Davis Cup: Das Format hat keinen Wert
Italien hat zum zweiten Mal in Folge den Davis Cup gewonnen. Ein toller Erfolg im Land des Stiefels, aber mit dem Davis Cup vergangener Tage hat der Wettbewerb nichts mehr zu tun.
Zugegeben: Ich lehne mich weit aus dem Fenster. Ich überspitze. Natürlich hat der Davis Cup einen Wert. Man blicke nur nach Italien. Als ich vor den ATP-Finals mit Stefano Semeraro, dem Chefredakteur von „Il Tennis Italiano“, dem italienischen Tennismagazin, telefonierte und fragte, ob er eine Story über Jasmine Paolini schreiben könne, antwortete er: „Scusi, leider nicht, hier ist die Hölle los.“ Er meinte den Tennisboom in Italien, der schon eine Weile andauert und inzwischen ungeahnte Höhen erreicht hat. Jannik Sinner, die Nummer eins der Welt, krönte sich in Turin erstmals zum ATP-Weltmeister. Am nächsten Tag berichtete die ehrwürdige Sporttageszeitung Gazzetta dello Sport auf den ersten 13 (!) Seiten. Eine Woche später in Malaga wurde Sinner mit Italien zum zweiten Mal in Folge Davis Cup-Champion. Dass die italienischen Damen an gleicher Stelle den Billie Jean King Cup gewannen, war das Kakoaopulver auf dem Tiramisu.
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Dass es in Italien zurzeit ähnlich verrückt zugeht, wie in den 80er-Jahren in Deutschland, als ein gewisser Boris Becker die ganze Republik Balla-Balla machte, zeigt diese Zahl: Im Finale der Davis Cup-Finals (klingt bescheuert, aber es ist die richtige Bezeichnung) sahen das Match zwischen Sinner und dem Holländer Tallon Griekspoor 6,4 Millionen Menschen, was einem Marktanteil von 31 Prozent entspricht – Bella Italia.
Zverev äußert Kritik am Davis Cup
Deutschland schied im Halbfinale aus. Im alten Format kam Team Germany 2007 in Moskau so weit. Der Wettbewerb von damals hatte allerdings nichts mit dem Davis Cup von heute zu tun. Alexander Zverev sagt im tennis MAGAZIN-Interview (zu lesen in unserer neuen Ausgabe, die ab 10.12. erscheint): „So wie es jetzt ist, ist es kein Davis Cup, das ist ein Exhibition-Turnier. Das ist wie ein United Cup ohne Punkte.“ Ich sehe das genauso. Von der Dramaturgie vergangener Tage ist nicht viel übrig geblieben. Zwei Zweisatz-Matches, wie im Halbfinale gegen die Niederlande, sind ruckzuck vorbei. Die frisch dekorierten ATP-Doppelweltmeister, Tim Pütz und Kevin Krawietz, kamen in zwei Partien überhaupt nicht zum Einsatz.
Fun-Frage als Einschub: Wussten Sie, dass Deutschland auch 2021 im Halbfinale stand? Damals verlor man gegen Russland. Hand aufs Herz: Sie wussten es nicht, was wiederum belegt, dass das neue Format längst nicht das Interesse entfacht wie der traditionelle Davis Cup.
Noch einmal zum Doppel: Es war einmal die Königsdisziplin im Davis Cup. Oft gewann die Nation, die im Paarwettbewerb reüssierte, die ganze Begegnung. Zur Erinnerung: Freitags wurden zwei Einzel gespielt, Samstags das Doppel und am Sonntag wieder zwei Einzel. Man muss kein hemmungsloser Nostaliger sein, um das gut zu finden. Aber man kann sich nur wundern, wenn so ein Trumpf aus der Hand gegeben wird.
2025 wird am Format weiter rumgeschraubt. In den ersten beiden Runden werden wieder Heim- und Auswärtsspiele installiert. Die Finals aber bleiben gleich – ein Jammer.