Post aus Paris: Witthöfts neue Klarheit
Von den 13 gestarteten Deutschen ist nur noch Carina Witthöft bei den French Open dabei. Das ist kein Zufall, die 22-Jährige ist als Spielerin und Persönlichkeit gereift.
Carina Witthöft (22) ging am Freitagnachmittag wieder bummeln. An ihrem ersten freien Tag hatte sich die Hamburgerin den Eiffel-Turm angeguckt (in direkter Nähe ihres Hotels), am zweiten freien Tag Sightseeing am Arc de Triomphe gemacht und nun stand Notre Dame auf dem Programm. Zusammen mit ihrem Coach Jacek Szygowski (35) und ihrem besten Freund Demian Raab (23), dem Zweitliga-Spieler aus ihrem Verein Club an der Alster – er ist extra eingeflogen zu ihrem Drittrundenmatch gegen Karolina Pliskova an diesem Samstag. „Es war viel Tennis jetzt in den letzten Tagen, da braucht Carina auch mal eine Pause zum Abschalten“, sagt Szygowski. Für das Interview mit dem tennis MAGAZIN sitzt der hippe Bartträger auf einer Treppenstufe am Ausgang der Player’s Zone zwischen Court Philippe Chatrier und Court 2.
Witthöft absolvierte ein Sparring und eine Autogrammstunde
Demian Raab, ein gebürtiger Lüneburger und selbst einst die Nummer 4 der deutschen Jugendrangliste, und Witthöft schlendern vorbei, sagen kurz Hi. Die letzte im Tableau verbliebene Deutsche muss noch schnell eine Autogrammstunde geben. Am Mittag hatte die Weltranglisten-73. ein Sparring mit Szygowski absolviert; der in Nürnberg lädierte und in Paris bandagierte Oberschenkel hält. Wie erklärt sich Szygowski Witthöfts überzeugenden und erstmaligen Drittrundeneinzug bei den French Open? „Dass sie jetzt konstanter die dritten Runden bei Grand Slams erreicht, liegt daran, dass sie in ihrem Spiel reifer und klarer geworden ist und immer mehr weiß, wo sie hin möchte“, sagt er.
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— Carina Witthöft (@WitthoeftCarina) June 2, 2017
Die neue Klarheit und Reife der Carina Witthöft. Lässt sich das auch auf ihre Persönlichkeit übertragen? „Auf jeden Fall, das ist ein natürlicher Prozess. Sie wird ja auch älter“, sagt Szygowski. „Das eine kommt mit dem anderen mit. Wenn du als Persönlichkeit klarer bist, bist du auch in deinem Tennis klarer. Und wenn du in deinem Beruf klarer bist, bist du privater klarer. Ich habe das Gefühl, dass sie gerade sehr im Reinen mit sich ist.“
Spagat zwischen Tennisprofi und Instagram-Itgirl
Wer Witthöft in diesen Tagen im Stade Roland Garros sieht, erlebt eine erwachsene junge Frau. Die den Spagat zwischen nötigem Abschalten und zu viel Ablenkung, zwischen Tennisprofi und Instagram-Itgirl zu schaffen scheint. Und in Pressekonferenzen mit ruhiger, fast vorsichtiger Stimme redet. Auch im Fed Cup-Team ist die Bundestrainerin Barbara Rittner sehr glücklich mit ihr. Da hat sich Witthöft sehr schnell integriert und ist eine, die mit allen sehr gut kann.
In Paris analysiert sie ihre nächste Gegnerin – die Weltranglistendritte Karolina Pliskova, die nach dem Turnier mindestens die 2 wird, punktgenau und sehr respektvoll: „Sie ist eine sehr unangenehme Spielerin, weil sie so mächtig, so schnell spielen kann und extrem gut aufschlägt. Man muss sie irgendwie ins Bewegen bekommen.“ Sie freue sich auf ihr erstes Duell mit der Tschechin. Erst zweimal spielte sie gegen eine Top-3-Spielerin. „Zweimal war es Angie“, sagt Witthöft. Bei den Australian Open hatte sie Kerber in drei Sätzen alles abverlangt (2:6, 7:6, 2:6).
Auf Sand ist Pliskova nicht unbezwingbar
Witthöft geht nicht chancenlos in die Partie gegen Pliskova. Sand liebt die 1,88 meter große US Open-Finalistin gar nicht, sie stakste ziemlich erfolglos durch die Sandplatzsaison in diesem Jahr. „WENN man auf einem Belag eine Chance hat, dann auf Asche. Bei den US Open, Australian Open und in Wimbledon wäre sie sicher noch unangenehmer“, sagt Szygowski. „Das Problem ist, die Asche ist hier keine wirkliche Asche. Das ist ein etwas langsamerer Hardcourt, die Bälle springen hoch ab, Pliskova kommt das sehr zu Gute, sie kann viel von oben runter spielen. Der Platz ist auch nicht so rutschig, das heißt, sie kann sich hier gut bewegen. Natürlich muss man versuchen, sie zu bewegen, die Initiative zu ergreifen, gerade über die ersten zwei Schläge versuchen, sie aus der Balance zu bringen.“