Djokovic und die GOAT-Diskussion: Alles Ziegenkäse
Ist die GOAT-Debatte zu Gunsten von Novak Djokovic nun entschieden? Nein, sie wird im Netz verbissener und verschwurbelter denn je geführt. Über den verbalen Schlagaustausch zwischen den Big Three-Fans können sich die Sandplatzgötter nur noch amüsieren
„Macht doch mal etwas zur GOAT-Debatte und wie die so von den Fans der Big Three in den sozialen Medien geführt wird“, schlug neulich die tennis MAGAZIN-Redaktion als Thema für unsere Kolumne vor. Tja, ganz ehrlich: Lieber hätten wir über leichtere Themen wie etwa „Atomausstieg“ oder „Elektromobilität“ geschrieben; die Debattenkultur ist da einfach besser.
Der „Greatest of all times“-Diskurs ist dagegen im Wortsinn von vorn bis hinten Käse, in dem Fall Ziegenkäse („Goat“ gleich Ziege). „Greatest“ als Begriff öffnet individuellen Definitionen Tür und Tor. Und „all times“ ist für die meisten von uns doch eher eine dürftig einschätz- und bewertbare Zeiteinheit.
Djokovic, Federer und Nadal in gemeinsamer Blütezeit
Nicht falsch verstehen: Es gibt auch eine Menge Fans von Djokovic, Federer und Nadal (Reihenfolge rein alphabetisch, nicht dass es auch dafür schon Ärger gibt), die sich gemeinsam mit uns jenseits aller persönlichen Präferenzen zuallererst über gleich drei außergewöhnlich begabte und erfolgreiche Tennisspieler freuen, deren Blütezeiten sich dann auch noch zu unserer aller Gunsten und noch mehr zum Wohle des Tennissports und seiner herausragenden Protagonisten über größere Zeitspannen hinweg überschnitten haben.
Anerkennend, dass alle drei dabei massiv voneinander profitiert und einander in ständiger verstärkender Wechselwirkung noch mehr Bedeutung gegeben haben. Die heilige Dreifaltigkeit funktioniert halt zu Dritt echt am besten. So viel Vernunftbegabung kommt jedoch leider oft eher leise und dazu noch bestenfalls ohne größere Emoji-Rudelbildung daher. Das aber ist in den Kommentarspalten von Facebook, Twitter, Instagram und Co. eher out.
Stattdessen finden gerade im Internet verbissen geführte Kämpfe gegen zwei Windmühlen statt: die alles überragende sportliche Bilanz von Djokovic hier und die größere Popularität von Federer und Nadal dort. Anerkennung für die Leistungen auf der anderen Seite des straff gespannten persönlichen Sympathie-Netzes ohne einschränkende „aber“-Konjunktion ist vielen unmöglich.
Das gleitet dann gerne auch mal allseitig ins Tragikkomische ab: Federer-Fans, die jahrzehntelang sportliche Erfolge und persönliche Rekorde als einzigen Maßstab anerkannt haben, sich aber passend zu ihrem Idol in dem Augenblick, in dem es in diesen Kategorien Vorteil „Nadal/Djokovic“ hieß, elegant und geschmeidig dazu umentschieden haben, dass sich die wahre Größe eines Spielers in einhändig geschlagenen Rückhänden und mit großer Grandezza getragenen Smokings manifestiert.
Djokovic-Fans pochen aufs Sportliche
„Nadalisten“, die sich immer verzweifelter gegen die offensichtliche Tatsache gestemmt haben, dass Rafas Slam-Count nach menschlichem Ermessen vor dem von Djokovic zu Ende gehen wird und anfangen, mallorquinische Milchmädchenrechnungen aufzustellen, die plötzlich Grand Slam-Titel enthalten, die in einer verletzungsfreien Parallelwelt errungen worden wären.
Oder Djokovic-Enthusiasten, die hartnäckig darauf pochen, dass doch gefälligst nur das Sportliche in dieser Dreisatz-Aufgabe eine Rolle spielen sollte. Um anschließend dann mit uns sehr viel seltener über seinen Rückhandreturn als über Novaks Nationalität, seinen Impfstatus oder seinen spirituellen Zustand diskutieren wollen.
Die Sandplatzgötter haben in diesem Zusammenhang viel Freude daran, dass gar nicht jede Frage eine abschließende Antwort benötigt. Schon gar nicht von jedem. Und daran, dass man auch größten Spaß an Sportlerinnen und Sportlern haben kann, die weit entfernt davon sind, jemals Gegenstand einer GOAT-Debatte zu sein. Das kann für alle Beteiligten manchmal tatsächlich besser sein.