Mail aus Brisbane: Kein Platz für Gefühlsduselei
Nach den Australian Open ist vor dem Davis Cup. Unser Reporter ist gut in Brisbane angekommen und hat nicht nur das deutsche Team in der Vorbereitung genau unter die Lupe genommen. Schnell wurde klar: Die beiden Lager sind nicht in Brisbane, um ihre Tourfreundschaften zu vertiefen. Das ist ganz nach dem Geschmack von Deutschlands Nummer eins, Alexander Zverev.
„Sicher“, entgegnete die deutsche Nummer eins einer Reporterfrage aus australischen Gefilden, ob der ganze Druck für ein erfolgreiches Wochenende vor und während des Spiels gegen Alex de Minaur auf seinen Schultern lasten würde. Nachfrage: „Und können sie diesem standhalten?“
Alexander Zverev schmunzelte: „Natürlich“, entgegnete er erneut während der internationalen Pressekonferenz kurz nach der offiziellen Auslosung nahe eines elegant hergerichteten Bootshauses direkt am durch die ganze Stadt fließenden Brisbane River am Donnerstagmorgen. „Ich bin diese Rolle mittlerweile schon eine Weile gewohnt und komme damit sehr gut zurecht. Das gehört dazu, wenn man Teil der Top 10 der Welt ist. Da wird in den meisten Matches von mir erwartet, zu gewinnen. Damit habe ich gelernt umzugehen und mache mir keinen großen Kopf. Ich bin bereit.“
🇦🇺reporter: U think pressure for whole #DavisCup is on u vs #deminaur ?#Zverev smiles: Sure
Reporter: Can u handle it?
Zverev: Of course. Im dealing with it for a while. Its fun/part of being in top10. Im supposed to win most of matches. Im prepared#AUSGER @tennismagazin pic.twitter.com/LSu06bpG6h
— Jannik Schneider (@schnejan) February 1, 2018
Die keineswegs unfreundliche, aber etwas provozierende Fragestellung passte zu den bisherigen Eindrücken, die das DTB-Team um die Nummer fünf der Welt hier in Brisbane an der australischen Ostküste bislang erleben durften. Die Gastgeber sind freundlich, haben die Rahmenbedingungen nahezu perfekt hergerichtet. Darüber hinaus herrscht aber in dieser Woche, das betonen fast alle, schon eine besondere Konkurrenzsituation samt Rivalität und Distanz zwischen den beiden Lagern. „Das gehört aber dazu. Das ist schließlich der Davis Cup“, erklärte Bors Becker fast ein wenig empört. Ähnliche Antworten kamen von Kapitän Michael Kohlmann oder eben Zverev.
Becker habe die Australier, die vom ehemaligen Wimbledonsieger Llyeton Hewitt als Kapitän angeführt werden, stets als faire Sportsmänner kennengelernt. „Aber die Australier sind auch echte Wettkämpfer, die hier unbedingt gewinnen wollen. Da ist kein Platz für Geschenke, aber auch nicht von unserer Seite aus.“
Wichtige Duelle gingen an Deutschland
Bereits am Trainingsgelände am Mittwoch, die Form wurde in der Pat-Rafter-Arena die Woche über immer abwechselnd angetestet, gab es beim fliegenden Wechsel der Nationen kaum Kommunikation. „Die Australier haben schon auch Druck. Wenn jemand wie Hewitt die Kapitänsrolle übernimmt, will er nicht nur ein bisschen Erfolg“, urteilte Kohlmann über den letztjährigen Halbfinalisten, der zuletzt in Belgien verlor. Viel gesprochen werde da nicht. „Auch nicht über unser Duell von damals“, erklärte Kohlmann schmunzelnd.
Der eigentlich als damaliger Sparringspartner eingeplante Kohlmann musste im Jahr 2000 in Australien plötzlich gegen den damaligen Weltklasseakteur Hewitt antreten, nachdem sich Tommy Haas und dann Rainer Schüttler (beim Fußball mit dem Team) verletzt hatten. „Ich weiß noch, dass ich 1:0 geführt habe. Danach ging es recht schnell den Bach runter“, erinnerte sich der Teamchef, als er von einem australischen Reporter bei der Pressekonferenz am Donnerstag gefragt wurde.
Keine Zeit also, um über die alten Zeiten zu sprechen. Insgesamt führt der Gastgeber im direkten Vergleich mit 4:3. Das letzte Duell, die Relegation 2012 in Hamburg sowie das wichtigste Aufeinandertreffen, das Finale 1993, wurden aber siegreich gestaltet. Nach drei Erstrundenpleiten würde ein Sieg in Australien Kohlmann und Co. natürlich guttun. Die Australier waren mit ihrem Teamspirit allerdings in zwei der vergangenen drei Jahre im Halbfinale.
Die Schlagzeilen werden in diesen Tagen von den Young Guns, den jungen Anführern beider Teams bestimmt. Ein Nick Kyrgios auf Seiten der Australier hat die heimische Davis Cup-Atmosphäre bereits adaptiert und ging am Mittwoch grußlos am deutschen Team vorbei und beendete seine Trainingsarbeit am Mittwoch bereits nach 30 Minuten ebenfalls geräuschlos. Eine Extra-Motivation?
Hewitts Bluff
„Das war zumindest für die Spieler eher die Ankündigung Hewitts, sich eventuell selbst für das Doppel am Samstag einwechseln zu wollen“, berichtete Kohlmann. Bei der Auslosung ein Tag später war klar, dass Hewitt, der bei den Australian Open an der Seite des zurücktretenden Aufschlagriesen Sam Groth nochmals ein Doppelcomeback feierte, geblufft hatte. „Mein Training die Woche war nur dafür da, meine Jungs etwas anzutesten. Wir haben viele vielversprechende Optionen fürs Doppel“, diktierte der Ex-Champion den Medienvertretern am Donnerstag in ihre Blöcke. Als erste Option hat Kohlmann weiterhin Kyrgios für das Doppel auf dem Radar: „Alles hängt aber wie so oft von den Einzeln am Freitag ab“, sagte Kohlmann, der zwischen Zverev, Jan-Lennard Struff und Tim Pütz im Doppel wählen wird. Einzig Peter Gojowczyk, obwohl provisorisch nominiert, sei für das Partnerspiel keine Option. Pütz hat nicht erst seit dem erfolgreichen Debüt in Portugal einen hohen Stellenwert in Kohlmanns Wahrnehmung.
Pütz genoss dann auch sichtbar die herrliche Kulisse mit den Hochhäusern auf der anderen Seite und dem Brisbane River direkt vor den Füßen. Dort wurden am Donnerstagmittag die Freitagsbegegnungen ausgelost. Unterstützung erhielten die Offiziellen der ITF dabei von einer heimischen Jetski-Truppe, die auf dem Fluss eine kurzweilige Show ablieferten, die alle Spieler, Verantwortlichen und Medienvertreter zum Zuschauen anregte. Einzig Kyrgios starrte gelangweilt in sein Handy. Da waren sie wieder: die Auszeiten, die sich der Sunnyboy immer mal wieder nimmt. Anschließend hatte er einen schwerkranken Jungen samt Familie zum Meet & Greet beim Training eingeladen. Auch das ist Nick Kyrgios.
Der 22-Jährige trifft am Freitag im zweiten Einzel auf Struff. Zuvor fordert der erst 18-jährige de Minaur Alexander Zverev. „Als ich damals aufgehört habe, Junioren zu spielen, war er noch nicht dabei. Deswegen kenne ich ihn nicht gut. Aber er hatte einen überragenden Sommer“, urteile Zverev. Der Teenager hat im Kalenderjahr 2018 eine überragende 8:3-Bilanz vorzuweisen und hat sich mit einem Halbfinale an gleicher Wirkungsstätte in Brisbane und dem Finale in Sydney in den Kader gespielt. Bei den Australian Open verlor er gegen Tomas Berdych.
Schneller Platz gut für Struff
„Er hat starke Waffen, einen mächtigen Aufschlag und mag seine Vorhand, glaube ich, ganz gerne“, sagte Kyrgios über Struff. Der Australier habe dessen Match gegen Federer in Melbourne gesehen und sei gewarnt. Struff dagegen hat anschließend ein paar generelle Tipps von Federer persönlich erhalten. „Die möchte ich aber nicht öffentlich verraten“, sagte Struff gewohnt ruhig.
Zverev und Kyrgios sind klare Favoriten am Freitag. Der Centre Court in der Pat-Rafter-Arena beziehungsweise dessen Hardcourt ist ähnlich schnell wie die dieses Jahr berüchtigten Außenplätze der Australian Open. „Das hat uns gewundert. Alex und Jan-Lennard kommt das ja eher entgegen“, sagte Kohlmann, der das Klima im Team ausdrücklich lobte.
Er sei jedem einzelnen Spieler dankbar, dass sie die lange Zeit in Australien überbrückt haben. „Das sind jetzt schon 15 Tage. Das ist viel Zeit für einen Profi und keine Selbstverständlichkeit.“ Vorbereitet hat sich das Team zunächst an der Gold Coast, bevor es nach Brisbane ging. „Herausragende“ Bedingungen habe das Team vorgefunden. Nach einigen Sponsorenverpflichtungen reiste auch Zverev am Sonntag an und integrierte sich umgehend in eine Skatrunde.
Im Training genossen die Spieler und er eine Sonderbehandlung. Mit Zverevs Vater, Boris Becker und eben Kohlmann kümmerte sich geballte Fachkompetenz um die Spieler. „Jeder hat seine Aufgabe und das Fachwissen, das wir hier versammelt haben, wollen wir natürlich nutzen“, erklärte Kohlmann. Becker nimmt sich bei offiziellen Terminen stets bewusst zurück in seiner Rolle als Head of Men‘s Tennis.
Escape Room als Teambuilding
Die Nummer eins Zverev war Antrieb und Motor der Abendgestaltung in der Millionenstadt Brisbane am Mittwoch. Nachdem am Tag zuvor Basketball gespielt wurde, ging es mit dem gesamten Betreuerteam zum „Escape Room“. Das Ist eine noch recht neue Trend-Aktivität, die mittlerweile in jeder Großstadt angesiedelt ist. Gemeinsam wird eine Gruppe in einen Raum eingesperrt und kann nur durch das Lösen unterschiedlichster Aufgaben wieder herausfinden – im besten Fall im Zeitraum unter einer Stunde.
Was unser Davis Cup-Team am Mittwochabend macht? Rätsel lösen im Escape-Room! #DavisCup #AUSGER pic.twitter.com/xl7tw8eWy6
— DeutscherTennisBund (@DTB_Tennis) January 31, 2018
„Das haben wir nicht ganz geschafft, aber es hat auf jeden Fall Laune gemacht“, berichtete Zverev, der ein echter Fan dieses Trends ist. „Mit meinem Bruder Mischa und Marcelo Melo machen wir das eigentlich in jeder Stadt. Da ist aber auch immer etwas Druck dabei, weil wir es natürlich in der vorgegebenen Zeit schaffen wollen.“
Mit Druck, das wissen jetzt auch die australischen Reporter, kann und will die deutsche Nummer eins aber ohnehin gut umgehen. Zverev eröffnet um 3 Uhr deutscher Zeit gegen Alex de Minaur. Dann ist die Woche des Abtastens vorbei. Der Streamingdienst DAZN zeigt alle Spiele live.air jordan 1 low outlet | men’s jordan release dates