Rafael Nadal wirft das Handtuch zu einem Balljungen Silhouette von oben *** Rafael Nadal throws th

"Toweling" jetzt wieder erlaubt: ATP-Profis brauchen sich nicht mehr selbst um ihre Handtücher kümmern, sondern können auf die Fangkünste der Ballkinder bauen. Bild: Imago/Hasenkopf

Liebe ATP-Profis, holt euch eure Handtücher wieder selbst!

Seit einer Woche ist es erlaubt, dass die Profis auf der ATP-Tour ihre Handtücher wieder von den Ballkindern bekommen. Mehr als vier Jahre ging es auch anders. Ein Kommentar zu einer rückwärtsgewandten Entscheidung.

Es gibt eigentlich nichts, was ich mir aus den harten Coronazeiten zurücksehne – mit einer Ausnahme: Im März 2020 wurde auf der Tennistour das sogenannte „Toweling“ verboten. Jetzt ist es im Herren-Circuit plötzlich wieder erlaubt, dass Profis den Ballkindern zu verstehen geben, sie mögen ihnen doch bitte ihre verschwitzten und mitunter verrotzten Handtücher reichen. Als diese Unsitte nun bei den ATP-Turnieren in Hamburg, Bastad, Gstaad und Newport wieder zu beobachten war, dachte ich nur: „Warum bleibt man nicht bei der Coronaregel“?

Schon lange vor Corona empfand ich das „Toweling“ als ziemlich unappetitlich. Kann man es den Profis wirklich nicht zumuten, dass sie sich selbst um ihre Handtücher kümmern, wenn sie sich damit schon ständig den Schweiß von etlichen Körperstellen wegwischen? Zumal die Übergabe des Handtuchs nach erfolgreicher Trockenlegung oft auch noch werfend erfolgt. Ich will es mir gar nicht weiter vorstellen, wie es sich anfühlen muss, wenn du als Kind oder Jugendlicher das schweißnasse Handtuch eines Tennisprofis auffangen musst.

Balljungen wie „römische Badesklaven“

Die Sports Illustrated verglich 2017 Balljungen mit „römischen Badesklaven, die gezwungen sind, das schweißgetränkte Handtuch des Spielers zu holen, um es unterwürfig zu übergeben.“ Auch wenn dieser Vergleich vielleicht etwas zu hoch gegriffen ist: Die paar Meter bis zur Bande, um sein Handtuch zu holen oder abzulegen, können die Spieler schon noch selbst laufen, finde ich.

ATP Handtücher

Viel zu tun: Bei Dauerschwitzern wie Rafael Nadal sind die Ballkinder gefordert.Bild: Imago

Umso vernünftiger war es, dass im Zuge der Coronapandemie diese Szenen von den Courts der Welt verschwanden. Als ich nun beim Turnier in Hamburg aus nächster Nähe miterlebte, dass die Profis ihre Handtücher wieder beim Ballpersonal einforderten, wähnte ich mich im falschen Film. Aber dann fiel es mir plötzlich ein: Anfang Juli hatte die ATP mitgeteilt, dass in der Woche nach Wimbledon die Profis ihre Handtücher wieder vom Ballpersonal gereicht bekommen. Eigenverantwortung ade!

ATP: Spieltempo soll beibehalten werden

Die offizielle Begründung der ATP: das Spieltempo soll so beibehalten werden. Weil es die Shot-Clock gibt, die die Pause zwischen den Ballwechseln strikt auf 25 Sekunden begrenzt, sollen die Profis ihre Zeit nicht mit zusätzlichen Wegen zum Handtuch verlieren. Dafür ist nun wieder das Service-, äh sorry, das Ballpersonal zuständig.

Carlos Alcaraz beschwerte sich beim Turnier im Londoner Queen’s Club, wie gestresst er zwischen den Punkten mittlerweile sei, um seine gewohnte Routine vor einem Aufschlag abspulen zu können. „Es ist verrückt. Ich habe nur Zeit, um nach zwei Bällen zu fragen und kann kaum noch den Ball vor dem Aufschlag aufprallen lassen“, lamentierte Alcaraz. Ausgerechnet, muss man an dieser Stellen anfügen. Denn: Alcaraz kennt es doch kaum anders. Im Coronajahr 2020 feierte er gerade seinen Durchbruch auf der Challenger-Tour. Seitdem ist er es gewohnt, sich um sein Handtuch selbst zu kümmern.

Nun kehren die alten Bilder also wieder zurück, die man längst in der Vergangenheit verortet hat: Schwitzende Profis, die augenrollend darauf warten, dass ihnen ein Ballkind das Handtuch möglichst zügig holt, weil ja die Shot-Clock erbarmungslos tickt. Fangbereites Ballpersonal, das die nassen Lappen aus der Luft zupft und sie schleunigst zu den nach wie vor bereitgestellten Ablegestellen an den Außenbanden trägt.

Entscheidet die WTA anders als die ATP?

Ich halte das alles nicht nur für gewöhnungsbedürftig und unwürdig, sondern vor allem für rückwärtsgewandt. Mehr als vier Jahre lang war das „Toweling“ kein Thema auf der Tour. Jetzt hat es die ATP-Tour ohne wirklichen Handlungsgrund wieder eingeführt. Natürlich nutzen die Profis diese Möglichkeit nun aus, weil es ihr gutes Recht ist. Dennoch möchte ich Ihnen zurufen: Holt eure Handtücher doch bitte wieder selbst, es hat doch auch in den letzten vier Jahren wunderbar geklappt.

Die WTA-Tour hat übrigens die neue „Handtuch-Regel“ auf der ATP-Tour zur Kenntnis genommen. „Wir werden prüfen, ob sich unsere derzeitige Position zu diesem Thema ändern wird“, teilte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur Reuters mit.

Ich hoffe, die WTA gelangt zu einem klügeren Urteil als die ATP.