Nadals DNA heißt Kämpfen
Wie muss man die ständigen Verletzungen von Rafael Nadal einordnen? Tut der Mallorquiner sich und der Tour einen Gefallen? Unser Autor Alexander Waske hat da seine eigene Meinung.
Als Rafael Nadal im Viertelfinale von Wimbledon den Matchball gegen Taylor Fritz verwandelt hatte, war mir klar: Das war‘s. Nicht für Fritz, der in fünf spektakulären Sätzen ausgeschieden war, sondern für Nadal. Ich wusste, er würde im Halbfinale gegen Nick Kyrgios nicht antreten können. Und ich bin der festen Meinung: Nadal wusste es auch schon in diesem Moment. Das Adrenalin hielt ihn am Leben, aber Mimik, Körpersprache und seine Erfahrung signalisierten, dass er sich von der Bauchmuskelverletzung innerhalb von zwei Tagen nicht erholen würde. Schon während des Matches hatte man den Eindruck, er gibt gleich auf (wobei man das bei ihm oft hat und er es dennoch nicht tut). Sein Vater deutete von der Tribüne an: Mach Schluss!
Ich glaube auch, dass es eine große Geste von Nadal gewesen wäre, gegen Fritz aufzugeben. Um dem Amerikaner die Chance zu geben, um das Finalticket zu spielen. Was dafür gesprochen hätte: Es gab dieses Jahr in Wimbledon keine Weltranglistenpunkte. Sie treiben Nadal an. Das Geld jedenfalls nicht. Auf die gut 600.000 Euro hätte er verzichten können.
Nadal ist der größte Kämpfer
Nur: Aufgeben ist in Nadals DNA nicht vorgesehen.Er ist der größte Kämpfer, den es im Tennis je gab. Er kann das nicht ausschalten. Seit er ein kleiner Junge ist, ist sein Gehirn aufs Siegen programmiert.
Meine jungen Spieler in der Akademie haben ihre Zweifel, ob das immer gut ist. Für ihn, für die Tour, für die Fans. Sie finden es komisch, wenn er bei den French Open einen tauben Fuß hat, bei der Pressekonferenz sein Karriereende andeutet und sich dann zehn Tage später auf Rasen für Wimbledon vorbereitet. Rafa lässt sich aber nicht diktieren, wann Schluss ist. Was seinen Einsatz auf dem Platz angeht, muss ich oft an Boris (Becker; d. Red.) denken und an bleibende Schäden. Bei Becker ist es offensichtlich. Wird Nadal in ein paar Jahren auch ein Sportinvalide sein, der sich nur eingeschränkt bewegen kann? Vieles spricht dafür, weil die Sucht nach Rekorden stärker ist als die Vernunft.
Gedrillt ans Limit zu gehen
Mein Chirurg sagte 2012 zu mir: Mit Athrose im Ellbogengelenk musst du leben. Aber wenn du weitermachst, hast du später einen steifen Arm. Ich habe auf ihn gehört, mich noch einmal mit meinem Fitnesscoach Christian Rauscher beraten und meine Karriere beendet. Mein letzter Grand Slam-Auftritt waren die US Open. Ich lud meinen US-Collegetrainer John Nelson nach New York ein, um ihm Danke zu sagen. Ohne ihn wäre ich nicht Profi geworden. In Wien verabschiedete ich mich endgültig von meiner großen Liebe Profitennis, was unglaublich emotional war.
Rafas Natur ist anders als die von 99 Prozent aller Profis. Deswegen spielt er noch. Er ist gedrillt, ans Limit zu gehen. Wahrscheinlich gibt es keinen Tennisspieler mit mehr Blessuren. Was logischerweise mit sich bringt, dass sein Physio Rafael Maymo, der ihn schon jahrelang begleitet, mittlerweile seine wichtigste Bezugsperson ist.
Ist es unfair, dass Rafa trotz Verletzung weiterspielt und seinen Gegnern Chancen nimmt? Nein, er ist nie respektlos, auch wenn es nervt, wie sehr die Shotclock vor seinem Aufschlag gegen null wandert. Die „Lucky Loser“-Diskussion – in dem Fall, dass Fritz den verletzten Nadal ersetzt – halte ich übrigens für Blödsinn. Der Amerikaner hatte verloren. Und Nadal gewonnen.
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