Roger Federer: Eine Saison ohne Limits?
6:3, 6:1, 6:4. Was nüchtern betrachtet wie ein klares Dreisatzergebnis eines Tennismatches klingt, ist in Wahrheit viel mehr als das. Es ist ein weiteres Kapitel in der Karriere des erfolgreichsten Spielers aller Zeiten, der seit Saisonbeginn die versammelte – und fast ausnahmslos (deutlich) jüngere – Konkurrenz wieder dominiert. Und so rauschte Roger Federer in Wimbledon auf seinem Lieblingsbelag Rasen folgerichtig zu seinem achten Titel – dem bereits zweiten Grand-Slam-Sieg in diesem Jahr.
Problemloser Start, erster Test in Runde 3
Dass der fast 36-jährige Schweizer dabei von einer besonders guten Auslosung profitiert hätte, davon kann keine Rede sein. Sicher, die ersten beiden Runden gegen Dolgopolov und Lajovic waren der erwartete lockere Aufgalopp, doch in Runde 3 folgte bereits ein ernstzunehmender Test. Ihm gegenüber stand der ältere der beiden Zverev-Brüder, Mischa, gegen den er eine Woche zuvor in Halle bereits zwei enge Sätze für sich entschieden hatte. Einen ähnlichen Spielverlauf nahm auch dieses Match, nur: Egal wie oft Zverev nach dem Aufschlag kompromisslos ans Netz stürmte, Federer hatte zu häufig die bessere Antwort parat und konterte mit herrlichen Passierschlägen. Am Ende stand mit 7:6, 6:4, 6:4 ein glatter, wenn auch erneut knapper Sieg für den Schweizer – dennoch ein achtbares Ergebnis für den deutschen Davis-Cup-Spieler, der immerhin in allen drei Sätzen vom Spielstand her mit dem Champion mithalten konnte.
Im Anschluss kam der Fed-Express dann so richtig ins Rollen. Gerade einmal zehn Spiele ließ er seinem spielerischen Spiegelbild, dem viel zu lange als „Baby-Federer“ betitelten Grigor Dimitrov, im Achtelfinale. In der nächsten Runde wartete der Aufschlag- und Vorhand-starke Kanadier Milos Raonic, an Nummer 6 gesetzt, der bei vielen als einer der Geheimfavoriten auf den Titel galt. Wer ein packendes Match erwartet hatte, sah sich jedoch auch hier getäuscht: Besonders in den ersten beiden Sätzen spielte Federer seinen neun Jahre jüngeren Kontrahenten ein ums andere Mal aus und wirkte vor allem bei eigenem Aufschlag praktisch unantastbar. Auch wenn der dritte Satz erst im Tiebreak entschieden wurde, wirkte es zu keinem Zeitpunkt so, als verliere der bis dato siebenmalige Wimbledonsieger die Kontrolle über das Match.
Einseitiges Finale mit angeschlagenem Gegner
Selbiges galt für das Halbfinale gegen den wiedererstarkten Tschechen Tomas Berdych, der durchaus Chancen auf zumindest einen Satzgewinn hatte, diese aber nicht nutzen konnte – nicht einmal wegen spielerischer oder taktischer Unzulänglichkeiten, sondern weil Federer gerade bei Breakbällen gegen sich entweder außerirdisch servierte oder den Ballwechsel mit einem pfeilschnellen Vorhandwinner beendete. Für ihn sicherlich die größte mentale Herausforderung des Turniers, aber keine, die ihn dank seiner unglaublichen Erfahrung ernsthaft in Gefahr gebracht hätte.
Das Finale wurde zu einer noch einseitigeren Angelegenheit, was sicherlich auch an seinem Gegner Marin Cilic lag, den schmerzhafte Blasen unter den Füßen plagten. Immer wieder stellte der zwar etwa mit seinen flachen Vorhandschüssen unter Beweis, weshalb er zurecht erstmals ins Finale des bedeutendsten Turniers der Welt eingezogen war, stand aber letztendlich auf verlorenem Posten. Nach gerade einmal einer Stunde und 41 Minuten streckte Roger Federer erst die Arme und wenig später den Pokal in die Höhe – zum mittlerweile achten Mal, womit er nun alleiniger Rekordhalter an der Church Road ist.
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— Roger Federer (@rogerfederer) July 16, 2017