Mail aus Melbourne: Sind Roger und Rafa noch zu stoppen?
Die erste Woche in Melbourne bei den Australian Open ist vorbei. Zeit für unseren Man vor Ort, Bilanz zu ziehen und sich festzulegen, welche Favoriten noch zulegen können. Außerdem lohnt ein Blick auf die Außenseiter, die die Etablierten mehr als ärgern könnten.
Mit den Vorhersagen ist das immer so eine Sache. Als am Samstag Juan Martin del Potro auf Tomas Berdych traf, waren sich die Experten länderübergreifend fast zu 100 Prozent einig. Der Tscheche, zuletzt mit dauerhaft absteigender Formkurve würde maximal einen Satz gegen den argentinischen Turm von Tandil ergattern, del Potro sich weiter als einer der Herausforderer positionieren, die an einem guten Tag mit ihrem A-Spiel jeden Gegner der Welt besiegen können.
Dementsprechend gab es hier im Pressezentrum gegen Abend viele fragende Gesichter. 6:3, 6:3, 6:2 gewann die 19 der Setzliste gegen del Potro, der erstmals seit vier Jahren wieder unter den besten zehn Tennisspielern der Welt geführt wird. So trifft ein überglücklicher Berdych im Achtelfinale am Montag auf Fabio Fognini, der seinerseits den Lauf von Fastrentner Julien Benneteau beendete und damit quasi die Setzung von David Goffin einnahm. Dem belgischen Geheimfavoriten war zwei Tage zuvor gegen eben jenen Benneteau die Hitze zum Verhängnis geworden.
Mail aus Melbourne – die exklusiven Stories von unserem Australian Open-Reporter!
Tag 6: Und plötzlich gingen bei Sascha Zverev die Lichter aus
Tag 5: Kerber gegen Sharapova – als wäre nie etwas gewesen
So bleibt Fans wie Journalisten gleichermaßen eine Neuauflage des US Open-Finals 2009 von Roger Federer gegen del Potro im möglichen Viertelfinale verwehrt. Der Weg für Federer scheint im unteren Tableau offensichtlich bis zum Halbfinale relativ problemlos vorgezeichnet. Ähnliche Konstellationen ergeben sich andernorts, aber der Reihe nach:
Das untere Tableau
Die Favoriten: Roger Federer, Novak Djokovic
Vor dem Turnierstart versuchte Federer verbal vergeblich, sich aus der Pole Position zu schleichen: „Ich glaube nicht, dass ein 36-Jähriger hier als Favorit gelten sollte.“ Geholfen hat das wenig. Den Favoritenstatus hatte und hat der Schweizer im Medienzentrum dennoch inne. Den Turnierverlauf betrachtet, wird diese Prognose weiter verstärkt. Jan-Lennard Struff war von seinen Gegnern bisher noch am besten im Spiel und am ehesten in Reichweite eines Satzgewinns. Gegen Richard Gasquet hat der Maestro gefühlt noch nie verloren (16:2; 9 Siege in Folge). Den Ausspruch, „es war taff da draußen. Das zeigt auch das Ergebnis“, kann nach dem 6:2, 7:5, 6:4-Sieg in Runde drei getrost als Understatement gewertet werden.
Federer after beating Gasquet 6-2, 7-5, 6-4: "It was tough. The score shows it."
amazing that at 36 years old this guy's standards are still so high that he thinks 6-2, 7-5, 6-4 is a tough scoreline😂
— Ricky Dimon (@Dimonator) January 20, 2018
Am Montag trifft der 19-fache Grand Slam-Sieger auf den Ungarn Marton Fucsovics. Der ehemalige Weltranglistendritte bei den Junioren hat unter anderem Sam Querry in vier Sätzen besiegt. Federer kennt ihn aber vom Training beim Baseler Turnier, wie er zu Protokoll gab. Da darf und wird nichts anbrennen. Anschließend wartet der Sieger aus Berdych und Fognini, in das der Tscheche nach der sehr guten Leistung gegen del Potro als leichter Favorit geht. Seine 6:19-Bilanz gegen Federer inklusive acht Pleiten in Folge dürften den Schweizer momentan aber keine unruhigen Nächte bereiten.
In Federers Hälfte gibt es momentan nur noch einen weiteren Spieler mit einem ähnlichen Status und das ist Novak Djokovic. Der Serbe gibt in diesen Tagen so etwas wie das 2017-Double des Schweizers. Gerade erst von einer mehrmonatigen Verletzungspause wegen seines lädierten Ellenbogens genesen, gefällt sich der ehemalige Branchenprimus in der Rolle des Rückkehrers, der nicht allzu viel Beachtung findet. An zwölf gesetzt, hatte er erst einen heißen Moment zu überstehen. Die Hitzeschlacht in Runde zwei gegen Gael Monfils. Der war aber „eigentlich schon Ende des ersten Satzes völlig fertig“, wie Alexander Zverev unter der Woche richtigerweise feststellte. Nach seinem Erfolg eine Runde später gegen Albert Ramos-Vinolas in drei Sätzen deutete der Serbe leichte körperliche Probleme an. „Ich war noch nie in der Situation, sechs Monate nicht gespielt zu haben. Diese Situationen muss man miteinbeziehen. Dass ich muskuläre Probleme habe, ist da, denke ich, nichts Ungewöhnliches.“
Nach dem Ausscheiden Zverevs gegen Next Gen Finals-Sieger Hyeon Chung ist der Serbe dennoch Favorit gegen den Koreaner. Besteht er diesen Härtetest – nichts anderes ist Chung – dann gehört er hier auch offiziell zu den Titelfavoriten.
Die Herausforderer: Hyeon Chung, Dominic Thiem
Der Asiate feierte gegen Zverev seinen ersten Sieg gegen einen Top Ten-Spieler (davor 0:4) und wird seinen Weltranglistenplatz 58 deutlich verbessern. Bei einem möglichen Sieg gegen Djokovic würde das ohnehin schon gestärkte Selbstvertrauenslevel des ersten Koreaners im Achtelfinale dieses Turniers überhaupt nochmals ansteigen. Seine Pressekonferenzen führt er sehr zurückhaltend, Zverev dagegen sagte: „Spielt er so wie gegen mich, sehe ich nicht viele, die ihn hier schlagen können.“ Die Erfahrung und der Wohlfühlfaktor Australien sprechen dennoch für den Serben.
Der Djoker würde dann im Viertelfinale auf den zweiten verbliebenen Herausforderer Dominic Thiem treffen. Aus der Aufholjagd in brütender Hitze gegen den amerikanischen Qualifikanten Denis Kudla hat der Österreicher lediglich die positiven Dinge in die kommenden Aufgaben mitgenommen. Der glatte Erfolg gegen Adrian Mannarino, gegen den er damit ohne Niederlage bleibt, war folgerichtig. Nach den Gesamteindrücken hier Downunder wäre er aber im Viertelfinale sowohl gegen Djokovic als auch gegen Chung eher der Außenseiter.
Vorhersage: Wir sehen im Halbfinale eine Neuauflage des Klassikers Federer gegen Djokovic, in dem der Schweizer aufgrund des Turnierverlaufs der fittere, weil ausgeruhtere Akteur sein wird.
Das obere Tableau
Der Favorit: Rafael Nadal
Im oberen Tableau werden am Sonntag bereits die Achtelfinalpartien ausgetragen. Vorjahresfinalist Nadal wurde dabei zum ersten Mal im Turnierverlauf von Dauerläufer Diego Schwartzman wirklich getestet. Vor allem mit seiner beidhändigen Rückhand wurde der Argentinier gefährlich und schnappte sich den Tiebreak des zweiten Satzes.
Der erste Satzverlust des Weltranglistenersten im Turnierverlauf blieb auch deshalb der Einzige, weil Schwartzman sich beim eigenen Aufschlag zu sehr quälte. Immerhin scheint nach heute klar: Der Fitnesszustand von Nadal ist nach 3:51 Stunden Spielzeit intakt. „Keine Beschwerden am Knie“, richtete er in der Presserunde aus. Damit ist er im ausgedünnten oberen Tableau weiterhin erster Anwärter auf das zweite Finale in Serie.
Really strange but true:
With Diego Schwartzman next, Nadal will have played 15 straight matches in Grand Slams against players not ranked in the top 25
— Christopher Clarey (@christophclarey) January 19, 2018
Marin Cilic wird im Viertelfinale im Übrigen Nadals erster Top-25-Gegner seit 15 Spielen in Serie bei Grand Slams. Der Spanier hatte die US Open bekanntlich ja ohne Topgegner gewonnen. Cilic, zurzeit die sechs der Welt, ist gegen Top-5-Spieler seit seinem US-Open-Titel 2014 in fünf Versuchen fünfmal gescheitert. Seine Bilanz gegen Nadal (1:5) ist bei fünf Niederlagen am Stück nicht gerade vielversprechend. Sein Eindruck Down Under: kraftvoll und vielversprechend wie immer gegen schlechter gerankte Spieler. Ein Sieg über Nadal würde dennoch überraschen.
Der Herausforderer: Grigor Dimitrov
Grigor Dimitrov hat im oberen Tableau wohl als einziger Spieler die Waffen, um Nadal am Finaleinzug zu hindern. Schon ihr letztjähriges Halbfinale in Melbourne war eines der besten Spiele des vergangenen Saison – wenn nicht sogar das Beste. Doch Dimitrov wackelte im Turnierverlauf gewaltig. In den Pressekonferenzen betonte er vehement, dass ihn das mental aber eher stärke – ähnlich wie Thiem.
Bislang hat Dimitrov noch nicht sein absolutes Top-Level erreicht – trotzdem steht er im Viertelfinale. Seine beste Leistung rief er gegen Lokalmatador Nick Kyrgios ab, den er in einem mitreißenden Match 7:6, 7:6, 4:6, 7:6 bezwang. Bemerkenswert war dabei, wie Dimitrov sich immer wieder aus kniffligen Situationen befreite, was für die von ihm selbst angesprochene mentale Härte spricht.
Der Bulgare trifft nun auf den Briten Kyle Edmund; Nadal bekommt es mit Marin Cilic zu tun. Natürlich gehen sowohl Dimitrov aus auch Nadal als Favoriten in ihre Partien. Die Frage wird dann sein, ob sich Dimitrov im Halbfinale für seine Niederlage von 2017 bei Nadal revanchieren kann.
Vorhersage: Auch wenn Dimitrov das Spiel und das Selbstvertrauen hat, um Nadal im Halbfinale besiegen zu können, wird es der Spanier sein, der wie 2017 ins Finale von Melbourne einzieht. men’s jordan retro 13 release date | jordan 1 mid university blue release date