Mail aus Paris: „Scheisse! Beweg dich!“
Ein etwas anderer Arbeitstag beim zweiten Grand Slam-Turnier des Jahres. Unser Reporter in Roland Garros stand heute selbst auf dem Court – zusammen mit Henri Leconte. Seine Mail aus Paris.
Fotos: Jürgen Hasenkopf
Die Tage in Roland Garros ziehen schneller an einem vorbei als Felder und Wiesen bei einer Zugfahrt. Und manchmal gibt es Tage – vor allem dann, wenn man als Reporter für ein Magazin arbeitet und nicht für die Tagespresse –, an denen man das aktuelle Geschehen nur aus der Ferne beobachten kann. Weil man Termine wahrnehmen muss, die wichtiger sind als beispielsweise ein Damen-Halbfinale zwischen Ana Ivanovic und Lucie Safarova.
Ein Doppel mit Henri Leconte
14 Uhr: Auf ziemlich versifften sanitären Einrichtungen wechselt der Autor dieser Zeilen sein Dress – raus aus der Jeans, rein in die Tennisshorts. Weiße Socken, Turnschuhe. Ist irgendwie ein bisschen unangenehm so durch das Pressezentrum zu tigern, einige Kollegen gucken ziemlich blöd aus ihrer seriösen Wäsche. „Spielst du ein paar Bälle mit Schweini?“ fragt einer. Der Typ ist wirklich allgegenwärtig in Roland Garros. Nein, ein paar Bälle mit Henri Leconte. Kein Scherz! Allerdings treffen wir uns nicht auf einem normalen Platz, sondern auf einem Padel-Court hinter dem Suzanne Lenglen-Stadion. Leconte liebt diese Trendsportart, die man mit kürzeren Schlägern ohne Besaitung und auf kleineren Plätzen spielt, die von durchsichtigen Wänden umrandet werden. Diese dürfen ins Spiel mit einbezogen werden, ähnlich wie beim Squash. In Spanien ist Padel-Tennis längst weit verbreiteter als das normale Spiel mit Ball und Schläger. Mehr als sechs Millionen Spanier tummeln sich mehr oder weniger regelmäßig in den sogenannten Padel-Käfigen.
Der etwas andere Selbstversuch
„Hallo Deutschland“, ruft Leconte zur Begrüßung. Er guckt ziemlich grimmig, erinnert sich aber immerhin an ein erstes Treffen vor drei Monaten beim Davis Cup in Frankfurt. Hoffentlich hat er den Spaßvogel nicht zuhause vergessen. Eine Stunde soll er sich Zeit nehmen, um von seiner neuen Leidenschaft zu berichten – und natürlich für den Selbstversuch des Reporters. Ein bisschen wackeln die Knie bevor es losgeht. Man spielt nicht täglich vor gefühlt hundert Zuschauern und zehn Fotografen. Die Meute erwartet offenbar große Unterhaltung. Leconte hat noch eine alte Weggefährtin eingeladen: Sandrine Testud, zu ihren besten Zeiten im Jahr 2000 einmal die Nummer neun der Welt. Sie spielt zusammen mit einem australischen Nobody, der diese besondere Form des Tennisspiels angeblich häufiger betreibt. Auf der anderen Seite: Leconte und der tennis MAGAZIN-Mann. Gibt schlechtere Doppelpartner. Auch wenn Leconte das offenbar anders sieht. „Scheisse! Beweg dich!“ schreit der Franzose auf Deutsch, als der Amateur neben ihm den ersten Ball ins Netz schlägt – eine schöne Schelle gleich zu Beginn. Bei Ivanovic steht’s inzwischen übrigens 5:7, 4:5 – Safarova schlägt zum Matchgewinn auf. Ein paar Minuten später gewinnt die Tschechin 7:5, 7:5 und erreicht zum ersten Mal ein Grand Slam-Endspiel. Chapeau!