Tennis match

Aerial shot of two men playing tennis

Tennis in der Coronakrise: Haltet den Ball und die Kurve flach!

Im Zuge möglicher Lockdown-Lockerungen innerhalb der Coronakrise wollen viele Tennisspieler zurück auf die Plätze in ihren Clubs. tM-Redakteur Tim Böseler hält diese Forderungen für voreilig.

Seit Dienstag dürfen Tennisspieler in Tschechien wieder ihrem Hobby nachgehen. Die tschechische Regierung öffnete die Plätze der Clubs, um so langsam den Weg aus dem kompletten Lockdown des Landes im Zuge der Coronakrise voranzutreiben. Als erste Staaten in Europa hatten Tschechien und die Slowakei zuvor eine Maskenpflicht und Daten-Tracking via Handy eingeführt. „Ich schätze für die Einhaltung der Maskenpflicht haben wir uns das verdient“, schrieb uns der tschechische Tennistrainer Jiri Bartos scherzhaft per E-Mail.

Erste Lockerungen in der Coronakrise

Er berichtet, dass viele tschechische Clubs ihre Sandplätze erst noch herrichten müssen. Dort, wo man schon auf die Plätze darf, muss man die geltenden Abstandsregeln beachten. Turniere finden nicht statt, bei einer Veranstaltung dürfen sich maximal 30 Personen aufhalten. Ob die Punktspielrunde Anfang Mai wirklich starten wird, ist noch nicht sicher. Bartos und seine Kollegen dürfen derzeit nur Einzeltraining geben – Gruppenunterricht ist weiterhin verboten!

Als tennismagazin.de am Dienstag darüber berichtete, dass in Tschechien Tennis wieder erlaubt sei, war das Echo in tennisrelevanteren Web-Kanälen gewaltig. Der Tenor der Resonanzen lässt sich auf eine große Frage eindampfen: Wann ist es in Deutschland endlich soweit?

Aktuell ist die Lage in Deutschland zunächst bis zum 20. April so: „Untersagt sind jeglicher Sportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen sowie alle Zusammenkünfte in Vereinen, Sportvereinen, sonstigen Sport- und Freizeiteinrichtungen.“ Erlaubt sind derzeit nur „Sport und Bewegung an der frischen Luft, allerdings ausschließlich alleine oder mit Angehörigen des eigenen Hausstandes und ohne jede sonstige Gruppenbildung“.

Eigentlich lässt diese Infektionsschutzmaßnahmenverordnung keinen Interpretationsspielraum. Dennoch es gibt Bestrebungen, Tennis innerhalb dieser Regeln eine Art Sonderstatus zu verschaffen, die spätestens nach dem 20. April den Weg auf die Plätze freimachen sollen. Motto: „Tennis ist eine Distanzsportart – es lässt sich kontrollieren!“

Verbände und Trainer setzen sich ein

Der Tennis-Verband Niederrhein (TVN) führt auf seiner Website aus, dass ein entsprechendes Schreiben mit Vorschlägen zu einer „differenzieren Regelung für Tennis“ mittlerweile bei der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei angekommen ist. Die Hoffnung des TVN: eine tennisspezifische Lockerung der Bestimmungen nach Ostern.

Dass Tennis als erster Sport wieder aus der Quarantäne kommt, wie der Bayerische Rundfunk (BR) auf seiner Website textet, dafür setzt sich auch der Präsident des Bayerischen Tennis-Verbandes (BTV), Helmut Schmidbauer, ein. „Ich gehe davon aus und bin optimistisch, dass der Tennissport auch in der nächsten Zeit wieder stattfinden wird. Im Breitensportbereich, also Regionalliga bis Kreisliga nach unten“, sagte Schmidbauer dem BR. Derzeit sollen die Punktspielrunden deutschlandweit nicht vor dem 6. Juni starten.

Häufig sind es auch Trainer, die sich mit Initiativen an ihre Landesverbände und Landesregierungen wenden. Ihre berechtigte Sorge: Wenn sich an den amtlichen Verordnungen nach dem 20. April nichts ändert, müssen etliche von ihnen um ihre Existenz fürchten – kein Training, keine Einnahmen.

Zwei Tennisspieler wie zwei Jogger

Benedikt Dümig und Sascha Petratschek haben einen Antrag im Namen von circa 2000 selbständigen, hauptberuflichen Tennislehrern in Bayern gestellt. Sie haben ihn auch in der Facebook-Gruppe „Tennistrainer in Zeiten von CORONA“ gepostet. Adressiert ist er an das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege. Dümig und Petratschek versichern darin, dass „beim Tennissport an der frischen Luft sämtliche Maßnahmen zur Eindämmung des neuartigen Coronavirus eingehalten werden können.“

Wenn, wie sie es beschreiben, Clubräume und Sanitäranlagen geschlossen bleiben, stets nur zwei Spieler gleichzeitig auf einem Platz sind und die Verweildauer auf der Anlage nur auf den Sport an sich beschränkt bleibt, unterscheiden sich zwei Tennisspieler nicht von zwei Joggern, die gemeinsam mit dem erforderlichen Mindestabstand eine erlaubte Runde durch die Nachbarschaft drehen.

Dümig und Petratschek setzen sich nicht nur fürs Tennis ein – sie kämpfen natürlich auch um ihre Jobs. Dagegen kann niemand ernsthaft etwas einwenden. Im Gegenteil: Das ist unterstützenswert und verlangt unsere Solidarität als Tennisgemeinschaft. Was aber einen Schritt zu weit geht, ist der unreflektierte Ruf nach einer Ausnahmeregel für Tennisspieler, weil es diese ja in Tschechien jetzt auch gibt – um ein zuletzt häufig genanntes „Argument“ wiederzugeben.

Tschechien kein Vorbild für Deutschland

Tschechien kann nicht als Vorbild für künftige Maßnahmen in Deutschland dienen. Wenn es eine Lehre aus der Pandemie schon jetzt gibt, dann folgende: Welche Einschränkungen erlassen und wieder aufgehoben werden, ist regional komplett unterschiedlich und orientiert sich daran, wie sich einzelne Länder insgesamt im Kampf gegen das Coronavirus positioniert haben. In Paris etwa, knapp 900 Kilometer von Prag entfernt, gilt seit Mittwoch ein generelles Sportverbot von 10 bis 19 Uhr.

Das, was wir gerade erleben, übersteigt das Vorstellungsvermögen von uns allen. Nur zur Erinnerung: Vor gut einem Monat wurde das Großturnier von Indian Wells abgesagt. Zu diesem Zeitpunkt gab es 500 bestätigte Coronafälle in den USA. In der Tennisszene gab es einen Aufschrei: „Was soll diese Panikmache?“ Mittlerweile sind die USA ein Hot-Spot der Corona-Pandemie mit mehr als 18.000 Corona-Toten.

In Deutschland übersteigt aktuell die Zahl der bestätigten Neuinfektionen nicht die Höchstwerte von Anfang April. Das ist gut, keine Frage. Diese Entwicklung rechtfertigt auch den Ruf nach ersten Lockdown-Lockerungen, vor allem wenn sich der Trend weiter fortsetzen sollte. Aber: Ist es tatsächlich notwendig, als eine der ersten Maßnahmen im Zuge einer Lockerung Tennisspieler wieder auf ihre Plätze zu lassen? Gibt es nicht zu viele andere Maßnahmen, deren Priorität wesentlich größer ist? Ich denke, es muss erlaubt sein, solche Fragen auch in der Tennisgemeinschaft zu stellen.

Verantwortung von Clubs und Trainern?

Wir befinden uns noch immer am Anfang einer Pandemie. Herdenimmunität oder einen Impfstoff wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Dennoch können wir nicht auf ewig so leben wie in den letzten vier Wochen. Doch wer kann jetzt schon mit Sicherheit vorhersagen, welche Folgen bestimmte Lockerungen haben werden? Zumal es immer einige Tage dauert, bis sich die ergriffenen bzw. gelockerten Maßnahmen in den Zahlen der bestätigten Neuansteckungen niederschlagen.

Angenommen, einige Bundesländer oder einzelne Kommunen geben ab dem 1. Mai die Tennisplätze unter bestimmten Regeln wieder frei. Will man es dann wirklich den Clubs und/oder Trainern zumuten, dass diese Regeln umgesetzt und eingehalten werden? Was passiert, wenn am ersten Tag gleich 20 Mitglieder auf einmal auf die Plätze wollen? Nicht alle Clubs haben Online-Buchungssysteme, über die man vorab seinen Court reservieren kann.

Bitte keine Corona-Sport-Debatte

Und welches Signal würde man durch eine Freigabe des Tennissports an andere Einzelsportarten senden? An Reiter, an Golfer, an Tischtennisspieler (Platten gibt es ja auch draußen), an Leichtathleten, an Bogenschützen, Kletterer, Segler, vielleicht sogar an Schwimmer? Sie alle haben doch sicher ähnliche Konzepte in der Schublade, mit denen man ihren Sport „risikolos“ in der Coronakrise ausüben könnte. Was man in diesen Zeiten auf alle Fälle nicht braucht, ist eine Diskussion darum, welche Sportarten nun „coronageeignet“ sind oder eben nicht.

Ich bin selbst Tennisspieler, seit über 40 Jahren. Jetzt, Anfang April, wenn die Sonne scheint und die Luft sich erwärmt, wird der Wunsch von Tag zu Tag größer, endlich wieder draußen auf der roten Asche ackern zu können. Für mich ist es jedes Mal aufs Neue ein erhabener Moment, wenn man nach Monaten in der Halle erstmals wieder einen Sandplatz betritt und unter freiem Himmel die ersten Bälle schlägt.

Aber jetzt spielen meine persönlichen Wünsche keine Rolle. Jetzt müssen wir als Gesellschaft zusammenhalten. Wir müssen die Verbreitung des Virus weiter eindämmen, die Risikogruppen schützen, soziale Kontakte beschränken. Vor allem müssen wir Geduld haben.

Also, haltet den Ball flach – und die Kurve natürlich auch. Tennis – so schön dieser Sport auch ist und so schwer es mir fällt, auf ihn zu verzichten – können wir irgendwann wieder spielen, ganz sicher.air jordan 1 factory outlet | nike air force 1 uv color change da8301 100 101 release date