Serbian Novak Djokovic plays a backhand in his second round match against Britain s Jacob Fearnley on day Four of the 20

Das Knie hält. Nur wenige Wochen nach seiner Meniskus-OP steht Novak Djokovic wieder auf dem Platz. Auf Rasen - dem für das Knie anspruchsvollsten Belag.Bild: Imago/Hugo Philpott/UPI Photo

Mail aus Wimbledon – Rätsel um den Djoker

Novak Djokovic steht in der 3. Runde von Wimbledon. 2023 stand er im Finale. In diesem Jahr ist er allerdings weit von seiner Vorjahresform entfernt. Dass er überhaupt in Wimbledon spielt, nachdem er sich im Anschluss an die French Open einer Meniskusoperation im Knie unterzogen hat, grenzt für viele an ein Wunder.

Sieht man sich nur das Ergebnis an, könnte man meinen, ein Wackler. Etwas ungewöhnlich schon, aber nichts Dramatisches. 6:3, 6:4, 5:7, 7:5 stand auf der Anzeigetafel. Novak Djokovic hatte Jacob Fearnley besiegt. In drei Stunden. Der Brite kam mit einer Wildcard ins Turnier, ist die Nummer 277 der Welt. Aber manchmal spielen diese britischen Nobodies ja wirklich gut. Sie kennen sich auf Rasen aus und haben nichts zu verlieren.

Respekt! Wildcarder Jacob Fearnley leistete gegen den siebenfachen Wimbledon-Champion ordentlich Widerstand.Bild: Imago/Shaun Brooks

Djokovic gibt Rätsel auf

Wer aber am Donnerstagnachmittag auf dem Centre Court saß, wusste nicht, was er von dem, was sich vor seinen Augen abspielte, halten sollte. Im dritten Satz führt Djokovic 3:2 mit Break, alles sieht nach einem klaren Dreisatz-Sieg für den an Position zwei gesetzten Serben aus. Doch dann verliert er seinen Aufschlag. In der Folge bewegt er sich schlecht, hadert, hebt theatralisch die Hände, steht falsch zum Ball, macht unnötige Fehler. Einmal löffelt Djokovic vier Vorhand-Slicebälle auf die andere Seite. Das Publikum raunt.

Ein Hauch von Götterdämmerung liegt in der Luft. Das Denkmal Djokovic wackelt, der Mann, der siebenmal in Wimbledon siegte, 24 Grand Slam-Titel gewonnen hat. Und auf der anderen Seite steht – die Nummer 277. Djokovic schaut teilweise ratlos in seine Box, wo auch seine Frau Jelena mit Sohn Stefan und Tochter Tara sitzt.

Nach dem Match sagt er auf dem Platz, er habe sich nicht wohlgefühlt in seiner Haut. Eine Stunde später sitzt er leicht verspätet im „Theatre“ – so heißt der große Interviewraum im Fernsehgebäude. Äußerlich sieht er fit aus, wirkt aufgeräumt. Und klar, es geht in dem Gespräch um seine Verletzung und seine Form. „Es war windig draußen, sehr herausfordernd“, sagt er. „Es war nicht leicht, das richtige Tempo und den richtigen Rhythmus für den Ball zu bekommen.“ Vom Knie noch keine Rede.

Rückblick: Im Achtelfinale von Paris schlug er Francisco Cerundolo in fünf Sätzen, sagte anschließend das Viertelfinale gegen Casper Ruud wegen eines Meniskusrisses ab. Bekanntlich ließ er sich operieren. Die Vorbereitung für Wimbledon: Reha, ein Showmatch, die ein oder andere Trainingssession.

Blitz-Regeneration nach Meniskus-OP

Seitdem stellt man sich in der Szene die Frage: Wie ist es möglich, dass er nur vier Wochen nach einer Operation in Wimbledon antritt? Oder war die Verletzung gar nicht so schwer? Der Schweizer „Tagesanzeiger“ schlagzeilt: „Ist Djokovic ein Supermann oder unvernünftig?“ Im Schweizer „Blick“ mündet das Rätsel um Djokovic in Verschwörungstheorien. Bozidar Maljkovic, der Präsident des serbischen Olympia-Komitees, habe Djokovics Onkel Goran angerufen. In serbischen Medien wird Maljkovic wie folgt zitiert: „Wir haben seinen Onkel angerufen und die Information erhalten, dass Novak nicht operiert worden ist.“

Lauscht man an diesem Donnerstagabend in Wimbledon den Worten von Novak Djokovic, besteht an der Operation kein Zweifel. Ob er Angst habe, sich wieder zu verletzen, wird er gefragt. Antwort: „Nein, aber ich fühle, dass es kleine Auswirkungen in Bezug auf meine Schnelligkeit hat.“ Er sei „spät am Ball, was ich normalerweise nicht bin. Aber je länger ich im Turnier bin, desto mehr werden sich meine Bewegungen verbessern“, sagt er. Ein bisschen „rostig“ fühle er sich.

Und dann spricht er das Wort Operation aus: „Aber das ist normal, wenn du von einer Operation zurückkommst. Der Körper versucht zu verstehen, was los ist.“ Gut habe das Knie in der Auszeit reagiert – „keine Schwellung, keine Entzündung“.

Auf dem Platz wirke es sich so aus: „Die Muskeln drum herum kontrahieren mehr und werden saurer, weil sie kompensieren und das Knie schützen“, sagt Djokovic. Noch ist er im Turnier, nächster Gegner Alexei Popyrin, die Nummer 47 der Welt. Gewinnt Djokovic? Schwer zu sagen. Bewegt er sich so wie gegen Fearnley – nein. Am Ende der Fragestunde sagt Djokovic: „Die ersten zwei, drei Matches sind wahrscheinlich etwas, das ich akzeptieren muss als Teil des Prozesses. Hoffentlich kann ich durchkommen von von da an aufbauen.“ Man sollte ihn nie abschreiben.