Training mit Bob Brett – ein Selbstversuch um 6:30 Uhr!
Unser Reporter besucht in dieser Woche verschiedene Akademien in Frankreich und Italien. Heute war er bei Bob Brett in Sanremo – und wagte am frühen Morgen um 6:30 Uhr einen Selbstversuch auf dem Court. Eine Einheit mit einer Trainerlegende.
Fotos: Jürgen Hasenkopf
Mein Wecker klingelt an diesem Morgen unverschämt laut. 5:45 Uhr, noch dazu an einem Sonntag, ist eine bärenharte Zeit, wenn man nicht gerade ein absoluter Frühaufsteher ist. Es nützt nichts – um 6:30 Uhr bin ich verabredet! Und zwar mit Bob Brett auf dem Court! Wenn eine Legende wie er ruft, quält man sich auch mitten in der Nacht aus den Federn. Zumal ich befürchte, dass er als Fan der „Early-Bird“-Methode keine Verspätungen duldet.
Kostenlose Einzelstunden
Der Ex-Coach von Boris Becker, Goran Ivanisevic, Nicolas Kiefer und Marin Cilic betreibt im Tennis Club Solaro im italienischen Sanremo seit 13 Jahren seine Tennisschule. Er legt Wert auf diesen Begriff. Die Bezeichnung „Akademie“ passe nicht zu ihm und seiner Philosophie. Wir – Reporter und Fotograf – sind eine Woche in Frankreich und Italien unterwegs und tingeln zu unterschiedlichen Talentschmieden in dieser herrlichen Region. Brett darf natürlich nicht fehlen. Vor allem Cilic absolvierte auf der beschaulichen und ein wenig rustikalen Anlage neun Jahre lang – zwischen 2004 und 2013 – viele intensive Einheiten. Heute bietet Brett sowohl für talentierte Kids als auch für Normalos wie mich unterschiedliche Programme an. Das Besondere: Einzelstunden sind bei ihm grundsätzlich kostenlos. Brett macht den Job aus einem einzigen Antrieb: Leidenschaft. „Ich liebe es, mein Wissen weiterzugeben, Kindern und Jugendlichen zu helfen“, erzählt er. Geld verdienen muss er zumindest hier nicht. „Eine schwarze Null am Ende des Jahres reicht mir“, sagt er.
„Das Halbfeld ist für die Frauen!“
Ich stehe also so früh auf dem Tennisplatz wie nie zuvor in meiner inzwischen 25 Jahre währenden Laufbahn – als mehr oder weniger durchschnittlicher und dennoch ehrgeiziger Hobbyspieler. Auf Court zwei wollen wir verschiedene Storys für unsere Rubrik „Besser spielen“ produzieren. Als ich im Halbfeld starten möchte, ruft Brett: „Come on, das ist nur etwas für Frauen! Geh an die Grundlinie!“ Alles klar, Chef. Mein Rhythmus am Anfang erinnert ziemlich an einen Grobmotoriker. Das liegt zum einen an meiner Verfassung und zum anderen daran, dass ich mit einem ungewohnten Racket spiele. Ohne Vibrationsdämpfer, grausam. Ja, Ausreden müssen erlaubt sein.
Sprinten bis die Füße brennen
„Spielst du Bundesliga?“, fragt Brett. Er kann es nur als Scherz meinen. Nach zehn Minuten lockerem Bälle schlagen geht’s richtig los. Brett wirft mir aus etwa zwei Metern Entfernung Bälle abwechselnd auf die Vor- und Rückhand. Eine Übung, die so alt ist wie der Tennissport. „Du bekommst ein Gefühl für das richtige Timing, den Abstand zum Ball im Treffpunkt und trainierst die Beinarbeit“ erklärt der Coach. Ich sprinte zehn- bis 15-mal die Grundlinie entlang, links, rechts, immer wieder. Brett treibt mich in die äußersten Ecken. Später baut der Coach auch kurze oder extrem lange Bälle ein. Die Füße brennen als würde ich barfuß über heiße Kohlen laufen. Nach vier, fünf Durchgängen hänge ich wie ein nasser Sack auf einem Stuhl, der Schweiß tropft auf die rote Asche. Was für eine beknackte Idee, dieser Selbstversuch! Eine einzige Banane zum Frühstück war außerdem viel zu wenig für ein solches Pensum. Ich denke an Thomas Muster und sein legendäres Zitat: „Aufgegeben wird nur ein Brief!“ Also geht es weiter. Immer weiter.