Stay Home: Warum die ATP-Finals in London bleiben sollten
Mit dem Sieg von Daniil Medvedev endet die 12-jährige Londoner Geschichte der ATP-Finals – ganz zum Verdruss der Sandplatzgötter.
Der Russe macht das Licht aus: Daniil Medvedev setzte am Sonntag mit seinem Sieg über Dominic Thiem den Schlusspunkt unter die Geschichte der ATP-Finals in London. Schon zum vierten Mal in Folge holte sich damit einer den Titel, der bisher noch nicht mit Grand-Slam-Pokalen in der heimischen Vitrine aufwarten kann.
Schon eine erstaunliche Entwicklung, denn zuvor kam das seit der Etablierung der ATP Tour 1990 nur dreimal bei 27 Saisonabschlussturnieren vor. Weiteres Kuriosum: Der Sieg Medvedevs schließt den Kreis zur allerersten Londoner Ausgabe der ATP-Finals im Jahre 2009, denn damals gab es zur Premiere den bisher einzigen anderen russischen Sieg beim letzten Turnier des Jahres durch Nikolai Davydenko. Hoffentlich kein schlechtes Omen für Medvedev, denn beim Landsmann blieb es das Karriere-Highlight.
„Die Idee der ATP-Finals ist es, dass es unterwegs ist“
Dem guten Daniil schwebt da für die nächsten Jahre sicherlich eine andere Titel-Ausbeute vor. Jetzt zieht das Turnier nach zwölf Jahren in der britischen Hauptstadt nach Turin weiter und während viel andere (Achtung, Spoiler: die Sandplatzgötter auch) den Weggang aus London bedauern, war der Weltranglistenerste Novak Djokovic schon 2018 für einen regelmäßig stattfindenden Ortswechsel. „Die Idee dieses Turniers ist, dass es mehr unterwegs ist“, fasste der Serbe vor zwei Jahren seine Meinung zusammen.
Er hat mit Blick auf sein Alter durchaus die Turnierhistorie auf seiner Seite. Er ist Jahrgang 1987. Seit Djokovic bewusst Tennis verfolgt, waren die ATP-Finals vor dem Dutzend Londoner Jahre ein Wanderzirkus, der nie länger als sechs Jahre in Folge am selben Austragungsort verweilte. Anfang der 2000er wechselte das Turnier sogar zeitweise im Jahresrhythmus nicht nur die Städte, sondern sogar die Kontinente.
13 Jahre lang im Madison Square Garden
Die Sandplatzgötter haben da einen anderen, nostalgisch viel breiter angelegten Blick bis zu den dreizehn New Yorker Jahren des Turniers zwischen 1977 und 1989. Für uns waren das die prägenden Jahre des damals „Masters Grand Prix“ oder kurz „Masters“ genannten Turniers: Immer in derselben Halle, dem berühmten Madison Square Garden, dazu in einer echten, nein, DER Weltstadt New York beheimatet. Wie der Matchball von Boris Becker dort per Netzroller unerreichbar in die Spielfeldhälfte von Ivan Lendl plumpste, das hat sich unauslöschlich in unser Tennis-Gedächtnis eingebrannt.
New York hatte einen Flair und Glamour, an den bis London – „sorry“ Frankfurt, „sorry“ Hannover – für uns keiner der zwischenzeitlichen Stopps des Turniers herankam. Die Idee der Finals als durch die Welt vagabundierende Veranstaltung ohne festen Wohnsitz hat sich anders als bei Novak Djokovic in unseren U40-Köpfen einfach nicht durchgesetzt.
Erst in London hat das Turnier wieder den Traditionsfaktor entwickelt, den es für uns braucht. Die Organisatoren und ihre Marketing-Abteilung haben das geschickt herbeigeführt und uns jährlich wiederkehrende ikonische Motive beschert: Die Themse-Fahrten zur Halle mit dem Boot, die gemeinsamen Ausflüge der adrett gekleideten besten Acht der Welt in die Londoner U-Bahn.
ATP-Finale: Früher 17.000 Fans, 2020 leere Ränge
Das Turnier selbst hat aber auch geliefert. 2009 galt das Vorhaben, die O2-Arena in einer Nachmittags- und einer Abend-Session eine ganze Woche über und nicht nur am Finalwochenende mit zweimal um die 17.000 Zuschauern zu füllen, als durchaus ambitioniert. Der Plan ist aber über die Jahre unabhängig von der Besetzung des Turniers durchgängig aufgegangen – eine Tatsache, die den Abschied der ATP-Finals vor leeren Rängen in diesem Jahr noch einmal etwas bitterer gemacht hat.
Die Veranstaltung hat am Standort London später anderswo gern kopierte Maßstäbe für Hallen-Turniere gesetzt, was ihre musikalische und optische Präsentation rund um die Spiele herum als auch die Untermalung und Ankündigung wichtiger Match-Situationen angeht. Und wer selber vor Ort war, weiß: Auch das Drumherum in den überdimensionalen Gängen der Arena stimmte, die dort frei zugänglichen Trainingsplätze, die mehrfach pro Tag die Möglichkeit eröffneten, einen guten Blick aus nächster Nähe selbst auf die Spieler zu erhaschen, die am jeweiligen Turniertag eigentlich gar nicht im Einsatz waren, waren ein echter Bonus auf die eigentlichen Matches obendrauf.
Ab 2021 sind die ATP-Finals in Turin
Und wenn man dann nach dem letzten gespielten Ball die Halle verließ, war man – nochmal „sorry“ Frankfurt, nochmal „sorry“ Hannover – halt in der Metropole London. Auch wenn es zugegebenermaßen bei einem späten Ende der Abend-Session dort manchmal etwas schwierig werden konnte, wochentags irgendwo in einem Pub noch ein Bier oder ein anderes Getränk zu bekommen. Der Londoner fängt dort früh mit den Drinks an, hört aber auch sehr früh wieder auf.
In diesem Punkt mag der Vorteil dann ab November 2021 im norditalienischen Turin liegen, in vielen anderen Aspekten wird man sich dort in den nächsten Jahren strecken müssen, damit unser ob des Abschieds aus London eher wehmütiger Blick zurück von ganz neuen italienisch geprägten Momenten verdrängt wird.nike air force 1 uv color change da8301 100 101 release date | best cheap jordan 1 lows