Serena Williams: Die qualvolle Rückkehr der Tennis-Queen
Was für ein Drama! In ihrem ersten Match nach einjähriger Pause scheitert Serena Williams in Wimbledon in der ersten Runde. Der Traum vom 24. Grand-Slam-Titel rückt immer mehr in weite Ferne.
Um 19:08 Uhr öffnete sich die Eingangstür auf dem Centre Court – eine der Neuerungen hier in Wimbledon. Unter großem Applaus marschierte Serena Williams in ihr Wohnzimmer, in den Ort ihrer größten Erfolge: sieben Titel sowie zwei Goldmedaillen auf dem „heiligen Rasen“. Die Queen ist zurück, zurück auf der großen Bühne, zurück in Wimbledon. Dort, wo sie im letzten Jahr ihr bislang letztes Match bestritt und nach einem unglücklichen Sturz unter Tränen ihr Erstrundenmatch aufgeben musste.
Die Aura der Serena Williams
Seitdem ist viel passiert im Damentennis. Emma Raducanu spielte sich aus dem Nichts zum Superstar mit den US-Open-Sieg als Qualifikantin. Ashleigh Barty dominierte das Damentennis, ehe sie überraschend zurücktrat. Iga Swiatek übernahm den Weltranglistenthron von Barty und ist seitdem unschlagbar. Welch Aura Williams unter ihren Kolleginnen genießt, wurde wenige Tage vor Turnierbeginn deutlich, als Swiatek im Anschluss an die Trainingseinheit von Williams auf dem Centre Court auf dem Platz kam. Kein Abklatschen, keine Begrüßung. Es wirkte so, als ob Swiatek, die neue Frontfrau der WTA-Tour, vor Ehrfurcht erstarren würde. „Ich war überfordert. Ich fühle mich trotz des Erfolgs immer noch als die Neue auf der Tour. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, aber eigentlich wollte ich sie treffen“, erklärte Swiatek die Szene.
Rückblick: Als Williams das Wimbledonturnier 2010 im Alter von 28 Jahren zum vierten Mal gewann und ihren 13. Grand-Slam-Titel holte, wurde sie gefragt, ob sie es sich vorstellen könne, bis zum Alter von 38 Jahren zu spielen. Ihre eindeutige Antwort an den Fragesteller: „Wenn das passiert, möchte ich, dass Sie mich persönlich vom Platz begleiten. Es gibt keinen Grund, dass ich mit 38 Jahren noch auf dem Platz stehe.“ Nach dem Motto „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“, ist Williams zwölf Jahre später nach dieser Aussage erneut in Wimbledon dabei. Im September wird Williams, Mutter einer vierjährigen Tochter, 41 Jahre alt – und sie spielt immer noch. Ein Ende scheint noch nicht in Sicht zu sein.
Serena Williams' first singles match as a 38-year-old ended in victory at the @ASB_Classic 👏
Although we wonder if her 2010 self would have approved…#Wimbledon pic.twitter.com/K9eBvoKuBq
— Wimbledon (@Wimbledon) January 7, 2020
Serena Williams: „Ich hätte den Rekord haben müssen”
Warum? Serena Williams ist längst „the GOAT“, die Größte aller Zeiten im Damentennis. Klar, es gibt Argumente, die auch gegen sie und für Martina Navratilova und Steffi Graf sprechen, aber die nackten Zahlen sprechen deutlich für Williams. Mit nunmehr 40 Jahren wäre die US-Amerikanerin sicherlich schon längst im Ruhestand, um das Leben mit ihrer Tochter Olympia und Ehemann Alexis Ohanian zu genießen, wenn es nicht eine Sache geben würde, die sie seit Jahren wurmt.
Und das hat mit der Zahl 24 zu tun. Mit 24 Grand-Slam-Titeln ist die Australierin Margaret Court immer noch alleinige Grand-Slam-Rekordhalterin im Einzel. Natürlich kann man die 24 Titel von Court, alleine elf kamen damals bei den eher mäßig besetzten Australian Open zustande, nicht mit den 23. Titeln von Williams vergleichen. Dennoch ist die US-Amerikanerin seit Jahren davon angetrieben, auch in dieser Kategorie die Beste aller Zeiten zu sein. „Ich hätte eigentlich 30 oder 32 Grand-Slam-Titel haben können. Ich hätte den Rekord haben müssen. Ich hatte so viele Chancen. Aber ich gebe nicht auf“, sagte Williams in diesem Jahr über ihre Rekordjagd gegenüber CNN.
Das fehlende „Mojo” der Serena Williams
In der Tat: Die Diskussion um den Grand-Slam-Rekord von Margaret Court, ob dieser nun ein richtiger Rekord ist oder nicht, hätte längst beendet sein können. Nach den Australian Open 2017, als sie ihren 23. Grand-Slam-Titel gewann, gab es genug Chancen, um den Rekord von Margaret Court einzustellen. Nach ihrer Rückkehr nach der Schwangerschaft erreichte sie vier Grand-Slam-Finals. Alle vier gingen in zwei Sätzen verloren. Packte Williams in großen Matches sonst ihr bestes Tennis aus, scheint sie ihr „Mojo“ in den wichtigen Momenten verloren zu haben. Einen Grand-Slam-Titel als Mutter, drei an der Zahl, hat Court gegenüber Williams immer noch voraus.
Ihre Zielsetzung ist klar. Williams will nicht gemütlich ihre Karriere ausklingen lassen. Sie will von der Tennisbühne gehen mit einem großen Knall. Als sie auf der Pressekonferenz vor Turnierbeginn danach gefragt wurde, was ein gutes Resultat für sie in Wimbledon wäre, antwortete sie: „Sie wissen die Antwort darauf.“ Was sie damit meint: natürlich der Wimbledonsieg und der 24. Grand-Slam-Titel. „Ich habe hohe Ziele, aber ich weiß nicht, wir werden sehen. Ich werde dazu nicht mehr sagen.“ Ihr Teilzeitcoach Eric Hechtman formulierte das Ziel gegenüber der New York Times deutlich offensiver. „Sie ist ein Champion. Sie spielt Wimbledon aus einem Grund. Wie jeder, der in dieses Turnier startet, ist auch unser Ziel, das Event zu gewinnen.“
Serena has her 👀 on number 24 #Wimbledon | @serenawilliams pic.twitter.com/X1LRyc9LVj
— Wimbledon (@Wimbledon) June 25, 2022
Letztes Wimbledon für Serena Williams? „Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann”
Als Serena Williams um 22:35 Uhr eine Vorhand ins Netz schlug, platzte ihr abermaliges Vorhaben, endlich den 24. Grand-Slam-Titel zu gewinnen. 5:7, 6:1, 6:7 (7:10) nach 3:11 Stunden gegen Harmony Tan (Frankreich), Nummer 115 der Welt. Was für ein Drama zum Comeback der Tennis-Queen! Die frech aufspielende Tan brachte in ihrem ersten Hauptfeldmatch in Wimbledon die 23-malige Grand-Slam-Siegerin mit taktisch variablem Tennis, dem immer wieder eingesetzten giftigen Vorhand-Slice und zahlreichen Stoppbällen immer wieder aus der Komfortzone. Williams musste in ihrem ersten Match nach genau einem Jahr Pause mehr laufen, als ihr lieb gewesen war.
It's always a pleasure, @serenawilliams #Wimbledon | #CentreCourt100 pic.twitter.com/ALkCMy1sFD
— Wimbledon (@Wimbledon) June 28, 2022
„Als ich die Auslosung zum ersten Mal sah, bekam ich Angst. Weil es Serena Williams ist, sie ist eine Legende. Ich dachte so: ‚Wie kann ich überhaupt gegen sie spielen?‘ Und wenn ich ein oder zwei Spiele hole, wäre das wirklich gut für mich“, sagte die 24-jährige Harmony Tan völlig ungläubig über ihre Leistung – natürlich der größte Sieg ihrer Karriere. Die pure Willenskraft und das Weigern aufzugeben, halfen Williams diesmal nicht über die Ziellinie. War es das letzte Wimbledon-Match in der Karriere der Serena Williams? „Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Ich weiß es nicht. Wer kann das schon wissen? Wer weiß, wo ich auftauche?“, sagte sie. Ein 24. Grand-Slam-Titel für Serena Williams? Es wäre Stand jetzt ein großes Tennis-Wunder!nike air force 1 uv color change da8301 100 101 release date | air jordan 1 outlet near me