Jan-Lennard Struff GER) macht die Faust und jubelt,Jubel, Freude,Emotion *** Jan Lennard Struff GER makes a fist and che

Zweite Runde gebucht. In seiner Auftaktpartie ließ sich Jan-Lennard Struff von zwischenzeitlichen Wacklern nicht aus dem Konzept bringen.Bild: Imago / Jürgen Hasenkopf

Mail aus Wimbledon – Der Zauber von SW19

Am ersten Tag im All England Lawn Tennis Club starteten sechs Deutsche. Jan-Lennard Struff lieferte die überzeugendste Vorstellung. Wie weit kann der Warsteiner kommen?

Rituale. Nirgendwo sind sie so schön wie in Wimbledon. Das geht schon los, wenn man als Reporter das Haus verlässt. Das Haus, in das man jedes Jahr gerne zurückkommt. Neben der Haustür stehen zwei Balldosen. Auf der einen steht „in“, auf der anderen „out“. Also morgens einen Tennisball in die „Out“-Dose plumpsen lassen und los geht es: die Arthur Road bergab Richtung Underground Station „Wimbledon Park“. Aber vorher links abbiegen in die Home Park Road. Nach ein paar hundert Metern geht es über den Golfplatz, der während der zwei Wochen des wichtigsten Turniers auf dem Globus der Welt als Parkplatz dient.

Vorbei an mit Seilen abgeriegelten Bunkern (damit kein Auto reinfährt). Ein paar Minuten später steht man vor dem schmiedeeisernen Gate 5. Schräg gegenüber der mit Efeu bewachsene Centre Court mit der goldumrandeten Uhr, die an jedem anderen Ort der Welt kitschig aussehen würde. Aber nicht hier. Menschenmengen, die sich an den saftig grünen Plätzen 4, 5, 6 & 7 vorbeischieben – der Zauber von Wimbledon, man spürt ihn, kaum ist man da.

Wimbledon: Struff überzeugt

So ähnlich muss sich auch Jan-Lennard Struff in seinem mittlerweile neunten Jahr in Wimbledon fühlen. Er sitzt nach seinem Viersatzsieg gegen den Ungarn Fabian Marozsan im Interviewraum vier, ein spartanischer kleiner Raum. Zwölf Reporter sitzen mit ihm wie in einem Stuhlkreis, während  Struff erzählt: über das Match. Darüber, dass er sich anfangs nicht so wohl fühlte in Wimbledon, aber dass er jetzt dankbar sei, hier zu sein. Es klingt nach Liebe.

Rituale. Auch bei Struff. Schon seit ein paar Jahren wohnt er immer wieder bei der gleichen Familie. Das Haus ist den sprichwörtlichen Steinwurf entfernt vom All England Club. Bis zum Aorangi Park, dem Trainingsgelände, geht er rund 150 Meter. „Es ist wunderschön hier zu sein. Nach mehreren Jahren schätzt man das immer wieder“, sagt Struff.

Was genau? „Alles ist weiß, die Pflanzen.“ Und dann sagt er: „Es ist besonders, hier zu sein. Man spürt, dass das…“ Er stockt kurz, sagt dann: „dass das heilig ist“.

Es war ein richtig starker Auftritt des 34-Jährigen, der sich vor Wimbledon die Haare hat blond färben lassen. Von seiner Freundin. Meist ist der neue Look allerdings unter der Kappe verborgen, die er wie immer verkehrtrum trägt. Struff schlägt über weite Strecken glänzend auf, donnert seine Vorhand auf die gegnerische Seite und rückt oft klug nach vorne auf dem etwas stumpfen Rasen. Mittlerweile passe der Belag „gut zu meinem Spiel“.

 

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Unter Beobachtung

Davon überzeugen sich auch Davis Cup-Teamchef Michael Kohlmann und der frühere deutsche Davis Cup-Spieler Marc-Kevin Goellner, die auf der einen Seite von Court 8 vor den Teakholzbänken stehen. Auf der anderen Seite sitzt Struffs Trainer Carsten Arriens. Neben ihm Craig O’Shannessy. Der Australier ist so etwas wie der Zahlenpapst der ATP-Tour. Auch Struff hat er schon betreut, mittlerweile arbeitet er aber für den italienischen Tennisverband und den Davis Cup.

Beim Match gegen Fabian Marozsan guckt er aus alter Verbundenheit zu, wie er später erzählt. Die Analyse des Fachmanns: „Marozsan ist ein sehr gefährlicher Spieler. Jan hat das sehr gut gemacht.“ Drei Dinge, die ihm wichtig waren, habe er besonders berücksichtigt: „durch den Ball gehen beim Rückhand Return“, „Serve-and-Volley spielen, wenn er in Not gerät.“ Und: „In schwierigen Situationen die Verantwortung dem Gegner zuschieben.“ Heißt: auch mal passiv agieren. „Er hat im ersten Satz 1:4 zurückgelegen, aber er macht sich keinen Stress“, nennt O’Shannessy eine weitere Stärke von Struff.

Warum soll er nicht richtig weit kommen? Die Marschroute vor dem Match am Mittwoch gegen den an Nummer 32 gesetzten Zhizhen Zhang: Erholen, ein Schläfchen am Nachmittag, einen Kaffee trinken gehen. Rituale. In der dritten Runde hieße der Gegner wohl Daniil Medvedev. Aber O’Shannessy sagt zurecht: „Wenn Jan sein bestes Tennis spielt, kann er jeden schlagen.“

Debütantin Lys scheitert

Als die Fragestunde mit Struff beendet ist, spielt Eva Lys. Ebenfalls auf Platz 8. Die Qualifikantin feiert Premiere in Wimbledon. Bei allen anderen Grand Slams hat die Hamburgerin schon im Hauptfeld gestanden. Wimbledon fehlte bislang in dem Puzzle. Am Ende verliert sie gegen die Französin Clara Burel 2:6, 4:6. Burel ist die Nummer 42 der Welt, Lys die 129. Trotzdem ist sie nicht zufrieden, wie sie später erzählt. Für Lys war Wimbledon in ihrem ersten Jahr eher eine Bürde. Die gute Nachricht: Der Zauber kann auch für sie noch kommen.

Die 22-jährige Hamburgerin Eva Lys scheiterte bei ihrem Wimbledon-Debüt zum Auftakt.Bild: Imago / Jürgen Hasenkopf