Lleyton Hewitt: Mach es noch ein letztes Mal, Rusty!
Hewitt leitete aber keine neue Epoche im Herrentennis ein. Vielmehr füllte er eine Lücke – das muss man auch als Sympathisant des Australiers so klar zum Ausdruck bringen. Die Oldies Sampras und Agassi ließen ihre Karrieren langsam ausklingen, die Generation der „Fab Four“ mit Federer, Nadal, Murray und Djokovic war noch nicht so weit. Hewitt nutzte dieses Vakuum und musste sich einiges gefallen lassen. Viele Kritiker warfen ihm im Nachhinein vor, die schlechteste Nummer eins aller Zeiten gewesen zu sein. Das Problem: Seine Schläge waren zwar solide und gut, aber selten wirklich tödlich. Seine Dominanz brachte das gesamte Herrentennis in eine Schieflage: Wie kann sich ein Spieler mit einem riesengroßen Willen, aber ansonsten eher beschränkten Fähigkeiten so lange da oben halten? 2003, als Federer erstmals in Wimbledon gewann, endete Hewitts beste Phase.
Videotext statt mobiler Liveticker
Aber er blieb mein stetiger Begleiter, mein Fixpunkt. Als ich beruflich über das Profitennis schreiben durfte, versuchte ich eine Distanz zu ihm aufzubauen. Es gelang mir aber nur halbwegs. Ich erinnere mich an das Davis Cup-Finale 2003: Australian mit Hewitt und Philippoussis empfing in Melbourne auf Rasen Spanien. Meine Eltern hatten noch kein Internet, an mobile Liveticker fürs Handy war noch gar nicht zu denken. Ich harrte deswegen vor dem Videotext-Liveticker aus. Die Australier gewannen, weil der irre Mark Philippoussis trotz lädierter Schulter Juan-Carlos Ferrero in fünf Sätzen niederrang, crazy. Später feierte ganz Melbourne auf dem Federation Square seine Helden.
Hewitt hätte 2005 beinahe nicht nur Melbourne, sondern ganz Australien auf die Straßen zum Feiern gelockt. Ausgerechnet beim 100-jährigen Jubiläum der Australian Open erreichte er das Endspiel seines „Home Slams“. 14 Tage lang hielt er den fünften Kontinent in Atem – und mich auch. Was wäre das für eine Story gewesen: Hewitt gewinnt im Jubiläumsjahr als erster Australier seit Mark Edmondson 1976 in Melbourne! Es kam anders. Marat Safin war der Partycrasher. 4,1 Millionen Australier, also jeder Fünfte, saßen damals vor dem Fernseher, als der große Traum platzte. Safin gewann in vier Sätzen. Ich war fertig – Distanz hin oder her. Eine weitere Chance würde er nicht mehr bekommen. Das ahnte damals irgendwie jeder.