0:6, 0:5, 0:40: Das Comeback aller Comebacks von Barbie Bramblett
Barbie Bramblett schaffte bei den US Open 1983 die größte Aufholjagd der Tennisgeschichte. Sie siegte nach einem Rückstand von 0:6, 0:5, 0:40 und wehrte dabei 18 Matchbälle ab. Wir haben mit der Amerikanerin über ihr Fabelcomeback gesprochen.
Erschienen in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 9/2020
Als die US Open 1983 noch gar nicht so richtig begonnen hatten, war sie bereits passiert: die Geschichte des Turniers. In der zweiten Qualifikationsrunde in der Damenkonkurrenz spielte sich zwischen den beiden Amerikanerinnen Barbie Bramblett und Ann Hulbert Historisches ab. Die 18-jährige Bramblett lag scheinbar aussichtslos mit 0:6, 0:5, 0:40 zurück – und gewann dennoch. Die Texanerin hatte es vollbracht: das Comeback aller Comebacks. Und dabei 18 Matchbälle abgewehrt. Als tennis MAGAZIN per Video-Call mit Bramblett über die Geschehnisse von 1983 spricht, schwingt immer noch Begeisterung und Erstaunen über ihr Jahrhundertcomeback mit.
„Ich wollte nur noch schnellstmöglich vom Platz“, gibt sie zu, nachdem der Spielstand 0:6, 0:5, 0:40 aus ihrer Sicht hieß. „Mir war das alles so peinlich, dass ich dann nur noch auf die Bälle gekloppt habe, obwohl ich sonst mit viel Topspin, Slice und Stopps spielte. Jeder Schlag klatschte plötzlich auf die Linie. Es waren Schläge, die ich zuvor von mir noch nie gesehen hatte“, schildert Bramblett mit einem Leuchten in ihren Augen. In den meisten Spielen geriet sie mit 0:40 ins Hintertreffen und immer wieder kam sie mit dem Mut der Verzweiflung zurück ins Spiel. Die Aufholjagd begann. 1:5, 2:5, 3:5, 4:5. „Ich fragte mich: ‘Warum landen die Bälle auf einmal auf der Linie?’ Als es 4:5 stand, wusste ich, dass ich doch noch eine Chance hatte“, erzählt Bramblett. Und tatsächlich: Die 18-Jährige drehte das Match, siegte mit 0:6, 7:5, 6:3. „Ich war geschockt und konnte nicht glauben, dass ich gewonnen hatte. Das war ein Wunder und nicht geplant, dass ich auf diese Weise gewinne. Für mich war es Schicksal“, blickt die heute 55-Jährige zurück.
Martina Navratilova war völlig verblüfft
„Als ich Ann am Netz traf, sagte ich nur: ‘Gutes Match.’ Das war nicht wirklich mitfühlend. Zu meiner Zeit waren die Spieler-innen grob zueinander, auf und neben dem Platz.“ Nach dem Sieg kam der Schiedsrichter auf Bramblett zu und klärte sie über die 18 abgewehrten Matchbälle auf. „Ich wusste natürlich, dass ich Matchbälle abgewehrt hatte, aber wenn man zurückliegt, dann zählt man nicht mit, wie viele Matchbälle man gegen sich hatte.“ An die Szenen nach ihrer großen Aufholjagd kann sich Bramblett noch gut erinnern. „Als ich vom Platz ging, habe ich Brad Gilbert auf einem Nebenplatz beim Training gesehen. Ich rief: ‘Hey, Brad, weißt du, was ich gerade getan habe?’ Ich hatte mein Comeback immer noch nicht begriffen. Er sagte: ‘Wow! Das ist unglaublich!’ Ich musste auch meine Mutter suchen, weil sie den Platz verlassen hatte, als ich aussichtslos zurücklag. Sie kam nicht wieder. Zurück im Hotel fuhren wir mit Martina Navratilova zusammen im Aufzug. Martina fragte: ‘Barbie, du hast nicht wirklich das getan, was ich heute gehört habe. Hast du es wirklich getan?’ Ich wusste nicht, dass sich das so schnell herumgesprochen hatte und sagte nur ‘Ja’. Martina war völlig verblüfft.“
Das Medieninteresse hielt sich 1983 bei den US Open in Grenzen. Bramblett musste nach ihrem Fabelcomeback keine Interviews geben. In der heutigen Zeit wäre das undenkbar bei solch einem Coup. Dass sie mit dem größtem Comeback der Tennisgeschichte etwas Besonderes vollbracht hatte, wurde Bramblett erst nach dem Karriereende so richtig bewusst. Es sollte nicht die einzige große Aufholjagd in der Laufbahn von Barbie Bramblett gewesen sein. Wenige Monate später in der Qualifikation bei einem Turnier in Nashville lag sie gegen ihre Landsfrau Kathy Holton mit 1:6, 0:5 zurück. Insgesamt 20 Matchbälle wehrte sie ab und holte sich wieder den Sieg.
Barbie Bramblett gewinnt die Orange Bowl
Bramblett startete ihre Tenniskarriere mit vielen Vorschusslorbeeren. 1980 siegte sie in der U16-Konkurrenz bei der Orange Bowl, dem prestigeträchtigsten Jugendturnier. „Als ich die Orange Bowl gewann, kam Nick Bollettieri zu mir und wollte unbedingt, dass ich in seine Akademie wechsele. Ich dachte mir, dass ich mit meinem Trainingsprogramm, das mich zum Titel geführt hatte, weiterhin Erfolg haben würde“, blickt Bramblett zurück. Zu einer Weltkarriere wie bei vielen anderen Orange Bowl-Siegern reichte es für die Texanerin nicht. Nach nur vier Jahren als Profi hörte Bramblett auf – mit Platz 60 als Karrierebestmarke.
„Ich war die meiste Zeit alleine unterwegs, ohne Eltern und Trainer. Ich war monatelang alleine in Europa oder Asien. Mir fehlte die Unterstützung. Ich war so jung und so unvorbereitet, als ich auf die Profitour kam. Es gab niemanden, mit dem ich über Niederlagen reden konnte. Mir fehlte damals auch das Tenniswissen“, sagt Bramblett über ihre kurze Zeit als Profi. Erst im Anschluss an ihre Karriere beschäftigte sie sich intensiv mit den technischen und mentalen Aspekten im Tennis, wurde Trainerin und veröffentlichte zwei umfassende Bücher über ihren Sport. „Ich hatte damals keine Zeit, das Tennisspiel wirklich zu lernen und zu verstehen“, sagt Bramblett. Trotz ihrer kurzen Laufbahn hat sie sich in die Tennisgeschichtsbücher gespielt – mit dem Comeback aller Comebacks in einem Match.
Die größten Aufholjagden bei Grand Slam-Turnieren
Jimmy Connors – Mikael Pernfors 1:6, 1:6, 7:5, 6:4, 6:2 – Achtelfinale Wimbledon 1987
Connors schaffte auf der größtmöglichen Tennisbühne eines seiner unnachahmlichen Comebacks. 1:6, 1:6, 1:4 mit Doppelbreak lag der Amerikaner gegen den Schweden zurück, ehe Connors den Turbo zündete. „Ich bin wie ein altes Auto. Früher habe ich sofort in den fünften Gang geschaltet und bin mit Hochgeschwindigkeit durchs Match gerast. Jetzt schalte ich langsam höher – es geht nicht anders“, sagte der 33-jährige Connors hinterher.
Mary Joe Fernandez – Gabriela Sabatini 1:6, 7:6, 10:8 – Viertelfinale French Open 1993
Sabatini hatte bei 6:1, 5:1 einen Matchball und servierte einen Doppelfehler. Fernandez wehrte insgesamt vier weitere Matchbälle ab und siegte in einem Marathonmatch. „Ich hatte nie Zweifel, die Partie zu gewinnen“, scherzte Fernandez hinterher.
Lisa Raymond – Lubomira Kurhajcova 0:6, 7:5, 6:3 – 1. Runde French Open 2004
Raymond lag mit 0:6, 0:5, 30:30 zurück. Die Amerikanerin wehrte insgesamt zwei Matchbälle ab und schaffte den Comeback-Sieg. Besonders bitter für die Slowakin Kurhajcova: Sie konnte nie ein Match auf Grand Slam-Ebene gewinnen und vergab ihre große Chance.
Stefan Koubek – Cyril Saulnier 0:6, 1:6, 7:6 (6), 6:4, 8:6 – 1. Runde Australian Open 2002
Koubek lag gegen den französischen Qualifikanten nahezu aussichtlos mit 0:6, 1:6, 1:4 und 15:40 zurück. Der Österreicher drehte das Match und spielte das beste Grand Slam-Turnier seiner Karriere – Einzug ins Viertelfinale (Niederlage gegen Jiri Novak). Nike Jordan Jumpman hoodie in grey – release dates & sneakers., Jordans – Yeezys, Urlfreeze News | ACADEMIE-AGRICULTURE ᐈ Одяг, Взуття, Аксесуари, вигідні ціни в Києві у Україні