Masters in Rom: Stippvisite im Foro Italico
Was macht man, wenn man nur rund eine Stunde Zeit hat beim Masters von Rom? Man versucht, so viel „Bella Italia“-Atmosphäre wie möglich aufzusaugen.
Der Zeitplan hätte besser sein können. Aber egal: eine Stunde Tennis gucken, ist besser als nichts. In Rom, der ewigen Stadt. Wer die Chance hat, das dritte Masters der Saison auf Sand (nach Monte Carlo und Madrid) zu besuchen, sollte den Verkehr mit einkalkulieren. Er ist ein echter Zeiträuber. Das „Stadio Centrale del Tennis“ an der Viale del Gladiatori liegt nordwestlich vom Zentrum am Tiber. Kommt man aus dem südlich gelegenen Stadtzentrum, fährt man am Vatikan vorbei, sieht jahrhundertealte Gebäude, aber noch mehr Blech. Autofahren in Rom ist nichts für Feiglinge.
Weil am Morgen ein Test mit dem neuen Head-Schläger von Alexander Zverev ansteht (nach Wimbledon will Zverev auf den neuen Rahmen umsteigen) und am Abend der Flieger zeitig startet, ist das Zeitfenster extrem knapp.
Schöne Präsentation vom neuen #SaschaZverev @head_tennis Racket in #Rome #Force #Gravity #Masters1000 pic.twitter.com/AH7DScK52p
— tennis MAGAZIN (@tennismagazin) May 13, 2019
Wenn man dann aber da ist, wird man mit einer einmaligen Atmosphäre belohnt. Rappelvoll ist die Anlage, die auf einem Hügel thront. Eingebettet ist sie in einen Park, garniert mit Zypressen und Pinien.
Masters in Rom mit Grand Slam-Atmosphäre
Das Foro Italico in Rom wirkt auf den ersten Blick großzügiger als Roland Garros. Man atmet quasi Grand Slam-Atmosphäre. Wenn man im Schnelldurchgang die Plätze besucht, verstärkt sich der Eindruck. Eine Dienstagmittag-Momentaufnahme: Im „Stadio Nicola Pietrangeli“, das ist der Showcourt mit den vielen Statuen, bei dem man den Eindruck hat Kaiser Nero sitzt im Publikum, duellieren sich Richard Gasquet und Jeremy Chardy. Schlendert man weiter Richtung Olympiastadion entlang der Courts, die sich wie auf einer Perlenschnur aneinanderreihen, trainiert dort Juan Martin del Potro. Einen Trainingsplatz weiter übt Rafael Nadal.
Dann kommen wieder Matchcourts. Setzt man sich geschickt auf die Steinbänke aus edlem Marmor hat man vier Plätze gleichzeitig im Visier! Auf Court 1 spielt Roberto Bautista Agut gegen Karen Khachanov, daneben, weiter vorne, auf Platz 2, Diego Schartzman gegen den Qualifikanten Yoshihito Nishioka. Davor Su-Wei Hsieh gegen Julia Görges (Court 4) und hinter den Damen Frances Tiafoe und der Portugiese Joao Sousa (Court 3). Etwas aus der Reihe bricht der futuristisch anmutende Grandstand, auf dem es Marin Cilic mit dem Italiener Andrea Basso, der per Wildcard antritt, zu tun hat.
Das Prunkstück ist der Centre Court, der Campo Centrale. 10.400 Zuschauer passen drauf. Die Tribünen ragen steil nach oben. Der Platz wirkt dadurch kleiner, fast intim. Unten stehen Nick Kyrgios und Daniil Medvedev. Kyrgios spielt so wie man es von ihm erwartet: gleich beim ersten Aufschlag Service von unten. Genialer Touch wechselt sich mit unfassbar schwachen Schlägen ab. Mal spielt das australische Tennisgenie aufreizend lässig, dann drischt er 225 km/h-Aufschläge scheinbar mühelos ins gegnerische Feld.
Medvedev ist an Position 12 gesetzt, eigentlich der Favorit. Aber Kyrgios ist einer, gegen den man nicht spielen will, den man schon gar nicht zum Auftakt eines Turniers haben möchte. Weil er einem keinen Rhythmus gibt, weil er provoziert – und am Ende, da sitze ich im Auto auf dem Weg zum Flughafen, im dritten Satz mit 6:3 siegt.
Danach ist Zverev dran (ich bin längst nicht mehr da, sitze am Alitalia-Schalter am Flughafen in Rom). Er verliert sein Auftaktmatch gegen Matteo Berrettini 5:7, 5:7. Der Italiener startete mit einer Wildcard. Er ist 23 Jahre alt, kommt aus Rom und die Nummer 31 der Welt. Die Niederlage passt ins Bild der letzten Wochen und Monate bei der deutschen Nummer eins.
Italienischer Boom
Und es passt ins Bild, dass die Italiener siegen. Man könnte fast von einem Boom im „Stiefel-Land“ sprechen. Jahrelang diktierten die Frauen das Geschehen, Roberta Vinci, Sara Errani, Francesca Schiavone oder Flavia Pennetta. Sie holten Grand Slam-Titel und Fed Cup-Siege. Jetzt scheinen die Männer dran zu sein. „Vorher kam man zum Foro Italico bloß zum Jubeln. Jetzt kommen die Leute, um sich die Spiele anzuschauen“, wird Italiens Tennislegende Pietrangeli (85) im Tagesspiegel zitiert.
19 italienische Herren stehen aktuell unter den Top 200 der Welt. Mehr Profis bieten nur die USA auf. Die Erfolgsstory krönen die Titel von Berrettini in Budapest, Marco Cecchinato in Buenos Aires und Fabio Fognini in Monte Carlo. Der Schönling aus San Remo mit Wohnsitz im benachbarten Arma Di Taggia demontierte Rafael Nadal im Halbfinale von Monte Carlo. Fognini ist aktuell die Nummer zwölf der Welt und die Tifosi sind völlig aus dem Häuschen, wenn er in seinem speziellen Rom-Outfit, das ihm sein Ausstatter auf den Leib geschneidert hat, die Massen verzückt.
Jetzt müssen sie mit Cecchinato Vorlieb nehmen. Er verlässt gerade den Trainingsplatz und die Kids rasten förmlich aus. Ein paar Meter weiter steht Diego Nargiso, Profi zu Becker-Stich-Zeiten. Er lässt ein Selfie nach dem anderen mit sich knipsen. Der Trubel macht ihm nichts aus, er grinst so gewinnend, als sei es nur eine Frage der Zeit, bis Italien den ersten Grand Slam-Champion seit 1960 innehat. Damals, vor fast 60 Jahren, in Paris siegte – Pietrangeli.
Beim italienischen Verband, der FIT, sind sie auch happy. Über die seit einigen Jahren komplett renovierte Anlage und über den Zuschauerboom – die Veranstaltung ist so gut wie ausverkauft, für Restkarten drängen sich die Menschen vor den Tickethäuschen an der Lungotevere Maresciallo Cardorna, der Straße, die sich entlang des Tibers schlängelt. Außerdem: Die FIT ist nach Fußball der größte nationale Verband. 373.000 Mitglieder zählt er, Tendenz steigend. Zumal die Zukunft rosig scheint. Der 17-jährige Lorenzo Musetti, der 2019 die Australian Open gewann, und der ebenfalls 17-jährigen Südtiroler Jannik Sinner, der in Rom gegen ATP-Routinier Steve Johnson gewann, machen Lust auf mehr.
Das Taxi ist da. Arriverderci Roma, es hat Spaß gemacht und das Reporterherz sagt: Hier muss ich wieder hin.
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