Australian Open-Auslosung: „Früher war alles besser“!
Viertel für Viertel: Die Sandplatzgötter mit ihrem analytisch-sachlichen Blick auf die Australian Open-Auslosung.
Vorne weg: Mit Blick auf die Auslosungen bei den Australian Open sagen wir Sandplatzgötter etwas, was Menschen in unserem Alter eigentlich ständig behaupten: „Früher war alles besser!“ Nein, damit meinen wir nicht, dass früher deutschen Spielern niemals Top-10-Akteure zugelost wurden, sondern beziehen uns auf die Zeit vor 2001, als es nur 16 gesetzte Akteure in den Hauptfeldern der Grand-Slam-Turniere gab. Seit man die Zahl der in den ersten beiden Runden unter Artenschutz gestellten Profis verdoppelt hat, ist die Zahl der schon von der Papierform unter „Knaller-Duell“ einzuordnenden Matches an den ersten Turniertagen definitiv arg kleiner geworden. Aber: Wer suchet, der findet! Und so haben wir die Herren- und Damen-Konkurrenzen Viertel für Viertel unserem gewohnt analytisch-sachlichen Blick ausgesetzt.
Die Herren-Konkurrenz
Murrays Viertel: Federer nur der fünftbeste Profi
Nostalgiker (schon wieder sind wir beim Thema „früher war alles besser“) würden hier natürlich von Federers Viertel der Auslosung sprechen. Der ist aber aufgrund seiner langen Pause nur an 17 gesetzt und damit sogar aus Sicht der Rangliste nur der fünftbeste (!) Spieler nach Murray, Nishikori, Berdych und Pouille in diesem Abschnitt des Feldes. Er startet gegen den österreichischen Routinier Jürgen Melzer, der die Qualifikation überstanden hat und könnte sich in Richtung eines ersten Härtetests in der dritten Runde gegen Berdych spielen. Auch Mischa Zverev ist in diesem Viertel zu finden, er bekommt es mit Garcia-Lopez zu tun, bevor mit Isner in der nächsten Runde schon ein gesetzter Spieler zu erwarten ist. Auch wenn Pouille eine tolle Entwicklung hinter sich hat und wir bei Federer auch im Positiven überhaupt nichts ausschließen würden, spricht für uns vor Turnierbeginnn nicht viel dafür, dass das Viertelfinale hier weder mit Murray noch Nishikori bestückt sein wird.
Wawrinkas Viertel: Viel Hausmannskost mit einer Ausnahme – Nick Kyrgios
Wawrinka startet gegen Martin Klizan, der mit Platz 35 nominell einer der stärksten Spieler ist, die der Schweizer in Runde 1 vor die breite Brust bekommen konnte. Trotzdem: Auf seine drei Grand-Slam-Siege in den letzten 3 Jahren kann selbst der derzeitige Branchenführer aus Schottland nur neidvoll blicken. Er hat mit Marin Cilic einen anderen Spieler mit Grand-Slam-Titel in sein Viertel gelost bekommen, im Gegensatz zu „Stan the Man“ scheinen die Bedingungen in Melbourne den Kroaten aber in den letzten Jahren nicht gerade zu beflügeln – mehr als dritte Runden waren in den letzten fünf Jahren nicht drin. Ansonsten gibt es in diesem Viertel noch Tsonga und Sock und daneben viel spielerische Hausmannskost. Mit einer großen Ausnahme: Nick Kyrgios. Der muss aber auch erst ganze drei Runden heil überstehen, um ein möglicher Stolperstein für Wawrinka werden zu können.
Raonics Viertel: Heimat der deutschen Profis
So sehr man sich daran gewöhnen muss, wie schlecht Federer gesetzt ist, so sehr fremdeln wir immer noch damit, dass der Kanadier hier die Drei der Setzliste ist. Dabei hat er mit seiner Halbfinal-Teilnahme im letzten Jahr bewiesen, dass in Australien mit ihm auch bis weit in die zweite Woche hinein zu rechnen ist. Das alles macht ihn nicht gerade zu einem Traumlos für Dustin Brown in der ersten Runde. Trotzdem sieht der schon oben angesprochene Nostalgiker in uns diesen Teil des Draws als Heimat von Rafa Nadal (an 9 gesetzt). Die, genau wie die Heimat des Mallorquiners im echten Leben, auch von diversen Deutschen bevölkert wird: Kohlschreiber ist in diesem Viertel, Flo Mayer erwischt Nadal direkt in Runde 1 und Alexander Zverev könnte Rafas Gegner in der dritten Runde werden – wenn es nach uns geht nach einem ausführlichen Popcorn-Match zwischen Nadal und Marcos Baghdatis in Runde 2. Wie immer eine Wundertüte ohne Gewähr auf erfolgsversprechenden Inhalt ist der an Position 6 gesetzte Franzose Gael Monfils in diesem Bereich der Auslosung. Kann er an seine US-Open-Performance anknüpfen oder öffnet er durch ein frühzeitiges Ausscheiden entweder Nadal (endlich wieder) oder Zverev (endlich erstmals) die Chance, über weniger prominente Namen in die 2. Woche eines Grand-Slams vorzustoßen?
Djokovics Viertel: Knaller in der ersten Runde
Hier kommen wir zur großen Ausnahme von der Regel, zum potentiellen Knaller in Runde 1: Nole trifft direkt auf Fernando Verdasco und wer zuerst an dessen Sieg an gleicher Stelle und in gleicher Runde gegen Nadal denkt und dann an die 5 Matchbälle, die Verdasco vor gut einer Woche gegen den Serben hatte, kann die öffentliche Erwartungshaltung nachvollziehen. Wir sind da allerdings eher skeptisch und denken, dass Verdasco seine große Chance in Doha schon hatte und befürchten, dass der Spanier nicht noch mal in der Lage sein wird, Djokovic an den Rand einer Niederlage oder gar darüber hinaus zu bringen. Und in diesem Fall, tut uns leid auch für alle Fans von Dominic Thiem (und auch für alle Fans von Jan-Lennard Struff, die dem Warsteiner Chancen gegen den Österreicher einräumen) halten wir das unterste Viertel der Auslosung durchaus für eine sehr machbare Aufgabe für den Serben. Der gerade angesprochene Thiem als am höchsten gesetzter Gegner hatte einen nur mittelmäßig überzeugenden Saisonstart und auch Goffin oder Gasquet scheinen uns nicht die Spieler zu sein, die einem wiedererstarkten Djokovic auf Hartplatz über drei Gewinnsätze gefährden können. Auch in diesem Abschnitt der Auslosung: Tommy Haas, für den unter den gegebenen Umständen das erste Match gegen Benoit Paire durchaus auch das letzte und damit allerletzte bei den Australian Open sein könnte. Wir wären in diesem Fall übrigens weniger traurig, wenn uns seine Niederlage dann wenigstens eine zweite Runde unserer Träume oder Albträume zwischen Paire und Fabio Fognini bescheren würde. Der Italiener muss dazu allerdings ebenfalls erst Feliciano Lopez aus dem Weg räumen.
Auf der nächsten Seite folgt die Analyse der Damen-Konkurrenz!