir haben fast jeden Tag gemeinsam trainiert. Das Match gegen Murray hat mich natürlich überrascht. Ich denke auch Mischa selbst.
Mischa: Nein, null (beide lachen).
Alexander: Ich habe ihm jedenfalls schon gesagt, als er weit von den Top 100 entfernt war: „Du spielst besser als einige Leute in den Top 50.“
Was können Sie im Training von ihm lernen?
Alexander: Mischa spielt ein anderes Spiel als die meisten. Also ist es schwerer, ihn auszurechnen. Ich werde nie so viel nach vorne gehen wie er, aber Volleys als Überraschungsmittel einzusetzen, gucke ich mir von ihm ab. Für die Zukunft wird es für mich wichtig sein, mehr Variationen im Portfolio zu haben. Ich könnte mir auch vorstellen, dass bald wieder mehr Profis Serve-and-Volley spielen.
Erfahrung ist extrem wichtig
Mischa, Sie rücken seit Ihren frühen Profijahren ständig ans Netz vor. Hat man Ihnen versucht das auszureden, als die Erfolge ausblieben?
Mischa: Viele haben mir gesagt, dass ich mit Serve-and-Volley keine Topleute schlagen kann. Aber ich bin relativ stur. Für mich ist wichtig: Ich muss mein Spiel selber mögen. Ich muss es genießen. Es gab Zeiten, in denen ich allgemein kein gutes Tennis gezeigt habe. Dann ist es egal, ob man von hinten spielt oder ans Netz geht. Beim Netzspiel ist die Einstellung entscheidend. Man muss richtig hart arbeiten. Erfahrung ist extrem wichtig. Man muss wissen, wie die Gegner in bestimmten Situationen passieren. Vielleicht hat es deshalb etwas länger gedauert, bis ich mit meiner Art von Tennis gegen die wirklich Guten bestehen konnte.
Experten behaupten, Sie spielen momentan das beste Serve-and-Volley überhaupt auf der Tour?
Mischa: So etwas freut mich sehr, obwohl ich nicht so gut aufschlage, wie andere Spieler, die häufig ans Netz gehen. Ich versuche das zu kompensieren durch meine Beinarbeit, meine Reaktionsschnelligkeit und die Erfahrung. Ich bin in der Lage zu lesen, wohin der Gegner passiert oder returniert.
Alexander: Das Beste war die Aussage von John McEnroe in seiner Sendung. „Mischa ist mein neuer Lieblingsspieler“, hat er gesagt.
Wenn von Zverev gesprochen wurde, ging es vor Melbourne in der Regel um Sie, Sascha. Viele reden von Ihnen als künftiger Nummer eins der Welt. War es schwierig, im Schatten von Mischa zu stehen?
Alexander: Überhaupt nicht. Wenn Mischa die French Open gewinnt, bin ich gerne ein oder zwei Jahre im Schatten (lacht). Wenn Mischa so spielt wie in Melbourne, habe ich damit kein Problem – im Gegenteil.
Mit Jugendlichen um die Welt gereist
Mischa, können Sie über Ihre Leidenszeit berichten? Es heißt, sie haben einen Pilotenschein gemacht und sind als Coach mit Talenten auf Tour gegangen. Wie war diese turnierlose Zeit?
Mischa: Den Pilotenschein habe ich schon 2012 gemacht, das ist eine Weile her. Vor zwei Jahren, als mein Arm im Gips war, dachte ich: Du kannst jetzt kein Tennis spielen, aber nur zu Hause auf der Couch liegen, ist langweilig. Tennis ist das einzige, was ich gut kann. Ich behaupte, ich verstehe das Spiel ganz gut. Es gab ein paar Jugendliche, die eigentlich von meinen Eltern trainiert wurden. Ich rief sie an und bot meine Hilfe an. Dann sind wir um die Welt gereist, waren in der Türkei. Im Mietwagen sind wir durch Südtexas gefahren. Zu dem Zeitpunkt habe ich gemerkt, wie sehr ich es vermisse, selber zu spielen. Ich habe mir geschworen, alles zu geben, um noch einmal dorthin zu kommen, wo ich schon war – in die Top 50.
Alexander: Es war die Zeit, als bei mir die guten Ergebnisse kamen. Und das hing auch mit Mischa zusammen, der mich auf Turniere begleitete. Wir waren in Hamburg, in Umag, in Kitzbühel. Mit der Familie zu reisen, ist viel angenehmer als alleine.
Mischa: Genau, du wurdest gut und ich dachte, jetzt kann ich mich entspannen (lacht). Jedenfalls machte es mir keinen Spaß mehr als Trainer zu zweitklassigen Turnieren zu tingeln. Ich wollte entweder mit Sascha reisen oder selber spielen.
Noch jede Menge Dinge zu verbessern
Wann haben Sie zum ersten Mal gedacht, dass Sascha richtig gut werden würde?
Mischa: Als er anfing zu gehen, so mit einem Jahr (lacht). Im Ernst: Ich habe nie gezweifelt, dass er es schaffen kann.
Sascha, knacken Sie 2017 die Top Ten?
Alexander: Ich habe meine Ziele, aber die bleiben im Team. Wenn du den Medien verrätst, ich will dieses Jahr in den Top 10 oder 15 beenden, erzeugt das nur Druck. Den habe ich auch so genug. Es gibt für mich immer noch jede Menge Dinge zu verbessern.
Wäre es schlimm, wenn Sie bei einem Turnier gegeneinander spielen müssten?
Alexander: Wenn es im Finale ist – kein Problem.
Mischa: Ab dem Viertelfinale wäre es okay. Momentan wäre es etwas Schönes, wenn man bei einem großen Turnier aufeinandertrifft. Es zeigt einem, dass man etwas erreicht hat. Tatsache ist: Einer von uns wird weiterkommen. Da können wir komplett entspannt sein.